Versicherungsbote: Das öffentliche Image des Fußballs wird geprägt durch Millionäre in den Top-Ligen, die scheinbar den Vereinen ihre Bedingungen definieren können. Erschwert das Ihre Arbeit? Oder anders gefragt: Wieso brauchen Profifußballer überhaupt eine Gewerkschaft?

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Ulf Baranowsky, Geschäftsführer der Spielergewerkschaft VDV e.V. Ulf Baranowsky: Berufsfußballspieler sind Angestellte der Klubs und unterliegen somit den entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen des Arbeits- und Sozialrechts. Die Gehaltsstrukturen sind allerdings ausgesprochen heterogen. Während Top-Spieler in der Champions League in der Regel Einkommensmillionäre sind, reden wir im Bereich der 3. Liga sogar gelegentlich über Mindestlohnniveau. In den Regionalligen reicht es für nicht wenige Spieler sogar nur zu einem Minijob als bezahlter Feierabendkicker. Die Arbeit der VDV als Spielergewerkschaft ist nicht nur in den Bereichen Interessenvertretung und Servicestelle für die Spieler von immenser Bedeutung; sie trägt auch maßgeblich dazu bei, das Profifußballsystem im Dialog mit Verbänden und Klubs im Gleichgewicht zu halten und erfolgreich weiterzuentwickeln.

Fußballer müssen ihre sportliche Karriere spätestens mit Ende 30 beenden und sich dann einen neuen Job suchen, wenn sie nicht ausgesorgt haben. Unterstützen Sie die Profis dabei – und wie?

Die VDV bietet diesbezüglich vielfältige Präventions- und Serviceleistungen an. Dies beginnt beispielsweise mit Schulungen in den Nachwuchsleistungszentren der Klubs sowie mit intensiven Karriere-Coachings und Hilfeleistungen für einen erfolgreichen Übergang in die nachfußballerische Berufslaufbahn. In Zusammenarbeit mit renommierten Bildungspartnern haben Spieler beispielsweise die Möglichkeit, Fernstudiengänge zu belegen und die Klausuren an spielfreien Tagen unter Aufsicht in den VDV-Büros zu schreiben. Im Finanzbereich kooperiert die VDV ganz eng mit dem Expertenteam der DVAG. Denn es ist von großer Bedeutung, dass die beruflichen Risiken – wie beispielsweise Spielunfähigkeit – adäquat abgesichert werden können und zudem das Thema Vermögensaufbau von Beginn an in den Fokus gestellt wird. Zudem gibt es seit 1999 das DFB-VDV-Versorgungswerk als überbetriebliche Unterstützungskasse zur Altersversorgung und Hinterbliebenen-Absicherung von Fußballprofis und weiteren Angestellten von Fußballverbänden und Fußballklubs.

Das frühe Ausscheiden aus dem Beruf kann auch ein Armutsrisiko bedeuten: gerade für Spieler der unteren Ligen, die nicht so viel verdienen. Können Sie Zahlen nennen, ob und wie Fußballprofis von Armut betroffen sind? Und hat sich hier das Bewusstsein der Profis gewandelt – dass sie zum Beispiel eher vorsorgen, weil sie um das Risiko wissen?

Wissenschaftlich fundierte Zahlen liegen uns diesbezüglich nicht vor. Im Rahmen unserer regelmäßigen VDV-Bildungstendenz-Studien, die wir in enger Zusammenarbeit mit der Hochschule Koblenz durchführen, planen wir allerdings, verstärkt Daten zum Absicherungs- und Vorsorgeverhalten der Spieler abzufragen. Aus unserer täglichen Arbeit wissen wir aber, dass viele Spieler aufgrund ihres jungen Alters und dem damit einhergehenden begrenzten Erfahrungsschatz in wirtschaftlichen Belangen sich nicht optimal absichern und ebenso Fehler bei der Geldanlage machen. In den 80iger Jahren verloren beispielsweise zahlreiche Profis Geld mit Bauherrenmodellen, später gingen andere leider mit Schiffsfonds baden. Bedauerlicherweise gibt es auch schwarze Schafe in der Vermittlerbranche, die die geschäftliche Unerfahrenheit der Spieler ausnutzen und sich an ihnen bereichern. Darum gilt es, schon die jungen Spieler in den Nachwuchsleistungszentren besser zu sensibilisieren und zu schützen.

...ganz naiv gefragt: Wie sorgen Profis überhaupt für ihr Alter vor? Viele zahlen auch in die Rentenkasse ein aber gerade mit Blick auf das Karriereende wird das kaum reichen.

Als VDV empfehlen wir grundsätzlich, sich möglichst nicht zu verschulden, das vorhandene Kapital in sichere Anlagen breit zu streuen und die staatlichen Förderungen mitzunehmen. Zudem raten wir insbesondere den Top-Spielern, sich vor der Heirat intensiv mit dem Thema Ehevertrag zu beschäftigen.

Tun die Vereine und Verbände genug, um die Fußballprofis über das Thema Finanzen und Vorsorge aufzuklären? Wo sehen Sie Defizite?

Was die Präventionsarbeit angeht, besteht noch ganz viel Luft nach oben. Aus unserer Sicht wäre es wünschenswert, wenn die Spieler in den Nachwuchsleistungszentren und den Profiteams regelmäßig zum Themenkomplex Absicherung, Vorsorge und Steuern geschult würden. Als VDV bieten wir diesbezüglich Schulungsmodule an, die aber in der Breite noch zu selten von den Klubs abgerufen werden.

...unterstützen Sie die Profis auch nach dem Ende der Karriere weiter? Es ist denkbar, dass viele erst einmal in ein Loch fallen, wenn Rampenlicht und „Passion“ wegbrechen.

Internationale Studien belegen, dass ehemalige Spieler in der Tat schnell in einen Teufelskreis geraten können, wenn Sie während der Profikarriere nicht genügend Geld verdienen konnten und sich nicht rechtzeitig auf die nachfußballerische Berufslaufbahn vorbereitet haben. Bedauerlicherweise begünstigen derartige Drucksituationen auch das Auftreten von psychischen Erkrankungen. Darum bietet die VDV in enger Zusammenarbeit mit Partnern auch sportpsychologische Hilfe an – beispielsweise über die von uns mitinitiierte Netzwerkinitiative MENTAL GESTÄRKT, die an der Deutschen Sporthochschule in Köln beheimatet ist.

Sie bieten auch eine Altersversorgung für Fußballer über eine Unterstützungskasse an. Wie ist diese gestaltet – können Sie uns einen kurzen Einblick geben?

Das DFB-VDV-Versorgungswerk bietet als überbetriebliche und rückgedeckte Unterstützungskasse im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung Fußballprofis sowie weiteren Angestellten von Fußballverbänden und Fußballklubs grundsätzlich die Möglichkeit, steuerbegünstigt fürs Alter vorzusorgen und Hinterbliebene abzusichern. In bestimmten Fällen fördern Arbeitgeber sogar mit Zuschüssen ihre Angestellten; was diese Art der zusätzlichen Altersversorgung besonders attraktiv für die Arbeitnehmer macht. Es wäre sehr wünschenswert, wenn – gerade in Zeiten von Rentenkürzungen – mehr Arbeitgeber diesem Beispiel folgen und ihre Angestellten so nachhaltig unterstützen und wertschätzen würden.

Auf Ihrer Seite nennen Sie unter anderem die Deutsche Vermögensberatung (DVAG) als Partner. Wie sieht die Kooperation aus – Können Sie einen kurzen Einblick geben?

Das Expertenteam der DVAG bietet für die Spieler – vom Talent bis zum Weltmeister – umfassende und individuelle Finanzberatung sowie eine reichhaltige Palette an Absicherungs-, Anlage- und Vorsorgeprodukten an. Mit Jens Larsen führt ein ehemaliger international erfahrener Spitzensportler dieses ausgewählte Expertenteam als Kapitän an. Somit ist gewährleistet, dass die Besonderheiten einer Sportlerkarriere bei der Finanzberatung in hohem Maße berücksichtigt werden können.

Es ist ratsam, dass Fußballer sich schon vor oder während der Profikarriere auf ihren späteren Beruf nach dem Karriereende vorbereiten. Auch Sie bieten Studiengänge per Fernstudium an – oft im Bereich Management und Finanzen. Wie werden diese Angebote wahrgenommen?

Leider ist laut unserer VDV-Bildungstendenz-Studien der Anteil von aktiven Profis mit abrufbaren beruflichen Qualifikationen in den letzten Jahren stark, auf deutlich unter 20 Prozent, zurückgegangen. Im Gegenzug ist allerdings die Zahl der Spieler mit Abitur oder Fachabitur gestiegen. Rund jeder dritte Profi bereitet sich während der Karriere gezielt auf die nachfußballerische Berufslaufbahn vor. Dabei werden natürlich sehr häufig die Fernstudiengänge der VDV-Bildungspartner genutzt. Als Spielergewerkschaft würden wir uns natürlich wünschen, durch noch mehr Unterstützung von Verbänden und Klubs diese Quote weiter erhöhen zu können.

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Die Fragen stellte Mirko Wenig

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