Versicherungsbote: Sie haben sich in einer Petition bei change.org für Verbraucherschutz-Standards stark gemacht: auch Verbraucherschützer sollen ihre Sachkunde nachweisen und für ihren Rat haften müssen. Wie ist die Petition gelaufen? Welche Rückmeldungen haben Sie bekommen?

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Frank Dietrich ist Fachmakler aus Potsdam. Auf change.org hat er eine Petition für einen qualifizierteren Verbraucherschutz gestartet. Frank Dietrich: Die Rückmeldungen, nicht nur aus Kreisen der Kollegen, die mir gleichartige Erfahrungen wiederholt bestätigten, waren durchweg positiv. Immer wieder musste ich lesen, dass trotz nachgewiesenem Fehlverhalten die Verbraucherzentralen weder zu einer Korrektur noch zu einem Gespräch bereit waren. Ein Kollege hat sich die Zeitungsartikel hochkopiert und sogar ins Schaufenster gehängt. Interessant fand ich, dass der Bund der Versicherten (BdV), der dasselbe Interesse haben sollte wie in der Petition zum Ausdruck gebracht, kontraproduktiv kommentiert hat. Welchem Interesse folgt Herr Kleinlein?

Verbraucherschutz ist wichtig – hat sich in den letzten Jahren immer mehr zu einer Art Marketinginstrument gewandelt. Neben der „Stiftung Warentest“ verkaufen auch viele private Institute Testsiegel zu Werbezwecken oder Beratungsleistungen an Unternehmen. Wie muss ein Verbraucherschutz Ihrer Ansicht nach aussehen, dass er seiner Aufgabe gerecht wird?

Der Nachholbedarf ist riesig. Erst einmal sollte man von dem hohen Ross der Selbstdarstellung ein wenig herunterkommen und sich überlegen, welchem Ziel man folgt. Den Vermittler pauschal über die schwarzen Schafe des Marktes, die heute noch frei rumlaufen, zu beurteilen, wie man es oft liest, kann nicht richtig sein.

Darüber hinaus muss auch der Verbraucherschutz der steigenden Komplexität von Versicherungen gerecht werden. So wie es viele Vermittler machen, die - dem Berufsstand der Ärzte folgend - sich zunehmend spezialisieren, wäre eine Spezialisierung einzelner dort tätiger Verbraucherschutz-Mitarbeiter auf einzelne Fachbereiche und sogar Sparten dringend zu empfehlen. Das könnte so aussehen, dass zum Beispiel auch bei „Stiftung Warentest“ ausschließlich Spezialisten für biometrische Versicherungen entsprechende Policen testen. Der Bauchladen in der Beratung gehört der Vergangenheit an.

Des Weiteren: Definitiv dürfen keine Vergleichsrechner oder Ratings in die Beratung in irgendeiner Form einfließen. Die Anbieter dessen haben ein anderes Geschäftsmodell als primär den Nutzen des Kunden: sie leben vom Verkauf von Lizenzen. Damit lässt sich vielleicht auch der Trend zu positiven und sehr positiven Bewertungen bei Produktratings begründen. Ein Beispiel: Ein Versicherer, der erst am Jahresende 2016 die abstrakte Verweisung aus der Nachprüfung herausnahm, erhält seit 20 Jahren Bestnoten in Ratings.

Aber Verbraucherschutz beginnt bereits im Beratungsgespräch zu Versicherungen. Beratungen sind zu protokollieren. Man beginnt mit der Analyse, setzt Zwischenziele und protokolliert Empfehlung und Ratschlag, auch die Entscheidung des Kunden. Im Grunde folgen wir nur dem, was jeder Vermittler bereits einzuhalten hat. Diese Empfehlungen und Vorschriften hatten dasselbe Ziel, nämlich Verbraucherschutz, und sind daher auch hier anzuwenden. Eine ständige und nachweisbare Weiterbildung als auch Qualifikation sind nachzuweisen. Mein Erlebnis in einer der Verbraucherzentralen, welches sie in der Petition geschildert nachlesen können, straft diese Kriterien Lügen: Dort wurde jungen und gesunden Studenten vom Abschluss einer BU-Versicherung abgeraten. Ist das wirklich mit dem Ziel des Verbraucherschutzes vereinbar?

Versicherungsbote: Sehen Sie von Seiten des Gesetzgebers -über Ihre Petition hinaus- Handlungsbedarf? Zum Beispiel, dass Verbraucherschützer oder Verbände strenger ihre Prüf- und Testkriterien offenlegen müssen?

Die Politik ist hier grundsätzlich gefordert, hat sie sich doch in den letzten Jahren oft nicht um den Verbraucherschutz verdient gemacht. Als jüngstes Beispiel wäre hier der Dieselgate-Skandal anzuführen. Vor vielen Jahren erinnere ich mich, finanzielle Anreize zum Kauf eines Diesel als Verbraucher erhalten zu haben. Dann zeigt sich, dass wir jahrelang betrogen wurden, wenn es um die Einhaltung der Abgasnorm geht. Auch gibt es politische Akteure, die bei nachgewiesenem Verschweigen solcher Tatsachen zum Nachteil der Verbraucher doch immerhin die Frechheit haben, nun eine Prämie öffentlich auszuloten, wenn man einen neuen Diesel kauft. Verbraucherschutz muss unabhängig der Geldgeber gestaltet sein und diese sollten für jedermann nach lesbar publiziert werden. In einem solchen Gremium sollten durchaus auch einfache Verbraucher sitzen. Nur die können beurteilen, wie sie Informationen aufnehmen und bewerten, um möglicherweise kommenden Fehlentwicklungen gegenzusteuern.

Auch sollte man definitiv verhindern, dass der Bock zum Gärtner gemacht wird. Was ist damit gemeint? Wenn zum Beispiel ein Rating zu Vergleichsportalen durch einen Hersteller von Vergleichsrechnern vorgenommen wird. Die Akzeptanz der Verbraucherzentralen in der Bevölkerung liegt weit höher, als bei den Vergleichsportalen. Betrachtet man die Beratung der Verbraucherzentralen, die meines Wissens Vergleichsrechner und Vergleichsprogramme nutzen, so sehe ich hier keinen Unterschied im Ergebnis. Lediglich der Weg, an die Daten zu kommen, ist ein anderer. Der Verbraucher geht entweder ins Internet oder zur Verbraucherzentrale. Beide weisen im wesentlichen dieselben Mängel und Ungenauigkeiten auf und haften nicht für ihren Rat. Warum soll ein Vergleichsportal dann schlechter bewertet werden als die Verbraucherzentrale?

Versicherungsbote: Als Beispiel, wie Verbraucherschutz den Eindruck vermeintlicher Sicherheit vermitteln kann und dann doch dem Verbraucher Nachteile entstehen, nennen Sie einen BU-Test der „Stiftung Warentest“. Einer der Testsieger habe nachteilige Klauseln für den Fall der Arbeitslosigkeit formuliert. Um welchen Anbieter handelt es sich? Können Sie das bitte kurz erläutern?

Empfohlen wurden auf den ersten Plätzen die Alte Leipziger, die Europa Lebensversicherung und auch die Hannoversche Lebensversicherung. Betrachten Sie den Passus in den Allgemeinen Vertragsbestimmungen der Hannoverschen, so wird klar, dass eine der Bestimmungen durchaus als Regulativ nutzbar wäre. Zitat:

  • (3) Übt die versicherte Person bei Eintritt der Berufsunfähigkeit ihre berufliche Tätigkeit vorübergehend nicht aus (z. B. wegen Mutterschutz, Elternzeit, Arbeitslosigkeit, Grundwehrdienst oder Zivildienst) und ist eine Wiederaufnahme vorgesehen, so gilt die zuletzt bei vorübergehendem Ausscheiden aus dem Berufs - leben ausgeübte Tätigkeit gemäß § 2 Absatz 1 als versichert. Ist die versicherte Person aus dem Berufsleben ausgeschieden, ohne dass eine Wiederaufnahme der Tätigkeit absehbar ist, so kommt es bei der Anwendung der Absätze 1 bis 3 darauf an, dass die versicherte Person außerstande ist, eine berufliche Tätigkeit auszuüben, die sie aufgrund vorhandener beruflicher Fähigkeiten und Kenntnisse, die durch Ausbildung und Erfahrung bis zum Ausscheiden aus dem Berufsleben und danach erworben wurden, ausüben kann. Diese Tätigkeit muss der bei Ausscheiden aus dem Berufsleben bestandenen Lebensstellung entsprechen.

Was wäre bei Arbeitslosigkeit? Bei vielen Arbeitslosen ist die Vermittlung in einen neuen Arbeitsplatz, beispielsweise durch das Alter begründet, von der Zeit her nicht absehbar. Diese Menschen könnten demnach ihr versichertes Berufsbild verlieren. Wie bitte definieren Sie „absehbar“? Das ist eine unscharfe Formulierung. Die beiden anderen Anbieter haben diese nicht, werden aber von Stiftung Warentest als gleich bewertet und der Preis kann den Ausschlag für den Verbraucher geben. Niemand haftet für diese Empfehlung und später wird es vielleicht noch auf den Vermittler geschoben, wenn er sich scheut, Policen mit derartigen Klauseln zu empfehlen.

Versicherungsbote: In Medien wie „Stern“, „Spiegel“ und „n-tv“ wird oft Hermann-Josef Tenhagen mit seinem Portal „Finanztip“ zitiert. Sie haben uns gegenüber geklagt, „Finanztip“ sei intransparent. Können Sie den Vorwurf konkretisieren? Immerhin weist das Portal aus, dass einige Anbieter Geld für sogenannte Affiliate Links zahlen.

Das Unternehmen ist als gemeinnützige GmbH organisiert. Aber es wäre sehr interessant herauszufinden, wer die Geldgeber von "Finanztip" sind, die sich an der Entstehung und Unterhaltung dieser Einrichtung beteiligten und welche Interessenkonflikte es da gibt. Ist der Name, der nahe an der Zeitschrift "Finanztest" der Stiftung Warentest liegt, beabsichtigt und warum? Betrachtet man die dort angebotene Checkliste zur Berufsunfähigkeitsversicherung, so glänzt sie mit Unvollständigkeit. Auch wird gleich zu Beginn die Wertigkeit von Angeboten über die Ergebnisse von Ratingunternehmen definiert. Das erinnert mich an 2008 und die guten Empfehlungen der Lehmann Brothers. Man hat aus Fehlern nicht gelernt und wirbt mit Daten, die man nicht selbst recherchiert hat. Zudem vergibt "Finanztip" Siegel für Empfehlungen und betreibt eigene Vergleichsrechner. Wie auch bei den Affiliate Links sehe ich hier einen Interessenkonflikt zwischen Verbraucher-Information und eigenen wirtschaftlichen Interessen.

Unter der Rubrik „Finanztip – Berufsunfähigkeitsversicherung“ empfiehlt Finanztip sechs Maklerunternehmen. Ist dies nicht sogar positiv zu bewerten, da viele andere Webseiten mit der Zielgruppe "Verbraucher" pauschal auf Versicherungsmakler draufhauen?

Auch das sehe ich deutlich kritischer. Interessant ist, dass nach meinem Wissen vier von diesen Maklern für den Platz bzw. die Verlinkung bezahlen, zwei andere hingegen nicht. Nach welchen Anforderungen werden diese Vermittler ausgesucht, wie wird ihre Beratungsqualität evaluiert und was müssen Sie zahlen? Solange die Einzelinteressen hier nicht offengelegt werden, bleibt immer ein fader Beigeschmack. Mir fiel zum Beispiel bei einem der empfohlenen Maklerbüros auf, dass dort ein früherer Vorstand beim Bund der Versicherten (BdV) beschäftigt ist, der aufgrund von Untreuevorwürfen beim BdV entlassen wurde. Wenn ein Vermittler heute einen Strafbefehl gegen sich hat, kann er seine Lizenz verlieren! Dieses Büro ist übrigens auch für die Verbraucherzentralen tätig und wird dort quasi ohne Bezahlung beworben.

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Schlussendlich möchte ich noch bemerken, dass ich selbst dem Verbraucherzentrale Bundesverband eine Zusammenarbeit zur Verbesserung des Verbraucherschutzes anbot, die aber abgelehnt wurde. Mir hat man mitgeteilt, ich sei bereits viel zu relevant. Ich denke, dass meine Berichte als Fachmakler, insbesondere die Auszüge über Vertragsinhalte der Versicherer, einen Mehrwert auch mit Blick auf Verbraucherfragen bieten können und damit relevant sein sollten. Warum sehen das die Verbraucherzentralen anders? Wieso können Zeitschriften und selbst ernannte Ratgeber und Verbraucherportale haftungsfrei empfehlen, Makler aber nicht? Ich würde mich über Antworten freuen.

Die Fragen stellte Mirko Wenig

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