Nikolaus von Bomhard ist ein Vorstand, der sich gern in politische Diskussionen einmischt. Als Konsequenz aus der Bankenkrise hat der Chef des weltgrößten Rückversicherers bereits die Aufspaltung des Finanzsektors in Geschäfts- und Investmentbanken gefordert: kein Bankhaus solle so groß sein, dass es vom Steuerzahler gerettet werden müsse (Versicherungsbote berichtete). Nun meldet sich der meinungsfreudige Versicherungsexperte als überzeugter Europäer zu Wort.

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In einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel fordert Bomhard eine Reform der europäischen Institutionen und damit eine Veränderung des EU-Vertrages. Keinen Zweifel lässt der deutsche Manager daran, dass die Bevölkerung von der EU profitiert.

„Die politischen und wirtschaftlichen Vorteile der EU sind für deren Bürger überragend“, heißt es in dem Text. „Deshalb müssen wir die EU fit machen für die Zukunft und einen entscheidenden Schritt hin zur Vollendung der Union gehen“. Doch um das zu erreichen, dürfe sich Europa nicht mehr „durchwurschteln“. Bomhards Plädoyer: „Statt darüber zu reden, was die EU alles nicht regeln soll, müssen wir darüber nachdenken, was sie besser regeln kann.“ Speziell in den Bereichen Fiskal- und Wirtschaftspolitik, bei Klima- und Energiefragen sowie in der Außen- und Sicherheitspolitik seien die Europäer erfolgreicher, wenn mehr Kompetenzen nach Brüssel gegeben würden.

Effizienz- und Transparenzprobleme

Ein wichtiger Kritikpunkt des Versicherungschefs: derzeit fehle es der EU an Effektivität und Transparenz. Die Finanzkrise habe schonungslos gezeigt, „dass europäische Politik im Ernstfall in den Hauptstädten und bei der EZB in Frankfurt, nicht aber in Brüssel gemacht wird“, formuliert Bomhard sein Unbehagen. Die europäischen Institutionen würden unter der Vielzahl ihrer Mitglieder ächzen und "den am entsprechenden Proporz ausgerichteten und damit ineffizienten Verfahren“. Zwar könne speziell die Europäische Zentralbank schnell und entschlossen handeln – aber „das Heft des politischen Handelns“ müsse wieder „von demokratisch legitimierten Institutionen übernommen werden“.

Ein weiteres Problem: die Verantwortlichkeiten zwischen den Institutionen seien oft unklar, die Entscheidungswege intransparent. „Welcher EU-Bürger kennt denn den oder die Verantwortliche für einzelne Entscheidungen? Wer legt den Maßstab für die Reformprogramme der Krisenländer fest?“, spitzt der Manager zu. „Die Verantwortlichen verwischen sich im Machtgewebe zwischen Brüssel und den Hauptstädten.“ Weil es an identifizierbaren und (ab)wählbaren Entscheidungsträgern mangle, richte sich der Frust der Bürger gegen die EU als Ganzes – wie nicht zuletzt der Erfolg europaskeptischer Parteien bei der EU-Wahl gezeigt habe.

Direkt gewählter EU-Präsident und Stärkung des Europaparlaments

Die Lösung für diese Probleme? „Ein zukunftsfähiges Europa braucht effizientere Strukturen mit klaren, demokratisch legitimierten Verantwortlichkeiten“, fast Bomhard zusammen. „So braucht Europa meiner Ansicht nach vor allem eine demokratisch legitimierte und kontrollierte Exekutive. Dieser könnte ein direkt gewählter EU-Präsident vorstehen.“ Konkret schlägt der Manager vor, das Europäische Parlament weiter zu stärken, die Europäische Kommission „in der Spitze“ zu verschlanken und auch die Rolle des Europäischen Rates und seiner Rechte zu überdenken.

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Mit diesen Maßnahmen glaubt der Manager, auch den Euroskeptikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. „Der bei der Europawahl zum Ausdruck gebrachte Protest richtet sich meiner Ansicht nach nicht gegen die Idee Europa, sondern gegen die aktuelle Ausformung dieser Idee. Aus der „Konsensmaschine Europa“ ist eine „Intransparenzmaschine Europa“ geworden.“ Wenn der institutionelle Reformprozess entlang der Leitwerte Transparenz, Legitimation und Effizienz umgesetzt werde, könne Europa auch in internationalen Fragen wieder eine gewichtige Stimme haben - und bei einer neuen (Finanz)krise handlungsfähig sein.

Tagesspiegel

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