All das wird von Einkäufern in der Regel gar nicht richtig wahrgenommen. Dabei ist beispielsweise die sogenannte Muzak, die Musik, die an öffentlichen Orten als Hintergrundberieselung eingespielt wird, ein Profigeschäft. Die Kunden sollen sich wohl und entspannt fühlen, unangenehme Stille soll vermieden und die Kaufbereitschaft damit maximiert werden. Alles zielt darauf ab, tiefenpsychologische Wirkung zu entfalten, um die Kaufbereitschaft zu maximieren: Die Verführung ist groß. Versicherungen aber sind nicht besonders verführerisch. Wie lassen sich solche Produkte trotzdem verkaufen? Mit dem Argument "Weil man sie braucht" offenbar nicht.

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Beim Verkauf an Emotionen appellieren

Im Interview im Handelsblatt äußerte sich ein Pionier im Feld der Gehirnforschung zum Zwecke der Kundenmanipulation über Emotionen, Ethik und Verkaufstricks. Der klassischen Psychologie kann er, Hans-Georg Häusel, dabei wenig abgewinnen. Verhalten würde zwar stets analysiert, sagt er, aber das Gehirn bliebe dabei stets eine Blackbox. Vor 17 Jahren begann Häusel deshalb, die Wirkmechanismen im Kopf zu ergründen, die hinter Kaufprozessen stecken. Inzwischen berät der Neuroökonom die Management- und Vertriebsetagen großer Unternehmen und verrät in Büchern, wie Verkaufen funktioniert.

Wie beispielsweise kann ein Vertriebler dem Kunden ein verbales Monstrum wie den dynamischen Drei-Topf-Hybrid schmackhaft machen? "
Indem er an seine Emotionen appelliert. Sie sind unser Hauptantrieb, bei allem, was wir kaufen. Der Vertriebler muss es schaffen, die Emotionszentren im Gehirn seines Kunden anzusprechen", so weiß Häusel.

Dominanz, Neugierde, Harmonie - Damit kriegt man Jeden

Welche sind die Emotionszentren in unserem Gehirn? 
Dazu Häusel: "Dominanz, Neugierde und Harmonie. Menschen wollen anderen entweder überlegen sein, wollen Neues erfahren oder sich in Sicherheit wiegen". Nach Häusel lässt sich die Menschheit gruppieren in 
Performer, Explorer und Harmonizer. "Oder Formen dazwischen", so Häusel: "Wer dominant ist und Neues erleben will, sucht oft den ultimativen Kick. Da sind Sie dann bei den Investmentbankern dieser Welt. Wer dominieren und sich gleichzeitig sicher fühlen will, ist der typische Kontrollfreak." Ein Vertriebler muss also erst einmal erkennen, welchen Typen er vor sich hat.

Um den Typ des Kunden festzulegen, muss der Versicherungsvertreter nun erst einmal eine Reihe von subtilen Fragen stellen, so rät Häusel. Diese Fragen sollten in einer angenehmen Atmosphäre gestellt werden, die den Kunden in eine positive Stimmung versetzen. Gute Stimmung ließe sich durch ordentliches Auftreten, weder zu aggressiv noch zu elegant, durch helle Räume und bequeme Stühle erzielen. All dies bewirke in der Gesamtheit, dass der Kunde dem Gespräch gegenüber aufgeschlossen ist. Es scheinst also, als sollte der Vertreter möglichst alles genauso arrangieren, wie vor einer Sitzung beim Tiefenpsychologen.

Geld bereitet dem Gehirn Schmerzen

Was also wäre eine gute erste Frage? "Wie geht es Ihnen heute?" 
Eher nicht. Es empfiehlt sich, nie zuerst die Frage danach zu stellen, wie viel Geld der Kunde bereit ist, auszugeben. Der Gedanke an Geld bereite dem Gehirn Schmerzen, so Häusel. Darum sei es besser, zunächst die Wunschbilder des Kunden zu erforschen.

Häusel gibt ein Beispiel: „Wenn Sie 100.000 Euro aus der Lebensversicherung rausbekommen, was würden Sie am liebsten damit machen?" Der Kunde, so Häusel, könnte antworten: „Ich würde mir einen Porsche kaufen – davon träume ich schon viele Jahre.“ Und schon hat man den Kunden mit seinen materiellen Wünschen in der Falle. Der Kunde könnte aber auch sagen: Das geht Sie gar nichts an. Das wird er aber nicht.

Denn: "In jedem Fall ist die Willensfreiheit lange nicht so groß, wie wir glauben. Mindestens 80 Prozent aller Entscheidungen laufen unterbewusst ab. Die meisten Menschen wissen nicht, warum sie so reagieren. Neben den Emotionen gibt es aber viele andere Dinge, die uns unbewusst beeinflussen: die kulturellen Prägungen, das soziale Umfeld, die Situation, in der wir uns zur Zeit der Entscheidung befinden …"

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Alles, was den Markt mächtiger macht, ist ok

Über die ethische Tragweite seiner Lehren hat Häusel nachgedacht und kam zu dem Ergebnis: "Da gibt es unterschiedliche Positionen. Platon sagt, solange der Mensch dem anderen Gutes tut, ist Manipulation nichts Schlimmes. Jürgen Habermas würde sagen, wenn der Mensch mit dem anderen vorher keinen konstruktiven Dialog geführt hat, ist es verwerflich. Friedrich Nietzsche würde sagen: Alles was den Menschen mächtiger macht, ist okay. Grundsätzlich gilt aber: Wenn ich dem anderen durch Manipulation schade, ist das verwerflich."

handelsblatt.com, planet wissen.de

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