Wie so vieles werden auch Gewohnheiten und Überzeugungen in Bezug auf das Sparen, das Konsumieren und Geldanlegen in einer Familie von einer Generation auf die nächste übergeben. Dies sei genauso wie bei der Weitergabe von Glaubenssätzen, Rollenmustern oder Emotionen, schreibt Union Investment. Für die Studie holte sich Investmentgesellschaft wissenschaftlichen Beistand von Professor Dr. Rolf von Lüde, Universität Hamburg und Professor Christian von Scheve, Universität Berlin.

Welche Rolle spielt der familiäre Kontext bei Finanzentscheidungen?

Für die Studie befragten die Wissenschaftler dreißig Familien und stellte das Forschungsinteresse an den Fragen: „Welche Rolle spielt der familiäre Kontext bei Finanzentscheidungen? Was für Deutungs- und Verhaltensmuster lassen sich identifizieren? Wie werden Muster in die nächste Generation weitergegeben?“ in den Mittelpunkt.

Aus den familiären Wertvorstellungen in Kombination mit fehlendem Fachwissen würden individuelle Finanzentscheidungen weitgehend unreflektiert getroffen. So beschäftigten sich die wenigsten vor einer finanziellen Entscheidung mit dem aktuellen Kapitalmarktumfeld, so das Ergebnis der Befragung.

Zudem würde die klassische Zinsanlage auch im Niedrigzinsumfeld zu selten in Frage gestellt. Verlässt man sich also allein auf den vermeintlichen Erfahrungsschatz aus dem eigenen Familienumfeld, dann läuft man Gefahr, aktuelle Entwicklungen zu verkennen und zu versäumen, diese in die eigene Planung einzubeziehen. Im Ergebnis sind Fehlentscheidungen beim "Hantieren" mit dem Geld sehr viel wahrscheinlicher, als wenn man sich externe Information und Erfahrungen zunutze macht.

Richtiges Sparverhalten lernen

Die Studie zeigte eine nachhaltige familiäre Prägung, was den Umgang mit Geld anginge. „Der Umgang mit Geld wird nachhaltig von der Familie geprägt“, sagt Prof. von Lüde. „Deshalb fällt es vielen Menschen schwer, sich von vorgegebenen Bahnen eines ‚richtigen‘ Sparverhaltens zu lösen, auch wenn das vielleicht notwendig wäre.“

Aus der Gesamtheit der Interviews konnten die Auftraggeber insgesamt drei Informationsträger herausarbeiten, die bei der Weitergabe von Erfahrungswissen innerhalb der Familie zentrale Funktionen einnehmen und einer logischen Geldanlage im Wege stehen. Das sei zum einen: eine sachliche Vereinfachung durch Daumenregeln und Glaubenssätze, ein unbewusst vorgelebtes Rollenverhalten im Umgang mit Geld sowie eine starke emotionale Prägung.

Eine solcherart beeinflusste Wahrnehmung ökonomischer Realität ist keine gute Basis für sinnvolle ökonomische Entscheidungen. „Heuristiken helfen den Menschen, den komplexen Alltag zu bewältigen, pragmatisch zu agieren und handlungsfähig zu bleiben“, bestätigt Prof. von Lüde. „Bei Finanzanlagen können tradierte Heuristiken, die in anderen historischen Kontexten ihre Berechtigung hatten, insbesondere im Hinblick auf langfristige Anlagen allerdings zu Fehlentscheidungen führen.“

Finanzielle Grundbildung geschieht unbewusst

Zweitens würden Menschen im Hinblick auf die Vermittlung von Finanzwissen durch den ihnen vorgelebten Umgang mit Geld unbewusst geprägt, so wären Beobachtung und Nachahmung Teil der natürlichen Entwicklung des Kindes. Und übertragen auf den Umgang mit Geld sei dies ebenfalls genauso. Dabei helfe es kaum, wenn sich Eltern die größte Mühe machten, den Kindern ganz bewusst eine finanzielle Grundbildung zu vermitteln, die den Realitäten angepasst ist.

Der Großteil der Wissensvermittlung verliefe nämlich trotzdem unbewusst und ließe sich schwer beeinflussen oder kontrollieren. Auch wäre es für die Kinder schwer, sich eine solide Haltung zu Geldfragen anzueignen, wenn die Eltern in ihrem Rollenverhalten instabil wären. Denn der daraus resultierende Verlust von Orientierung würde in unsicheres und ambivalentes Verhalten münden.

„Kinder lernen zunächst durch die Familie die Regeln, Konventionen und Wertvorstellungen der Gesellschaft“, so Prof. von Lüde. „Vor diesem Hintergrund ist es nicht überraschend, dass sie sich auch den Umgang mit Geld im familiären Kontext zu eigen machen, und zwar selbst dann, wenn in der Familie nur wenig oder gar nicht über Geld gesprochen wird.“ Es darf also nicht verkannt werden, wie stark die finanzielle Prägung durch die Familie ist und wie nachhaltig sie über Generationen hinweg wirkt.

Wirtschaft in der Schule

„Die Studie zeigt, dass statt rationalem Abwägen von Risiko und Ertrag unreflektierte Muster des Anlageverhaltens dominieren“, sagt Prof. von Lüde. „Da auch in der Schule der wichtige Aspekt Wirtschaft faktisch keine Rolle spielt, bleiben über Generationen hinweg die Grundsätze der Deutschen zum Umgang mit Geld und zum Sparverhalten im Prinzip gleich.“

Eine Notwendigkeit, die familiär überlieferte Geldanlage in den entscheidenden Situationen zu hinterfragen, müsse angesichts der Testergebnisse mit Nachdruck formuliert werden. Es sei sinnvoll, Heuristiken oder Rollenverhalten als unbewusst wirkende Mechanismen zu erkennen, um sie kritisch hinterfragen zu können. „Die wenigsten Deutschen gehen bei ihrer Geldanlage nach dem Lehrbuch vor“, sagt Hans Joachim Reinke, Vorstandsvorsitzender von Union Investment.

Finanzbildung in der Schule nicht mehr ignorieren

Ein bewussterer Umgang mit den Prägungen, die den Menschen beim Sparen leiten, würde dazu führen, dass man sein Erspartes nicht länger in Anlageformen unterbringen würde, die sich zwar über Generationen hinweg bewährt haben, doch angesichts des Niedrigzinses keinen Sinn mehr machen und jede Renditeerwartung zwangsläufig enttäuschen, so Reinke.

„Wir müssen Brücken bauen, damit Privatanleger nicht von vornherein Anlageformen ausschließen, die grundsätzlich zu ihnen passen und Nutzen stiften können“, argumentiert der Vorstand. Professor von Lüde mahnt sogar an, Schulen in die Pflicht zu nehmen: „Das allgemeinbildende Schulsystem darf den zentralen gesellschaftlichen Bereich der Finanzbildung nicht länger ignorieren.“

union-investment.com