Offenbar steht Windparkbetreiber Prokon kurz vor dem ersten Insolvenzantrag. Das Unternehmen hatte fast komplett über, an Privatanleger veräußerte, Genussrechte finanziert. 75.181 Anleger haben so ein Genussrechtskapital von rund 1,38 Milliarden Euro zusammen getragen. Neben dem Anspruch auf Zinsen und Rückzahlung der Anlagesumme haben Anleger bei Genussrechten auch ein höheres Risiko. So wird bei Verlusten der Gesellschaft der Rückzahlungsanspruch anteilig gekürzt.

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"Eine Insolvenz bedeutet für die Anleger mit Genussrechten noch nicht das Aus", sagt Rechtsanwalt Marc Gericke von der Kanzlei Göddecke Rechtsanwälte. Dabei raten die Anlegeranwälte aus Siegburg den Anlegern nicht einmal, die Genussrechte zu kündigen. "Dieser Schritt ist vergebene Liebesmühe und läuft aller Voraussicht nach ins Leere", winkt Gericke ab und empfiehlt: "Für die Anleger ist viel wichtiger, dass sie sich für den Insolvenzfall rüsten und ihre Forderungsposition verbessern." Wer das nicht macht, hat laut Gericke "später bei einer möglichen Verteilung der Insolvenzmasse schnell das Nachsehen und geht unter Umständen leer aus."

Anleger können sich für den Verteilungskampf rüsten

Um ihre Forderungsposition im Insolvenzfall zu verbessern, müssen sich die Anleger aus der Genussrechtsfalle befreien. Denn Genussrechte gehören zu den nachrangigen Forderungen. Anders ausgedrückt: Wird die Insolvenzmasse von Prokon auf die Gläubiger aufgeteilt, kommen die Anleger mit Genussrecht als Letzte an die Reihe. Vor ihnen werden solche Gläubiger bedient, deren Forderungen besser geschützt sind, etwa das Finanzamt, die Sozialkassen und danach die Banken und Anleihegläubiger. "Bei Prokon wird es sicher nicht genug Vermögen geben, um die Forderungen aller Gläubiger zu bedienen", sagt Rechtsanwalt Gericke. Also werden die Anleger mit nachrangigen Genussrechten bei der Verteilung der Insolvenzmasse benachteiligt.

Klar ist aber auch: "Ganz wertlos ist Prokon nicht." Wie hoch die Vermögenswerte bei Prokon sind, lässt sich freilich noch nicht genau beziffern. Denn mit belastbaren Zahlen hält Prokon hinterm Berg. Selbst für 2012 gibt es immer noch keinen von Wirtschaftsprüfern bestätigten Konzernabschluss. Immerhin gehen Anlegerschützer bei Prokon von Vermögenswerten in Höhe von 450 bis 500 Millionen Euro aus.

Bleibt die Frage, wie Anleger mit Genussrechten die nachrangige Position ihrer Forderung abschütteln und sich in der Warteschlange der Gläubiger weiter vorne positionieren können.

So befreien sich die Anleger aus der Genussrechtsfalle

"Wir sehen zwei Möglichkeiten, unsere Mandanten aus der Genussrechtsfalle zu befreien und ihre Forderungen aus der Nachrangigkeit zu holen", sagt Rechtsanwalt Marc Gericke. Den ersten Hebel können Anleger bei den Genussrechtsbedingungen ansetzen. So heißen bei Prokon die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), auf die sich die Anleger beim Abschluss der Genussrechte einlassen mussten.

Der Ansatz hat einen interessanten Vorteil: "Mit diesem Hebel können wir Genussrechte grundsätzlich für alle Anleger knacken. Denn für AGB gilt das Transparenzgebot. Es kommt im Einzelfall also nicht auf den speziellen Ablauf des Vertragsabschlusses an", erklärt Marc Gericke.

Der Anlegeranwalt aus Siegburg ist sich seiner Sache relativ sicher: "Ich denke, dass wir vor Gericht mit Erfolg begründen können, dass Prokon den Anlegern intransparente Vertragsklauseln aufgetischt hat. Die Verträge sind dann unwirksam, und die Anleger haben bei der Verteilung der Insolvenzmasse automatisch bessere Karten", so Gericke.

Der zweite Weg aus der Nachrangigkeit führt über Schadensersatzansprüche. Für solche sieht die Kanzlei Göddecke bei Prokon mehrere erfolgversprechende Ansätze, etwa das Jonglieren mit Zahlen in der Anlegerkommunikation oder in der Zahlung von Zinsen aus frischem Anlegerkapital. Die Anleger können ihre Schadensersatzansprüche in einem Insolvenzverfahren geltend machen oder nötigenfalls einklagen.

Eigenverwaltung würde im Insolvenzfall die Aussichten der Anleger schwächen

Ob es bei Prokon im Insolvenzfall zu einer Verteilung der Insolvenzmasse kommen wird, ist noch unklar. Aber selbst bei einer denkbaren Sanierung stehen die Anleger vermutlich besser da, wenn sie die Genussrechte mit der AGB-Rechtsprechung oder Schadensersatzansprüchen knacken. Auch in diesem Fall muss Prokon das Geld zurückzahlen. Außerdem unterliegen sie – anders als nach einer Kündigung ihrer Genussrechte zum jetzigen Zeitpunkt – nicht dem Risiko einer Anfechtung durch den Insolvenzverwalter.

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Rechtsexperten rechnen bei Prokon mit einer Regelinsolvenz. Aus Anlegersicht sei das auch die bessere Lösung. Dass das Insolvenzgericht stattdessen eine Eigenverwaltung durch die alte Geschäftsführung zulassen könnte, hält Gericke angesichts der vorliegenden Strafanzeigen im Fall Prokon für fraglich.

Kanzlei Göddecke Rechtsanwälte

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