Damals betrug der volkswirtschaftliche Schaden rund elf Milliarden Euro – wovon etwa 1,8 Milliarden Euro auf die Versicherungswirtschaft entfielen. Für das aktuelle Hochwasser vom Juni 2013 wird der Gesamtschaden bereits jetzt auf mehr als elf Milliarden Euro geschätzt. Über die Höhe des versicherten Schadens dagegen existieren momentan nur Spekulationen zahlreicher Versicherungsexperten. Die Schätzungen gehen zum Teil weit auseinander: Einige prognostizieren eine höhere, andere eine niedrigere Schadensumme als 2002. Angesichts dieser Zahlen stellt sich die Frage: Welche Maßnahmen wurden nach dem Jahrhunderthochwasser 2002 zur Verringerung des Hochwasserrisikos in den betroffenen Gebieten von der Versicherungswirtschaft und der öffentlichen Hand geplant und umgesetzt? In welchen Bereichen besteht noch immer Handlungsbedarf?

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Versicherungspflicht für Elementarschäden!?

Um sich als Wohneigentümer gegen derartige Risiken abzusichern, bietet die Versicherungswirtschaft eine sogenannte Elementarschadenversicherung an, die vor allem bei Schäden greift, die durch Überschwemmung, Starkregen und Rückstau verursacht werden. Die Abdeckung über eine Hausrat- oder Wohngebäudeversicherung bietet dagegen keinen Schutz gegen Hochwasserrisiken. Anhand des Zonierungssystems für Überschwemmung, Rückstau und Starkregen (ZÜRS), für das Gebiete in Deutschland in vier unterschiedliche Gefährdungsklassen eingeteilt wurden, ermitteln Versicherungsunternehmen die entsprechend zu zahlenden Prämien. Im Blickpunkt stehen dabei aktuell vor allem die Wohngebäude, die sich in der Gefährdungsklasse vier befinden (Wahrscheinlichkeit des Eintrittes einer Überschwemmung < 10 Jahre). Sie konnten in den vergangenen Jahren nicht oder nur gegen die Zahlung einer erhöhten Risikoprämie versichert werden. In Deutschland waren im Jahr 2012 laut dem Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GDV) rund ein Drittel der Wohngebäude in Deutschland über eine Elementarschadenversicherung gegen das Hochwasserrisiko geschützt – rund 13 Prozent mehr als noch im Jahr 2002. In Anbetracht der Aussagen von zahlreichen Versicherungsexperten, dass rund 99 Prozent aller Wohngebäude in Deutschland eine Elementarschadendeckung erhalten würden, erscheint die Anzahl der versicherten Gebäude bis dato noch immer sehr gering.

Ein Grund dafür könnten die zusätzlichen Kosten sein, die sich je nach Wert des Gebäudes und Gefährdungsklasse auf etwa 100 bis 300 Euro pro Jahr belaufen. Das scheint absurd, angesichts der Tatsache, dass der deutsche Versicherungsnehmer durchaus bereit ist, für einen ähnlichen Betrag eine Vollkaskoversicherung abzuschließen, mit der ein weitaus geringerer Wert versichert wird. Seit 2002 wird die Einführung einer obligatorischen Elementarversicherung gefordert, um einen flächendeckenden Versicherungsschutz aller gefährdeten Häuser in Deutschland zu ermöglichen. Dieser Vorschlag scheiterte bis dato jedoch an der mangelnden Akzeptanz der Gebäudeeigentümer, an den dadurch steigenden Verwaltungskosten für die Versicherungsunternehmen sowie an den gesetzlichen Hürden der Politik.

Eilenburg und Grimma – Welche Lehren aus 2002 gezogen wurden

Nach der Flutkatastrophe im August 2002 wurden zahlreiche Hochwasserschutzmaßnahmen durch Bund und Länder beschlossen, jedoch zum Teil nur unzureichend umgesetzt. So wurden beispielsweise in Sachsen nur 80 von 351 geplanten Hochwasserschutzmaßnahmen realisiert. Welche Auswirkungen die (Nicht-)Umsetzung derartiger Hochwasserschutzmaßnahmen auf die aktuelle Situation in den einzelnen Städten und auf deren Einwohner hat, belegen die zwei folgenden Beispiele.

Während viele Orte in Deutschland buchstäblich „ertrinken“, blieb es in Eilenburg, einer kleinen 15.000-Einwohner-Stadt in Nordsachsen, weitgehend trocken. Der Grund dafür lag in der Umsetzung einer deutschlandweit einzigartigen Präventionsmaßnahme: Dem Bau einer Schutzmauer um die Stadt herum. Dieser Bau und die Erweiterung der Deichlandschaft kostete die öffentliche Hand über 35 Millionen Euro – angesichts der Schadensumme von 250 Millionen Euro im Jahr 2002 eine lohnende Investition, die sich bereits jetzt auszahlt.
Viel schlimmer entwickelte sich die Lage für das sächsische Grimma, wo sich der Hochwasserschutz als unzureichend erwies. Auch für diese Stadt sollte der Bau einer Schutzmauer den nötigen Hochwasserschutz bieten. Dieser verzögerte sich jedoch um einige Jahre aufgrund fehlender Akzeptanz der Einwohner. Zudem erhielten viele Einwohner keinen Versicherungsschutz, so dass die erneuten Schäden, die sich laut aktuellen Schätzungen auf 200 Millionen Euro belaufen, von den Wohnungseigentümern weitgehend selbst getragen werden müssen.

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Lessons learned

Die aktuelle Hochwasserkatastrophe und deren Ausmaß belegen, dass die bisher umgesetzten Hochwasserschutzmaßnahmen seit 2002 nicht ausreichen, um die Bürger und deren Wohneigentum in Deutschland angemessen gegen Hochwasser zu schützen. Zudem werden noch immer Baugenehmigungen für Häuser in Hochwasserregionen erteilt, die offensichtlich einer höheren Gefährdungsklasse unterliegen. Laut einer Aussage des sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich konnten 99 Prozent der in Gefährdungsklasse 4 eingeteilten Gebäude nicht versichert werden. Diese Zahl zeigt, dass ein großer Handlungsbedarf bei allen beteiligten Parteien besteht, um das zukünftige Hochwasserrisiko für den Einzelnen zu vermindern. Es bedarf somit eines allumfassenden Konzepts, das insbesondere präventive Maßnahmen miteinbeziehen sollte, schlagen die Versicherungsforen Leipzig vor:
Sicherstellung der schnellen Umsetzung der bereits geplanten Baumaßnahmen zur Verminderung des Hochwasserrisikos, Abbau des Informationsdefizits der Versicherungsnehmer (bspw. durch die öffentliche Bereitstellung von ZÜRS deutschlandweit), Verbot von Baumaßnahmen in gefährdeten Gebieten sowie eine gesetzliche Regelung zum Umgang mit gefährdeten Tierarten im Falle eines Hochwassers (Vorrang von Hochwasserschutzmaßnahmen für Anwohner vor Naturschutz-maßnahmen). Darüber hinaus sollten aber auch gemeinsame Deckungskonzepte von der Versicherungswirtschaft und dem öffentlichen Sektor bereitgestellt werden, um das Risiko zu verteilen und somit den Versicherungsnehmer im Schadenfall zu entlasten.

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