Aktuell dürfen Unternehmen den Wert ihrer Pensionszusagen mit vier Prozent abzinsen. Sie können also die Rückstellungen für ihre Betriebsrentner in der Bilanz so buchen und bewerten, als würden sie auf ihre Kapitalien diesen Zins erwirtschaften. Tatsächlich sinkt der angemessene Zins für die Bewertung der Pensionslasten auf demnächst 3,5 oder gar 3,0 Prozent. Festgestellt wird dieser Zins von der Deutschen Bundesbank und immer mit Blick auf den Marktzins eines Zeitraums der vergangenen sieben Jahre.

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Sinkende Zinsen hebeln die Pensionslasten nach oben

Sinkende Zinsen steigern die Pensionslasten der Unternehmen erheblich und greifen deren Eigenkapital an: „Schon ein Rückgang des Zinssatzes um 0,5 Prozent zieht typischerweise eine Erhöhung der Pensionsrückstellungen um rund 7 bis 9 Prozent nach sich“ und führe bei „größeren Unternehmen nicht selten zu einer Belastung im mittleren dreistelligen Millionenbereich.“ Dies schreibt einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) zufolge der Bundestagsabgeordnete Michael Fuchs (CDU) nun in einem Brief an Finanzminister Wolfgang Schäuble.

Fuchs, der auch stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Union im Deutschen Bundestag ist, will in dem geplanten Gesetz zur Umsetzung der EU-Bilanzrichtlinie die Unternehmen bei den Betriebsrenten bilanziell entlasten. Dazu soll der Betrachtungszeitraum, den die Bundesbank für die Ermittlung des Rechnungszinses anwendet, künftig von sieben auf 12 oder gar 15 Jahre gedehnt werden. Mit der Folge, dass der Durchschnittszins steigt und die Arbeitgeber bilanziell geschont werden. CDU-Mann Fuchs dazu in der FAZ: „Die Änderungen im Handelsrecht wären minimal, der Entlastungseffekt für die Wirtschaft aber beachtlich“.

Manchen Unternehmen drohen dreistellige Millionenlasten

„Das Handelsrecht entwickelt sich für Unternehmen, die hohe Pensionslasten zu tragen haben, immer mehr zur Investitionsbremse“, wird Fuchs weiter zitiert, weswegen quasi durch gestreckte Pensionslasten mehr Geld in den Unternehmen bleiben können soll. Dazu muss das Handelsgesetzbuch geändert werden, damit sich nicht Fälle wie der Untergang des Strumpfherstellers Kunert wiederholen. Dieses Traditionsunternehmen sei in die Insolvenz gegangen, weil die Pensionsrückstellungen zuletzt größer waren als das Eigenkapital.

„Die Änderungen im Handelsrecht wären minimal, der Entlastungseffekt für die Wirtschaft aber beachtlich“, sagt der Politiker Fuchs laut FAZ; und „für einige Unternehmen käme es ohne Rechtsänderung in nächster Zeit zu zusätzlichen Belastungen im dreistelligen Millionenbereich.“ Immerhin sollen die CDU-Pläne zur Bilanzrichtlinie nichts am Steuergesetz ändern. Für die Steuerbilanz, also wenn’s um Schäubles Einnahmen geht, soll weiterhin ein Zinsfuß von 6,0 Prozent gelten. Dieser Satz „drückt“ die Pensionsrückstellungen steuerlich, so dass die Kasse des Finanzministers geschont bleibt.

Bilanzkosmetik schiebt das Problem nur auf die lange Bank

Christian Müller ist Unternehmensberater und Versicherungsberater aus Kassel, ehemals Direktor der Dresdner Bank und dort für Betriebsrenten und Bilanzierung verantwortlich. Zu den Plänen, die nun CDU-Mann Fuchs in Richtung Schäubles geschickt hat, sagt Betriebsrenten- und Bilanzfachmann Müller gegenüber dem Versicherungsboten:

„Die Senkung des HGB Rechnungszinses dient nur der kurzfristigen Bilanzkosmetik, ändert aber am Grundproblem nichts. Eine Wurzelbehandlung setzt bei der Steuerbilanz und der Renovierung der Betriebsrenten an. Ausfinanzierungen und Ausgliederungen helfen mittelfristig, entlasten aber nicht dauerhaft Ertrag und Liquidität. Und die brauchen Unternehmen nun mal zum Überleben.“

Verlängerung des Durchschnittszeitraums entschärft das Problem

Thomas Hagemann, Chefaktuar von Mercer Deutschland, ist ein weiterer Bilanzprofi, wenn es um die Pensionsrückstellungen insbesondere für Rentenzusagen der Industrie geht. Er ordnet den Gesetzesvorschlag von CDU-Mann Fuchs gegenüber dem Versicherungsboten so ein:

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„Die gegenwärtigen Pläne, den Durchschnittszeitraum für die Berechnung des HGB-Rechnungszinssatzes zu verlängern, sind in der Tat zu begrüßen. Als der Gesetzgeber den 7-Jahres-Durchschnitt eingeführt hat, war man der Auffassung, dass man Schwankungen des Zinssatzes damit weitgehend vermeiden könnte. Die derzeitige Zinssituation hatte dabei niemand im Auge. Eine Verlängerung des Durchschnittszeitraums entschärft das Problem. Wie aber bereits Herr Fuchs in der FAZ zitiert wird: ,Das sei zwar auch keine optimale Lösung, aber einfach und schnell umzusetzen’. Die Lösung ist deshalb nicht optimal, weil das Problem bei länger anhaltender Niedrigzinsphase in ein paar Jahren wieder auftaucht.“

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