Trotzdem geht die SPD davon aus, dass die Koalitionsverhandlungen mit der Union noch in der Nacht zum Mittwoch abgeschlossen werden. „Wir können uns keine Verlängerung leisten“, sagte die stellvertretende Parteivorsitzende Manuela Schwesig am Dienstag in Berlin. „Verhandlungen gehen lange, sie sind auch zäh, aber irgendwann muss man auch mal sagen: hopp oder top.“ Weniger optimistisch äußerte sich CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. Die Gespräche könnten in die Verlängerung gehen, warnte der bayrische Politiker. Weil er Diskussionen bis weit in die Nacht hinein erwarte, habe er sogar seine Zahnbürste mitgebracht. Wer sich selbst ein Bild über den Arbeitsstand des Koalitionsvertrages machen will, findet eine Kopie des Dokumentes auf der Webseite des Grünen-Politikers Malte Spitz (pdf).

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Einigkeit weitestgehend bei Pflege und Gesundheit

Doch was steht drin im Koalitionsvertrag? Bereits vor einigen Tagen war durchgesickert, dass der Pflegeversicherungsbeitrag in der Sozialversicherung stufenweise angehoben werden soll, spätestens zum 01.01.2015 um 0,3 und dann um weitere 0,2 Prozentpunkte. Das Plus an Einnahmen wird benötigt, um Kostensteigerungen in der Pflege aufzufangen und einen Vorsorgefonds einzurichten, der künftige Beitragssteigerungen bremsen soll. Speziell die SPD hatte im Wahlkampf dafür geworben, auch neue Pflegekräfte einzustellen. Aufgrund der Alterung der Gesellschaft könnten bis zum Jahr 2020 über 80.000 Pflegestellen unbesetzt bleiben, hatte im Sommer 2013 das Wirtschaftsforschungsinstitut RWI gewarnt.

Auch die pauschalen Zusatzbeiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung werden aller Voraussicht nach abgeschafft. "Das ist heute das historische Ende der Kopfpauschalen", hatte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach letzte Woche verkündet, der die Koalitionsverhandlungen in der Arbeitsgruppe „Gesundheit und Pflege“ für die Sozialdemokraten leitet. Im Gegenzug wertete es Jens Spahn, Chef-Unterhändler der CDU, als Erfolg, dass der Arbeitgeberanteil in der GKV festgeschrieben bleibt. Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil sollen künftig fix bei 7,3 % bleiben und Krankenversicherungs-Beitragssatz soll somit bei 14,6 % des Einkommens liegen.

CDU will Ausnahmen bei Mindestlohn

Bei anderen Themen gibt es noch Klärungsbedarf. Im Entwurf sind zunächst alle Punkte strittig gestellt, die zusätzliche Kosten verursachen. Das betrifft unter anderem den Umgang mit gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, wo laut SZ die unterschiedlichen Formulierungen von CDU und SPD festgehalten sind. Die gegensätzlichen Ansichten in den Arbeitsgruppen wurden in eckigen Klammern ergänzt.

Doch gerungen wird auch um Themen, bei denen angeblich Einigkeit herrschte. Bei einem Kongress der IG Metall hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zugesichert, dass es einen flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohn geben wird. Über die Höhe des Mindestlohns soll sich noch verständigt werden. Die Union hat jedoch Bedenken, weil sie den Verlust von Arbeitsplätzen befürchtet. Deshalb haben die Christdemokraten Ausnahmeregelungen vorgeschlagen, so dass der Mindestlohn nicht für alle Beschäftigten gelten soll.

In einem ergänzenden Vorschlag der CDU zum Mindestlohn heißt es: „Ausgenommen vom Mindestlohn sind ebenso Bezieher von Renten, soweit es sich um Vollrenten handelt und in den ersten 12 Monaten ihrer Beschäftigung Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die vor Eintritt in die Beschäftigung langzeitarbeitslos (…) waren und in ihren Erwerbsmöglichkeiten durch mindestens zwei weitere in ihrer Person liegende Vermittlungshemmnisse besonders schwer beeinträchtigt sind.“ Zusätzlich will die CDU prüfen, ob für Erntehelfer und Zeitungsausträger ebenfalls Ausnahmen gelten können. Die SPD lehnt Ausnahmeregelungen beim Mindestlohn aber bisher ab.

Streitigkeiten auch bei der Rente

Andere Vereinbarungen haben den Anschein, als wollten sich beide Koalitionspartner gegenseitig boykottieren, etwa bei den Rentenregelungen. Die SPD machte es zur Bedingung für eine Koalition, dass Arbeitnehmer mit 63 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen können, sofern sie 45 Beitragsjahre in der Sozialversicherung angesammelt haben. Nur dann werde es auch eine bessere Anrechnung der Kindererziehung bei der sogenannten „Mütterrente“ geben, wie sie CDU und CSU einfordern. Auch die Unionsparteien haben deutlich gemacht, dass es ohne Mütterrente keine große Koalition geben werde.

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Welche Vorhaben letztendlich tatsächlich in dem Koalitionsvertrag stehen werden, bleibt abzuwarten. Weitere Streitigkeiten gibt es unter anderem bei der PKW-Maut für Ausländer, der doppelten Staatsbürgerschaft und bei der Verteilung der Ministerposten. Auch fehlt bisher eine Präambel, in der die großen Ideen und Ziele des Regierungsbündnisses festgeschrieben werden. Die wichtigsten Entscheidungen werden Angela Merkel, Horst Seehofer und Sigmar Gabriel möglicherweise im Sechs-Augen-Gespräch entscheiden. Eile ist jedenfalls geboten, hat doch der SPD-Chef angekündigt, die Parteibasis über eine große Koalition abstimmen zu lassen.

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