Rund zwei Drittel der Unternehmen verkauften Kapitallebens- und private Rentenversicherungen, die lediglich eine garantierte Verzinsung von 3,5 Prozent pro Jahr haben. Darunter sind große Namen wie Allianz, R+V und AachenMünchener.
Bislang gingen selbst Experten davon aus, dass sich die Unternehmen ausnahmslos an den jeweils gültigen Höchstrechnungszins hielten. Der Wert lag zwischen Mitte 1994 und Mitte 2000 bei vier Prozent. Der Unterschied wird für immer mehr Kunden wichtig, weil viele Versicherer angesichts der weltweiten Zinsschwäche im Schnitt weniger als vier Prozent pro Jahr zahlen. Rechtlich ist der gespaltene Garantiezins zulässig, sagen Fachleute gegenüber €uro am Sonntag. Hintergrund der massenhaften Abweichung: Die damalige Versicherungsaufsicht hatte erlaubt, alte Tarife jahrelang weiter zu verkaufen – und diese alten Tarife hatten einen niedrigen Garantiezins.

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„Durch diesen Kniff, die Garantieverzinsung niedriger anzusetzen, gewinnt die Überschussbeteiligung für den Kunden erheblich an Bedeutung“, erklärt Axel Kleinlein, Sprecher des Vorstands des Bundes der Versicherten e. V. (BdV). „Angesichts der niedrigen Überschussbeteiligung muss der Kunde in unserem Beispiel eine um etwa 6 Prozent niedrigere Leistung hinnehmen. Die Minderung der Garantieleistung beträgt sogar 10 Prozent.“


Das Problem zeigt sich hier im Detail. Bei einem üblichen Vertrag wollte ein bei Vertragsbeginn 35-jähriger Kunde, in einem Zeitraum von 30 Jahren monatlich 100 Euro einzahlen. Ihm wurde bei Ansatz des alten Rechnungszinses und der älteren Sterbetafel nur eine Versicherungssumme von 44.100 Euro garantiert. Wären aber die tatsächlich damals üblichen Kalkulationsgrundlagen mit einem Garantiezins von 4,0 Prozent angesetzt worden, dann hätte der Versicherer bei gleicher Kostenbelastung etwa 48.500 Euro garantiert. „Der Kunde hätte also eine um etwa 10 Prozent höhere Garantieleistung erhalten“, rechnet Kleinlein vor.



Die Versicherungswirtschaft trägt in diesen Fällen gern vor, dass durch die Überschussbeteiligung ein Ausgleich geschaffen würde. Derzeit ist aber das Niveau der laufenden Überschussbeteiligung geringer als 4 Prozent, womit den Kunden mittlerweile ein echter Nachteil entsteht. Zusätzlich bemisst sich die Schlussüberschussbeteiligung üblicherweise an der geringeren Versicherungssumme. Während im Beispielsfall der Kunde zum Vertragsende nur 61.500 Euro bekommt, wären es bei Ansatz des höheren Garantiezinses und der besseren Sterbetafel eigentlich sogar 65.400 Euro als Ablaufleistung im Jahr 2026, d. h. knapp 4.000 Euro mehr. „Der Kunde muss in diesem Beispiel auf etwa 6 Prozent der Gesamtleistung verzichten, weil das Unternehmen den ungünstigen Garantiezins und die ungünstigere Sterbetafel ansetzte“, kritisiert Kleinlein.


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Technische Anmerkungen:

Es wurde je nach Variante mit einem Garantiezins von 3,5 Prozent bzw. 4 Prozent gerechnet, Sterbetafel 86 bzw. DAV94T, Kostenquote 15 Prozent, Unterjährigkeitszuschlag 5 Prozent, Zillmersatz 3,5 Prozent der Versicherungssumme bzw. 4 Prozent der Beitragssumme, laufende Überschussbeteiligung 1996 bis 2003 je 7 Prozent, ab 2003 bis 2011 je 4,5 Prozent, ab dann 3,7 Prozent; Schlussüberschuss je Vertragsjahr 0,5 Promille der Versicherungssumme, laufende Überschussbeteiligung bezogen auf Deckungsrückstellung des Vorjahres.


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