Der US-Bank Citigroup machte zuletzt weniger gute Schlagzeilen. In Deutschland soll das amerikanische Geldhaus in Cum-Ex-Geschäfte involviert gewesen sein, jene zwielichtigen Zockereien, bei denen sich Unternehmen Milliarden Steuern vom Staat zurückerstatten ließen, die sie freilich nie gezahlt hatten. Ein riesiger Nepp auf Kosten des Steuerzahlers, möglich gemacht durch eine Gesetzeslücke, vor der die Bundesregierung fast ein Jahrzehnt lang die Augen verschloss. Das "Handelsblatt" zitiert einen nicht genannten ehemaligen Citigroup-Vorstand mit den Worten: "In Deutschland waren solche Dividendengeschäfte in manchen Jahren das einzige Geschäft, mit dem wir überhaupt richtig Geld verdienten." Nun fordert das Finanzamt Frankfurt 706 Millionen Euro Steuergelder zurück, die Bank weist alle Vorwürfe von sich.

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Es sind auch solche zwielichtigen Geschäfte, weshalb der linke US-Demokrat Bernie Sanders im Wahlkampf eine Zerschlagung von Großbanken fordert. Ein mögliches Ziel: die Citigroup. Und tatsächlich sollen die Aktionäre auf der nächsten Hauptversammlung im April über eine mögliche Aufspaltung der US-Grossbanken JPMorgan und Citigroup abstimmen, so ein Ersuchen von Bart Naylor, der bei beiden Instituten Eigner ist. Das Geldhaus wollte sich hierzu nicht äußern: man habe sich soeben erst von Geschäftsteilen in Milliardenhöhe getrennt, sagte ein Sprecher gegenüber Reuters. Rund läuft es derzeit nicht, das schwierige Marktumfeld belastet auch den US-Giganten. Der Finanzvorstand John Gerspach hatte Mitte März berichten müssen, dass die Erträge im Investmentbanking im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 25 Prozent und aus dem Handel mit Aktien und Anleihen um 15 Prozent gesunken seien.

78 Billionen Dollar fehlen in Rentenkassen?

Das ist die Ausgangssituation, mit der die US-amerikanische Bank aktuell zu kämpfen hat. Und nun kommt sie mit einer bemerkenswerten Studie um die Ecke. In den Pensionskassen der größten 20 OECD-Nationen würden 78 Billionen Dollar fehlen, um alle Ansprüche von zukünftigen Rentnern zu bedienen. Nicht Milliarden, sondern Billionen! „Wenn man sich das Ausmaß der ungedeckten Pensionsverpflichtungen ansieht, ist es eine tickende Zeitbombe“, sagt Charles Millard, einer der Autoren der Studie, gegenüber der Financial Times. „Unglücklicherweise ist es eine Bombe, die nur langsam explodiert, so das nie das Gefühl einer Krise aufkommt. Die gute Neuigkeit: Es bleibt ausreichend Zeit, Reparaturen vorzunehmen. Die schlechte Neuigkeit: Ohne das Gefühl einer Krise werden wir uns nicht veranlasst sehen, diese Reparaturen in die Wege zu leiten.“

Der Grund für das Dilemma sei, zugespitzt formuliert, dass die staatlichen Rentensicherungs-Systeme keine Antwort darauf finden, dass die Menschen immer länger leben. Und folglich länger Renten erhalten. Länder wie Deutschland, Frankreich, Italien oder Großbritannien hätten Lücken in ihren Pensionsverpflichtungen, die dreimal so hoch seien wie das Bruttoinlandsprodukt dieser Länder, argumentieren die Autoren der Studie. Aber sie haben zugleich besagte Reparaturanleitung gegen den Crash: Die Regierungen müssten das Rentenalter an die steigende Lebenserwartung der Menschen anpassen. Mit anderen Worten: Das Rentenalter soll weiter erhöht werden. Auch sollen die staatlichen Rentenzahlungen so stark reduziert werden, dass sie den Menschen im Alter nicht mehr als Haupteinkommen dienen können. Wer würde von solchen Reformen profitieren? Richtig - Banken wie die Citigroup.

Mit Langlebigkeitsrisiken lässt sich noch gutes Geld verdienen

Die aktuellen Entwicklungen haben auch Auswirkungen auf die private Altersvorsorge. Aufgrund des Langlebigkeitsrisikos seien Unternehmen bemüht, ihre Pensionsverpflichtungen etwa im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge zu reduzieren, heißt es in der Studie. Dadurch könnte in den nächsten fünf bis zehn Jahren ein Zweitmarkt für Risikotransfers entstehen, dessen Volumen sich allein in den Staaten auf 200 bis 350 Milliarden Euro beziffert, in Großbritannien auf 100 bis 200 Milliarden Euro. Die Kapitalrendite auf diese Geschäfte könnte 12 bis 14 Prozent betragen. Es lässt sich also noch gutes Geld verdienen mit der vermeintlichen Krise – sagt die Citigroup, welche selbst einer der größten Anbieter privater Rentenlösungen ist.

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Letztendlich haben die Studienmacher auch in der privaten Altersvorsorge Wünsche an Finanzaufsicht – und an die Kunden. Denn auch hier sollen die Sparer ihre Ansprüche herunterschrauben. Eine Tendenz, die freilich schon der Markt selbst regeln würde: Verwiesen wird auf den aktuellen Trend, dass Versicherer zunehmend Rentenprodukte anbieten, die das Kapitalmarktrisiko auf den Kunden auslagern und nicht die eigenen Bilanzen belasten. Auch Solvency II würde es zusätzlich erschweren, dass Versicherer langfristige Verpflichtungen auf sich nehmen. Verbreitet hier ein Finanzdienstleister Panik, um selbst noch besser an der Krise verdienen zu können? Oder sollte die alarmistische Prognose ernst genommen werden? Mitautor Charles Millard hat Erfahrung mit Crashs: Er war Managing Director bei Lehmann Brothers.

Financial Times

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