Ob Verbraucherschützer, Politik oder Unternehmen, alle raten einstimmig zum Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Die Gründe, wieso ein berufstätiger Mensch aus seinem Job aussteigen muss, können vielfältig sein. Vor allem psychische Erkrankungen sind oft ein Grund für Berufsunfähigkeit. Dann ist es doch gut, eine Versicherung abgeschlossen zu haben, die einen für diesen Fall auffängt, vor allem finanziell.

Anzeige

BU-Rente führt zu ähnlichen gesundheitlichen Belastungen wie Frühverrentung

Bei Berufsunfähigkeit können durch die Versicherungen entweder Umschulungen finanziert werden, oder bei einem kompletten Ausfall auch das monatliche Gehalt durch eine Rente ausgeglichen werden.

Was aber macht der Abschluss einer BU-Police mit demjenigen, der sie abgeschlossen hat? Die Frankfurter Allgemeine hat mit Klaus-Dieter Thomann gesprochen, ärztlicher Leiter des Instituts für Versicherungsmedizin in Frankfurt. „Grundsätzlich ist eine zeitlich befristete BU-Police etwas sehr Sinnvolles“, sagt Thomann. Der Schutz sei vor allem eine Möglichkeit, sich beruflich nach einer Verletzung oder Erkrankung umzuorientieren.

Allerdings bestehe auch ein großes Risiko der Überversicherung, woraus sich ein Rehabilitationsrisiko bilden könne. Seelische Belastungen seien dann ebenso möglich. Es seien ähnliche Effekte wie bei Frühverrentnungen zu erkennen, die mit Passivität, schlechterer Gesundheit und sogar früherer Sterblichkeit einher gingen. Zwar handle es sich bei solchen Extremfällen um Ausnahmen. „Aber in solchen Fällen besteht die Gefahr, dass man sich in die Krankheit hineinlebt und man nicht mehr zwischen der psychischen Störung und der Behinderung durch die Versicherung unterscheiden kann“.

BU und die unklaren Rechtsbegriffe

Auch die teilweise unklaren Formulierungen in BU-Bedingungswerken seien ein Nährboden für rechtliche Streitigkeiten zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer. Claus-Dieter Gorr, Mitarbeiter im Analyseunternehmen Premiumcircle, beobachtet seit viele Jahren den Markt: „Es wimmelt von unbestimmten Rechtsbegriffen“, sagt er der Frankfurter Allgemeine. Hier werden Begrifflichkeiten verwendet, deren genaue Auslegung oft strittig sein können: eine BU sichere beispielsweise nicht den Beruf selbst ab, sondern nur das Niveau des letzten Arbeitsplatzes. Wenn ein Angestellter seinen Arbeitsplatz wechselt und nach ein paar Monaten wegen psychischer Belastung ausfällt, weiß man oft nicht, ob die Versicherung dann überhaupt greife.

Zum Abschluss einer BU sollte man einen Rechtsschutz abschließen

Sind Leistungen vom Versicherer zu entrichten, kommt es häufig zu Streitigkeiten. Schon eine nicht angegebene Rückenmassage könne dann zum Nachteil des Klienten werden. Außerdem verwiesen Versicherer meist auf den „mehr als altersspezifischen Kräfteverfall“, der im Leistungsfall vom Versicherer selbst zu beurteilen sei. Damit bliebe eine Hintertür für Gutachten offen, meint Gorr und klärt auf, dass die Chance, Leistungen zu erhalten, im besten Falle bei 70 Prozent läge. Diese Quote bedeutet für Gorr ganz klar, dass man „unbedingt mit einer BU auch eine Rechtsschutzversicherung abschließen“ sollte.

Michael Franke, Geschäftsführer des Analysehauses Franke & Bornberg sieht in den offenen Begrifflichkeiten auch eine Chance: „Egal wodurch man seine Berufsfähigkeit verliert, man kann eine Leistung erhalten.“ Der Versicherer müsse dadurch nicht schon im Vorfeld wissen, bei welchen Beschwerden die Leistungen gelten.

Alternative BU-Modelle gegen Passivität

Was aber kann getan werden, damit die BU-Police Passivität nicht belohnt und fördert? Dass die belohnt würden, die nicht mehr arbeiten wollen, könne schnell geändert werden. Dazu müssten Gesetze aber aufgeweicht werden, schlägt Gesundheitsexperte Gorr vor. Zur Zeit gelten nur BU-Verträge nach Bauart einer Lebensversicherung: Es gibt eine Leistung oder eben nicht. Anrechnungen sind nicht zulässig. Der Vorteil liege aber darin, dass sie mit Hilfe von Zinsgarantien ein wachsendes Leistungsniveau verzeichnen können.

Anzeige

Gorr schlägt vor, dass die Versicherung sich mehr in eine Tätigkeitsversicherung entwickeln sollte, den Versicherern sollte die Möglichkeit der Arbeitslosigkeit genommen werden. Thomann ergänzt, dass der Lohnersatz nicht zu nah am eigentlichen Einkommen liegen sollte, um einen Anreiz zum Arbeiten zu schaffen. Häufig beobachte er, dass Versicherte Leistungen in Anspruch nehmen, obwohl sie durchaus noch arbeiten könnten.

Frankfurter Allgemeine Zeitung

Anzeige