Versicherungsbote: Herr Glesel, der Düsseldorfer Karnevalsumzug ist ausgefallen. Die Medien berichten von einer Million Kosten. Ergo hat den Ausfall versichert. Wie berechnet man einen Ausfallschaden, um ihn zu versichern?

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Matthias Glesel: In einer Veranstaltungsausfall-Versicherung werden die Kosten, sowie optional auch entfallender Gewinn versichert für den Fall der Absage, des Abbruchs oder der Verlegung aus versicherten Gründen, wie eben zum Beispiel auch durch behördliche Absagen wegen Katastrophenwetterwarnungen. Im Falle Ergo wäre das sicher auch möglich gewesen, zu vereinbaren. Bei einer Ausfallsumme von 1 Million Euro hätte man zu dieser Jahreszeit und dem Ort mit cirka 1,8-1,9 Prozent an Versicherungsbeitrag für eine Ausfallversicherung mit Terroreinschluss und der erforderlichen "adverse weather"-Klausel kalkulieren müssen.

Matthias Glesel ist Geschäftsführer der CompactTeam GmbH & Co. KG., Berlin. Unter der Marke EventAssec wurden nach seinen Angaben in 25 Jahren über 102.000 Veranstaltungen weltweit mit mehr als 105 Millionen Besuchern versichert.

Versicherungsbote: Ist es so, dass die Preise für Veranstaltungsausfall-Policen steigen?

Glesel: Langjährig kann das derzeit noch nicht bestätigt werden. Die geforderten Beiträge der Versicherer, mit denen wir national und auch international in diesem Bereich arbeiten, sind relativ stabil bis aus saisonal bedingte Unterschiede. Aber infolge des Klimawandels und auch steigender Terrorgefahr ist mit steigenden Beiträgen zu rechnen. Ich denke auch, dass in der einen oder anderen Karnevalshochburg man über eine wetterbedingte-Absage auch aus anderen sicherheitstechnischen Erwägungen nicht böse war.

Versicherungsbote: Werden sich Versicherer aus dem Markt zurückziehen?

Glesel: Ich hoffe nicht, denn die Anzahl der aktiven Anbieter ist leider ohnehin schon überschaubar genug. Da die Rückversicherer nahezu immer bei Ausfallsummen oberhalb 500.000 Euro involviert sind, sehe ich dafür keine echte Veranlassung.

Versicherungsbote: Veranstaltungs-Haftpflicht - Was sind die größten Risiken der Veranstalter?

Glesel: Bei Umzügen bestehen für die teilnehmenden Fahrzeuge, insbesondere Anhänger mit Personenbeförderung, klare zulassungs- und versicherungsrechtliche Vorgaben. Die größeren Karnevalsveranstalter kennen sich damit aus. Bei kleineren und unerfahrenen bestehen gelegentlich schon Mängel, so gab es auch vor 14 Tagen in Baden-Württemberg einen Todesfall einer vom Wagen Stürzenden, die dann überrollt worden ist, der bei ordnungsgemäßer Durchführung nicht hätte sein müssen.

Meist ist den Versicherungen und deren wenig fachkundigen Vermittlern das tatsächliche Risiko wegen unzureichender Informationen nicht bewusst, oder unbekannt. Das betrifft eben nicht zugelassene Fahrzeuge und deren Aufbau, der abnahmepflichtig ist, die Verwendung von Pyrotechnik, Mitführen von Tieren, Aufbau von Bühnen, Spielgeräten. Auch die nötige Ordnerzahl und die vorgeschriebenen Wagenbegleiter, die ein Überrollen verhindern sollen, müssen natürlich fachkundig und unterwiesen sein.

Bei Tribünen und Großzelten dagegen ist die Professionalität und die Sicherheitsprüfung durch Baubehörden als sehr hoch anzusehen.

Versicherungsbote: Arbeiten große Karnevalsvereine (Mainz, Köln, Düsseldorf) professioneller als kleine?

Glesel: Oft, da sind die Erfahrungen sehr groß und der Geschäftsbetrieb auch aufgrund personeller Stärke professionell. Aber auch da passieren Fehler. Sicher gibt es auch bei kleineren Karnevalsvereinen sehr verantwortungsbewusste Veranstalter, aber oft stellen wir dort eine gewisse Überforderung fest. Es gibt für die Durchführung nicht nur von Umzügen, auch andere Veranstaltung zum Teil weit über 50 bis 100 Regelwerke und Vorschriften, die einzuhalten sind. Und das Geld, sich professionelle Dienstleister einzukaufen, hat eben auch nicht jeder Verein. Allein das ehrenamtliche Engagement ersetzt aber die Profis nicht und dankenswerter Weise sind oft auch von Berufs wegen fachkundige Helfer wie etwa die Feuerwehr bei den Veranstaltungen dabei.

Versicherungsbote: Wie steht es mit der persönlichen Haftung der Veranstalter

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Glesel: Wenn ein Vereinsvorstand zum Beispiel aus Budgetgründen die wichtigsten Versicherungen außer Acht lässt, kann ihn persönliche Haftung auch mit dem gesamten Privatvermögen treffen. Stimmt der Verein gegen den Abschluss etwa einer Wetterausfalldeckung, ist er zumindest privat nicht haftbar. Unterlässt er die Information darüber gar bewusst, haftet er ganz allein und dann hilft ihm auch eine Vorstandsversicherung, die sogenannte D&O, nicht. Erhalten jetzt vertraglich gebundene Dienstleister nicht ihre zugesicherten Vergütungen, ist es stark vertragsabhängig, ob diese keinen Anspruch haben, oder doch geltend machen können. Ein drohender Sturm und die Absage der Veranstaltung sind nicht gleichbedeutend mit Nichtigkeit der Verträge.

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