Im verhandelten Rechtsstreit suchte der Kläger im Sommer 2008 einen Zahnarzt auf, der eine Röntgenaufnahme des Gebisses anfertigte und eine Entzündung des Zahnhalteapparates behandelte. Bei der Untersuchung stellte der Arzt auch fest, dass im Bereich anderer Zähne kein idealer Gebisszustand vorliegt: Brücken und Kronen wiesen Schäden auf. Der Kläger war jedoch beschwerdefrei. Für eine Neuanfertigung von Zahnersatz sah der Dentist deshalb keinen akuten Behandlungsbedarf.

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Kurz nach dieser Behandlung schloss der Patient eine Zahnzusatzversicherung ab. 2011 wurden dann beim Kläger zwei Implantate eingesetzt – genau an jener Stelle, an der zuvor der Zahnarzt Mängel festgestellt hatte. Die 7.000 Euro machte der Kläger bei seiner Zahnzusatzversicherung geltend. Der Versicherungsvertrag sah eine 80prozentige Erstattung der Kosten vor.

Die Versicherung weigerte sich jedoch, die Kosten zu übernehmen. Der Versicherungsfall sei bereits vor Abschluss der Zahnzusatzversicherung eingetreten, da der Zahnarzt bei der Untersuchung Mängel festgestellt habe, betonte das Unternehmen. Deshalb müsse man nun keine Leistungen aus dem Zahnzusatzvertrag erbringen.

Landesgericht Karlsruhe wies zunächst die Klage ab

Als der Zahnpatient gegen seinen Versicherer vor Gericht zog, erlitt er zunächst vor dem Landesgericht Karlsruhe eine Niederlage. Die Richter stimmten darin überein, dass der Versicherungsfall bereits vor Beginn des Versicherungsschutzes vorgelegen habe. „Denn schon die erste ärztliche Untersuchung, die auf die Erkennung eines Leidens abzielt, gehört zur Heilbehandlung“, argumentierten die Richter. Aber der Patient gab sich nicht geschlagen und seine Anwälte gingen in Berufung.

Mit Erfolg, denn das Oberlandesgericht Karlsruhe hob das Urteil der Vorinstanz auf und gab dem Kläger Recht. Mit der Untersuchung der schlechten Zähne sei die damalige Heilbehandlung in 2008 beendet gewesen, betonten die Richter, da der Zahnarzt keine medizinische Notwendigkeit für einen Eingriff feststellen konnte. Damit sei die Einsetzung der Implantate drei Jahre später nicht als Fortsetzung der Behandlung zu werten, sondern stelle einen neuen Versicherungsfall dar. Dies wurde von einem gerichtlichen Sachverständigen bestätigt: er hatte für 2008 festgestellt, dass es gut vertretbar gewesen sei, von einer Behandlung abzusehen.

Entscheidungsspielraum des Arztes

Ob ein Zahn behandelt werden müsse oder nicht, bemisst sich laut Urteil des Gerichts nach objektiven Kriterien. Dem Arzt müsse dabei aber ein individueller Entscheidungsspielraum zugestanden werden. „Ist der Verzicht auf eine ärztliche Heilbehandlung aus medizinischer Sicht eine gut vertretbare Alternative, so ist die mit der Untersuchung begonnene Heilbehandlung auch wieder abgeschlossen“, betonten die Richter.

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Der Kläger hatte den Zahnarzt erst wieder aufgesucht, nachdem in 2010 eine schmerzhafte Zyste aufgetreten war. Dabei riet ihm der Arzt auch zum Ersetzen der geschädigten Zähne durch Implantate. Der Versicherungsfall trat nach Auffassung der Oberlandesgerichtes daher erst nach Abschluss der Zahnzusatzversicherung ein. Weil auch die vertraglich vereinbarte Wartezeit zum Zeitpunkt des Implantateinsatzes abgelaufen war, muss die Versicherung zahlen.

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