Sturmwarnung statt Kamellen-Regen: Am Montag war bei vielen Jecken in den Karnevals-Hochburgen Düsseldorf und Mainz ein trauriges Gesicht zu sehen. Die Rosenmontagsumzüge mussten aufgrund einer Sturmwarnung abgesagt werden, Sturmtief Ruzica forderte seinen Tribut. Allein in Düsseldorf blieben bis zu 70 Tonnen Bonbons und Süßigkeiten in Verwahrung, wie die Organisatoren berichteten. Zum Vergleich: So viel wiegen 14 ausgewachsene Elefanten.

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Allein in Düsseldorf eine Million Euro Schaden

Doch wer kommt für die Kosten auf, wenn die Narren nicht laufen, Motiv-Wagen nicht fahren und tausende Leute an Servicepersonal wieder weggeschickt werden müssen? Auf rund eine Million Euro beziffert das Comitee Düsseldorfer Carneval (CC) den Schaden allein in der Rheinmetropole. CC-Sprecher Hans-Peter Suchand erklärte gegenüber DerWesten: „Da ist alles mit eingerechnet – von allen Wagen über das Sicherheits- und Schankpersonal, Sanitätsversorgung und Süßigkeiten“. Auch die Anreisekosten für die Guggenkapellen müssen bezahlt werden, 40 Ensemble hatten sich angekündigt.

Auf den Kosten sitzen bleiben die Jecken aber nicht. Wie Versicherungswirtschaft Heute berichtet, kommt die Ergo für den Ausfall des Düsseldorfer Rosenmontagszugs auf. Dies habe Sprecher Christian Danner gegenüber dem Webportal bestätigt. Glück im Unglück: Die Ausfallversicherung sei in diesem Jahr erstmalig abgeschlossen wurden, falls der Umzug zum Beispiel aufgrund einer Terror- oder Bombenwarnung abgesagt werden müsse, ließ der Düsseldorfer Karnevalsverein wissen. Der Versicherer springe aber auch bei Unwetter ein. Eine konkrete Versicherungssumme wollte die Ergo nicht nennen.

Schadensersatz für Mainzer Umzug noch offen?

Komplizierter scheint die Situation für die Mainzer Narren. Laut VWheute sei aktuell noch offen, wer für die Ausfallkosten des Mainzer Rosenmontagsumzugs aufkomme. Das Orga-Team beziffert den entstandenen Schaden auf 400.000 Euro. Falls Sponsoren ausfallen und Budenbetreiber Schadensersatz fordern, könnte die Summe noch steigen.

Erschwerend kommt hinzu, dass die erwarteten Sturmböen in Mainz ausblieben. Montag Mittag posteten Mainzer Gardisten bei Facebook ein Foto vom Veranstaltungsort, das zwei uniformierte Fastnachter im Liegestuhl zeigte – von einem Unwetter, gar Orkan, war nichts zu sehen. Der dritte Gardist sei gerade unterwegs, um Sonnencreme zu holen, scherzten die Karnevalisten: Wenigstens den Humor ließen sie sich nicht nehmen.

Könnte das Ausbleiben des Sturmwetters gar Auswirkungen auf die Versicherungsleistung haben? Manche Ausfallversicherungen sehen bei Sturm erst eine Leistung vor, wenn der Wind mit mindestens Windstärke 8 um die Häuser blies. Ob es entsprechende Einschränkungen gibt, hängt von der jeweiligen Police ab. „Die Ausfallversicherung sichert den Veranstalter gegen wetterbedingte Ausfälle ab. Ob diese noch detaillierter definiert sind, ist im individuellen Versicherungsvertrag geregelt“, erklärte eine GDV-Sprecherin auf Anfrage von Versicherungsbote.

In der Regel dürfte aber Schutz bestehen. So leisten viele Versicherer im Rahmen einer Ausfallversicherung, wenn die Ursache für den Ausfall oder den Abbruch außerhalb des Einflussbereichs des Veranstalters liege, also etwa bei Stromausfall, plötzlichen Erkrankungen/Verletzungen, bei Unwettern oder Bombendrohungen. Einen Fallstrick in den Verträgen gibt es auch hier: Die "Außerhalb der Einflussnahme des Veranstalters" liegenden Gründe schließen erst einmal Wettergründe aus. Eine Unwetterklausel muss gesondert eingeschlossen werden.

Gerüchte und Spekulationen im Netz

Das milde Wetter in Mainz war einer der Gründe, weshalb im Netz über andere Anlässe für eine Absage spekuliert wurde. Roland Tichy, früherer Chefredakteur der Wirtschaftswoche und Vorstand der Ludwig-Erhard-Stiftung, veröffentlichte auf seiner Meinungsseite „Tichys Einblick“ einen Gastbeitrag des Autoren David Berger, in dem dieser unter dem Titel „Diplomatisches Wetter“ über eine mögliche Terrorwarnung spekuliert.

Auch wenn der Artikel mit „Verschwörungstheorien wuchern“ überschrieben ist, suggeriert er, dass die Umzüge aufgrund der Angst vor einem terroristischen Anschlag ausfallen mussten. „Die Wetterprognose mag tatsächlich ungünstig gewesen sein, aber dass deshalb ein großer Karnevalszug nach dem anderen abgesagt wurde, ist kaum glaubhaft“, schreibt Berger. Der Beweis? Unter anderem ein angebliches internes Rundschreiben des Bundeskriminalamtes, das auf der rechten Webseite Anonymous Kollektiv zu finden war.

Selbst in dem angeblichen Geheimdokument, datiert auf den 29.01., heißt es zur Gefährdungslage: „In der Gesamtschau ist zu bilanzieren, dass dem BKA aktuell keine Erkenntnisse vorliegen, die auf eine konkrete Gefährdung der Karnevalsfeierlichkeiten hindeuten.“ Es sei lediglich mit einem erhöhten „Hinweisaufkommen“ zu rechnen – etwa, dass Facebook-Nutzer eine entsprechende Gefahr behaupten. Als Journalisten den Artikel selbst in die Nähe einer Verschwörungstheorie rückten, unter anderem SPIEGEL-Redakteur Florian Gathmann, twitterte Tichy mehrfach von einem „Beweis für staatsgläubigen Neujournalismus“ in seiner Timeline. Ähnlich wie Tichy äußerte sich die umstrittene AfD-Politikerin Beatrix von Storch auf ihrer Facebook-Seite.

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Die meisten Jecken nur gegen Terror abgesichert

Für die nun geschädigten Jecken ist es aber durchaus von Bedeutung, aus welchen Gründen ihre Veranstaltung abgesagt wurde, ob aufgrund eines Unwetters oder einer Terrorwarnung. „Die meisten Veranstalter hatten sich in diesem Jahr gegen die Gefahr eines Terroranschlages versichert, aber nicht gegen den kompletten Ausfall des Umzuges“, schreibt der GDV. So könnten jetzt viele Vereine leer ausgehen: Weil sie eben keine Police gegen einen unwetterbedingten Ausfall des Karnevalsumzuges besitzen.

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