Der Reihe nach. An diesem Sonntag, als die Börsen geschlossen hatten und die Nachrichtenwelt auf den politischen G7-Gipfel im bayerischen Schloss Elmau blickte, hat „Die Deutsche“, wie das Institut international immer noch ehrfürchtig bezeichnet wird, ihre Führung demontiert. Der kommende Chef ist Brite und heißt John Cryan. Er wird ab 1. Juli 2016 neuer Alleinherrscher der Deutschen Bank. Die bisherigen, gleichberechtigten Co-Chefs gehen quasi scheibchenweise: Anshu Jain bereits zum 1. Juli, wie die Deutsche Bank am Sonntagmittag bestätigte.

Anzeige

Fitschen bleibt länger – Wohl auch auf der Anklagebank

Jains Chef-Kollege Jürgen Fitschen bleibe etwas länger, teilt die Bank mit; bis zum Abschluss der kommenden Hauptversammlung der Aktionäre im Mai 2016. Angeblich um die Kontinuität bis zum Wechsel auf den neuen Allein-Chef Cryan zu wahren. Das ist verwunderlich: Es ist Fitschen, der wegen mutmaßlichen Prozessbetrugs im Zusammenhang mit dem Kirch-Prozess derzeit in München auf der Anklagebank sitzt. Anshu Jain und Jürgen Fitschen hätten dem Aufsichtsrat an diesem Sonntag ihren Rücktritt angeboten, berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.). Und das Gremium habe das Rücktrittsgesuch angenommen.

Nachfolger Cryan von der UBS

Der Aufsichtsrat der Deutschen Bank hat als neuen Chef John Cryan (Jahrgang 1960) benannt, bis 2011 Finanzchef der Schweizer UBS und derzeit bereits Aufsichtsrat der „Deutschen“. Anshu Jain werde seinen Job zum 1. Juli niederlegen. Bis „Januar 2016“ bleibe er „Berater bei der Deutschen Bank“, so das Geldhaus in einer Pressemitteilung. Wenn Cryan seinen Vorgänger Jain ersetzt, dann wird die Bank zunächst ihre Doppelspitze behalten. Ab Mai/Juni 2016 steht mit Cryan ein Engländer der Deutschen Bank vor. Ob er verlorengegangenes Vertrauen zurückgewinnen kann, muss sich zeigen. Auch die UBS war in Finanzskandale verstrickt, musste etwa im LIBOR-Skandal für Manipulationen und Schmiergeldzahlungen von 2006 bis 2010 1,4 Milliarden Franken Strafe zahlen.

Nur 60 Prozent: Misstrauens-Votum der Aktionäre

Jain weg. Fitschen weg. Die Aktionäre könnte dies befrieden. Zuletzt, auf der Hauptversammlung im Mai, hatten enttäuschte Aktionäre der Bank die Co-Chefs Jain und Fitschen mit Misstrauens-Äußerungen bestraft: per Votum. Lediglich gut 60 Prozent – normal sind 90 Prozent - des stimmberechtigten Kapitals votierten für eine Entlastung von Fitschen und Jain. Vor allem bei Letzterem zweifeln die Kapitalgeber offenbar an dessen weißer Weste. So soll Jains ehemalige Investment-Abteilung in London (Stichwort Libor-Zinsmanipulation) einen großen Teil der Prozesse zu Lasten der Bank verursacht haben, die seit 2013 zusammen genommen rund vier Milliarden Euro Strafen beziehungsweise Vergleichszahlungen kosteten; davon allein in Sachen Libor rund 1,4 Milliarden Euro.

500 Billionen Kredite betroffen

Für den Korruptionsbekämpfer Dr. Wolfgang Hetzer vom Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung sind im Falle des Libor einstellige Milliarden-Strafen nicht angemessen. In einem Aufsatz in der Zeitschrift „Die Kriminalpolizei“ (März 2014) fragte Hetzer in Sachen Deutsche Bank eher rhetorisch: „Ist die Deutsche Bank eine kriminelle Vereinigung?“ Nach Hetzers Darstellungen haben die manipulierten LIBOR-Zinssätze „Geschäfte im Wert von 500 Billionen Dollar beeinflusst“.

Neue Vorwürfe: Mutmaßlich sechs Milliarden US-Dollar Geldwäsche

Zurück zu Jain und Fitschen und zur Aktualität:„Die Investoren haben kein Vertrauen mehr zu Anshu Jain und Jürgen Fitschen gehabt“, sagte laut F.A.Z. Klaus Nieding, Vize-Präsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), dem „Tagesspiegel“. „7000 juristische Streitfälle“, schreibt das Frankfurter Blatt, sollen bei der Deutsche Bank anhängig sein. Deren Aufklärung erweise sich länger und kostspieliger als gedacht. Zuletzt an diesem Freitag meldete „Spiegel Online“ von Ermittlungen um mutmaßliche Geldwäsche in Russland, weswegen gegen die Deutsche Bank ermittelt werde. Dan Angaben zufolge geht es um mehr als 6 Milliarden „gewaschene“ US-Dollar (rund 5,4 Milliarden Euro); russische und englische Behörden seien eingeschaltet.

Problem Postbank

Kürzlich hatten die scheidenden Bankchefs Jain und Fitschen den strategisch motivierten Verkauf der 2010 erworbenen Postbank (14 Millionen Kunden) über die Börse angekündigt. Hintergrund ist das Ziel einer Bilanzverkürzung zum Zwecke eines erhöhten Kern- oder auch Eigenkapitals. Gern wäre „Die Deutsche“ auch ihren eigenen – die „blauen“ - Privatkunden losgeworden; 13 Millionen an der Zahl. Dagegen habe nach Informationen aus „Branchenkreisen“ die Aufsicht BaFin ihr Veto eingelegt, weil sonst - vereinfacht gesagt - das Übergewicht des eher schwankungsanfälligen Investment-Bankings zu groß geworden wäre.

Anzeige

Fazit: Kein Fazit zur Deutschen Bank

Bis zu einer neuen strategischen Festlegung des kommenden Neu- und Allein-Chefs John Cryan kann man über die Zukunft der Deutschen Bank nur seriös spekulieren. Aber das wäre unseriös.

Anzeige