Als im Juni das schlimmste Hochwasser seit mehr als zehn Jahren fast bundesweit verheerende Schäden anrichtete, zeigten sich viele Menschen solidarisch mit den Opfern - sie packten mit an, als Sandsäcke gestapelt werden mussten oder spendeten Geld für den Wiederaufbau. Auch Angela Merkel fand lobende Worte für die Bundesbürger. „Es hat sich wieder einmal gezeigt, in der Stunde der Not stehen die Menschen zusammen. Das ist gelebte Solidarität“, sagte die Bundeskanzlerin in einer Pressekonferenz zur Hochwasserkatastrophe. Die Politik setzte einen Hilfsfonds von 8 Milliarden Euro auf.

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Weniger solidarisch zeigt sich scheinbar die Versicherungswirtschaft. Häufiger als in den Jahren zuvor hätten Hausbesitzer eine außerordentliche Kündigung von ihrer Versicherung erhalten, berichtet der Deutschlandfunk und beruft sich dabei auf die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Selbst langjährigen Versicherungskunden werde nun die Wohngebäude- oder Elementarschadenversicherung gekündigt, vielen bereits nach dem ersten Schadensfall. Sogar bei kleinsten Schäden müssten die Kunden einen Verlust ihres Elementarschutzes fürchten.

Kündigung auch bei Bagatellschäden

Als Beispiel nennt Peter Grieble von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg einen Häuslebesitzer, der nach einem Gewitter einen Schaden von 180 Euro bei seiner Versicherung meldete. Prompt flatterte ihm die Kündigung des Versicherers ins Haus. Da spielten auch die 40 schadenfreien Jahre zuvor keine Rolle mehr, die der Verbraucher bereits bei dem Anbieter versichert gewesen sei.

Kein Einzelfall, wie Grieble erläutert. „Das ist etwas, was wir in der letzten Zeit von immer mehr Versicherten in immer häufigeren Fällen sehen, dass zum einen in einem Schadenfall außerordentlich gekündigt wird. Das darf Versicherer. Das dürfen auch die Versicherungsnehmer. Aber eben auch, dass Versicherungen zunehmend ordentlich kündigen.“ Genaue Zahlen nennt Grieble für seine Behauptung nicht.

Neuer Schutz ist schwer zu finden

Häufig sind Wohngebäude- und Elementarschadensversicherungen auf ein Jahr abgeschlossen und verlängern sich danach automatisch – nur eben dann nicht, wenn die Versicherung kündigt. Doch hat ein Hausbesitzer erst einmal seinen blauen Brief bekommen, dann ist es schwer, einen neuen Schutz zu finden.

Denn die Anbieter können auf einen Datenpool zugreifen, aus dem ersichtlich wird, ob ein Verbraucher bereits zu einem früheren Zeitpunkt eine Kündigung erhalten hat. Nach den Erfahrungen der Verbraucherzentrale werden Hausbesitzer dann entweder gleich abgelehnt oder müssen deutlich mehr zahlen, wenn sie einen neuen Vertrag abschließen wollen.

Verbraucherschützer Peter Grieble fragt sich deshalb, ob die Versicherungswirtschaft ihre Kunden im Stich lässt. „Das Geschäft von Versicherern ist die Übernahme von Schäden. Es ist kein gutes Zeichen, wenn die Versicherer dann, wenn ein Schaden aufgetreten ist, einem kündigen“, so Grieble. Zwar würden einige Betroffene das Gespräch mit der Versicherung suchen, um den Rausschmiss zu verhindern. Sie müssten dann aber höhere Beiträge, einen höheren Selbstbehalt oder Leistungsausschlüsse akzeptieren.

Im Zweifelsfall sollte der Kunde selbst kündigen

Doch bevor ein Hausbesitzer die schlechteren Konditionen des Versicherers billigt, sollte er im Zweifelsfall selbst kündigen und sich auf dem Markt nach neuen Angeboten umsehen, rät Gieble. Denn bittet ein Kunde selbst um eine Auflösung des Vertrages, darf der Anbieter keinen Eintrag im zentralen Datenpool der Assekuranz vornehmen. „Insofern habe ich bessere Karten und kann besser verhandeln mit den Nachversicherern“, argumentiert der Verbraucherschützer.

Dies nützt aber wenig, wenn nach einem Unwetter die betroffene Region in eine höhere Gefährdungsklasse eingestuft wird. Viele der Gegenden, die im Juni vom Hochwasser heimgesucht worden, lagen bisher in Zürs 1, also der risikoärmsten Überschwemmungszone. Die Versicherungswirtschaft überarbeitet ihr Zürs-System nach Unwettern und bewertet das Risiko neu. Es ist zu erwarten, dass zukünftig mehr Menschen in den Hochwassergebieten keinen Schutz mehr für ihre Häuser erhalten.

Staatshilfen seien langfristig keine Alternative für den fehlenden Versicherungsschutz, argumentiert Gieble. Denn darauf bestehe kein Rechtsanspruch. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg fordert daher, dass die Versicherungen in ihrem Recht, nach einem Schadensfall außerordentliche Kündigungen auszusprechen, beschnitten werden. Auch eine Gebäude-Pflichtversicherung mit Staatshaftung sei angesichts zunehmender Unwetterereignisse überlegenswert.

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Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GdV) lehnt derartige Vorschläge mit dem Argument ab, dass 99 Prozent aller Häuser in Deutschland problemlos gegen Elementarschäden versicherbar seien. Aber Verbraucherschützer haben starke Zweifel an dieser Zahl. "Nach unserer Einschätzung ist der Anteil der Hausbesitzer, der keinen Versicherungsschutz bekommt, höher", sagt Elke Weidenbach von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen der Süddeutschen Zeitung.

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