Die Assekuranz hat ein Imageproblem. Kommt sie in die Schlagzeilen, dann häufig wegen negativer Sachen: Falschberatung, Exzesse im Strukturvertrieb, verweigerte Leistungen nach einem Schadensfall. Meist nimmt ein Versicherungsunternehmen dabei die Rolle des Goliat ein, eines schier übermächtigen und unbesiegbaren Systems, gegen den sich der Kunde behaupten muss. Die Sympathien sind klar verteilt: Dort die Versicherungsbranche, vor allem am Gewinn orientiert, hier der Kunde, der sich bitte erfolgreich in der Schlacht behaupten möge.

Anzeige

Dass die positiven Seiten der Versicherungswirtschaft selten thematisiert werden, hat auch etwas mit der Funktionsweise der Medien zu tun. „Only bad news is good news“ heißt eine alte Medienweisheit, ein Skandal verspricht mehr Klicks und mehr Leser. Mag die kritische Berichterstattung auch im jeweiligen Einzelfall berechtigt sein, so gehen die positiven Leistungen der Assekuranz doch häufig unter. Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) möchte dem nun etwas entgegen setzen. Der Verband hat bei dem Wirtschafsforschungsinstitut Prognos AG eine Studie in Auftrag gegeben, mit der die volkswirtschaftliche Bedeutung der Versicherungsbranche betont werden soll ("Die Bedeutung der Versicherungswirtschaft für den Wirtschaftsstandort Deutschland", hier als pdf herunterladbar).

Ein Achtel des Wirtschaftswachstums

Die Wirtschaftsleistung Deutschlands werde oft mit Branchen wie Maschinenbau, der Fahrzeugherstellung, der chemischen Industrie oder der Elektroherstellung identifiziert, heißt es im einleitenden Text der Studie. „Die ökonomische Bedeutung der deutschen Versicherungswirtschaft wird dagegen oft verkannt.“ Dabei trage die Assekuranz in ähnlicher Form zur Beschäftigung, zum Bruttoinlandsprodukt und zu den öffentlichen Haushalten bei.

Allein im Zeitraum von 1995 bis 2008 habe der Anteil der Versicherungswirtschaft am Wirtschaftswachstum rund 67 Milliarden Euro betragen, betont der GDV. Durch die Assekuranz habe sich das durchschnittliche Wirtschaftswachstum von 1,3 Prozent pro Jahr auf 1,5 Prozent pro Jahr erhöht. „Eine Branche, auf die volkswirtschaftlich lediglich 1,4 Prozent der Erwerbstätigen entfallen, ist damit für ein Achtel des Wachstums verantwortlich“, erklärte Christian Böllhoff, geschäftsführender Gesellschafter der Prognos AG, bei der Vorstellung der Studie.

Als Grundlage für die Zahlen diente den Statistikern ein ökonometrisches Modell. Mit diesem wird errechnet, wie sich die Wirtschaft entwickelt hätte, wäre die Versicherungswirtschaft nicht weiter gewachsen wäre. Der Vergleich mit der tatsächlichen Entwicklung macht dann den Beitrag der Versicherer deutlich.

Bedeutender Arbeitgeber in Deutschland

Ein weiteres Argument für die Bedeutung der Branche: Auch als wichtiger Arbeitgeber trete die Versicherungswirtschaft in Erscheinung. Direkt sozialversicherungspflichtig beschäftigt die Assekuranz rund 300.000 Personen. Weitere 255.000 sind als selbstständige Vermittler und Berater tätig. Hinzu treten indirekte Beschäftigungseffekte, die etwa durch externe Gutachtertätigkeiten oder den Konsum der Angestellten entstehen. Laut Studie kann die Assekuranz für sich beanspruchen, Arbeitgeber von knapp 1,3 Millionen Menschen zu sein.

Der Staatshaushalt profitiert ebenfalls von der Versicherungswirtschaft. Versicherungssteuer und Feuerschutzsteuer sind im internationalen Vergleich recht hoch und spülen zusammen 11,5 Milliarden Euro pro Jahr ins Staatssäckel. Damit bildet die Versicherungssteuer nach der Energiesteuer (39,3 Mrd. Euro) und der Tabaksteuer (14,1 Milliarden Euro) die dritte große Steuergruppe, die einer bestimmten Branche „zugeordnet“ werden kann. Deutlich niedriger fiel im Jahr 2012 das „einkommensabhängige“ Steueraufkommen (Lohn- und Einkommenssteuer) mit 4,5 Milliarden Euro und die gewinnabhängigen Steuern (Körperschaft- und Gewerbesteuern der Unternehmen) mit 3,2 Milliarden Euro aus.

“Keine hochentwickelte Volkswirtschaft ohne Versicherungen“

Großen Wert legt der GDV auf jene Errungenschaften der Assekuranz, die sich nicht in Zahlen messen lassen. Gleich im ersten Satz seiner Pressemeldung betont der Verband: „Versicherungen sind zentraler Bestandteil hoch entwickelter Volkswirtschaften.“ Durch die Absicherung von Risiken werde wirtschaftliches Handeln und Wachstum überhaupt erst möglich – und so gibt es de facto keine moderne Demokratie, die nicht auch über eine ausgeprägte Versicherungswirtschaft verfügt.

Die Bedeutung kann man sich schnell mit einem Gedankenmodell ins Bewusstsein rufen: Was wäre, wenn es die Assekuranz nicht gebe? Firmeninhaber hätten etwa ein viel höheres unternehmerisches Risiko, weil sie befürchten müssten, dass sie die Kosten für Unfälle, den Verlust der Ware oder Zahlungsausfälle selbst tragen müssten. Brennt beispielsweise einem Händler die Lagerhalle nieder, in dem er einen Großteil seiner Handelsware aufbewahrt, stünde er ohne Versicherung vor den Scherben seiner Existenz.

„Die Versicherungswirtschaft übernimmt versicherbare Risiken für die gesamte Volkswirtschaft und unterstützt hierdurch wirtschaftliches Handeln und Innovationen“, heißt es hierzu etwas schwammig auf der Webseite des GDV. An anderer Stelle führt der Verband aus: „Ohne Versicherungen und die Möglichkeit, Risiken an Versicherungsunternehmen zu übertragen, wären viele unternehmerische Aktivitäten nicht denkbar oder zumindest massiv gehemmt. Investitionen blieben aus, Exporte würden unterlassen, Banken würden ohne den Nachweis eines ausreichenden Versicherungsschutzes ihre Kreditvergabe einschränken.“

Anzeige

Da mag es kein Zufall sein, dass der GDV die führende Rolle deutscher Rückversicherer auf den Weltmarkt betont. Mit 31 Prozent aller Beitragseinnahmen sind die in Deutschland beheimateten Rückversicherer Weltmarktführer und die angebotenen Versicherungslösungen ein Exporterfolg auf allen Kontinenten. Neben der Absicherung von Naturkatastrophen wie Hurricans und Erdbeben können sich Firmen sogar gegen Terrorakte absichern lassen. Dabei wurde eine der wichtigsten Funktionen der Assekuranz, nämlich die Rolle der Versicherer als Investoren und Kapitalanleger, mit der Prognos-Studie nicht einmal erfasst.

GDV

Anzeige