"Es wird derzeit viel diskutiert, wie sich die hektische Arbeitswelt weniger stressig gestalten lässt. Es gibt sogar Initiativen, die dies staatlich regulieren möchten. Unser Bericht zeigt aber, dass es vor allem die Lebenssituation der Beschäftigten ist, die sie belastet. Sind Arbeitsverhältnisse befristet oder ist die finanzielle Situation aufgrund von Teilzeit oder Leiharbeit angespannt, belastet das die Betroffenen", so Dr. Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der TK bei der Vorstellung des Gesundheitsreports.

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7,4 Prozent der Männer arbeiten in Teilzeit

Dr. Thomas Grobe vom Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitssystemforschung (ISEG), der die Daten für die TK ausgewertet hat: "Teilzeitbeschäftigte Männer sind mit 11,1 Tagen insgesamt weniger krankgeschrieben als Vollzeitangestellte mit 11,8 Tagen. Allerdings sind sie mit durchschnittlich 1,9 Fehltagen pro Kopf deutlich mehr von psychischen Diagnosen betroffen als Vollzeitbeschäftigte (1,4 Tage)."

Die Arzneimittelverordnungen bestätigen den Trend. Männer in Teilzeit erhalten zehn Prozent weniger Medikamente verschrieben, das Antidepressiva-Volumen liegt jedoch 53 Prozent über dem der Vollzeitbeschäftigten. Bei Frauen beträgt die Diskrepanz acht Prozent."

Heiko Schulz, Psychologe bei der TK: "Die Vermutung liegt nahe, dass die erhöhte psychische Belastung bei Männern in Teilzeit, in befristeten oder Leiharbeitsverhältnissen daher rührt, dass Männer traditionell noch als Haupternährer der Familie fungieren, was aber unter den genannten Beschäftigungsformen oft schwierig ist. Viele Beschäftigte arbeiten nicht freiwillig in Teilzeit, sondern weil ihnen nicht mehr angeboten wird oder weil sie eine höhere Arbeitszeit nicht mit ihren familiären Verpflichtungen vereinbaren können."

Die TK fordert deshalb zur Prävention seelischer Belastungen auch kreative Beschäftigungslösungen. TK-Chef Baas: "Es geht nicht darum, Arbeitsbedingungen hierzulande noch stärker staatlich zu regulieren. Kein Unternehmen am internationalen Markt kann es sich leisten, E-Mails nach 20 Uhr deutscher Zeit nicht zu beantworten. Aber wir brauchen Rahmenbedingungen für eine flexiblere Arbeitsorganisation, die Bedürfnissen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern gerecht werden. Dank moderner Kommunikationsmittel haben wir viele Möglichkeiten dazu. Wenn die Beschäftigten zudem eine wertschätzende Führung, eine existenzsichernde Perspektive und die Möglichkeit bekommen, Beruf, Kinderbetreuung und Pflege zu vereinbaren, stehen sie auch weniger unter Druck."

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Eine Investition in Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) rechnet sich laut TK auch für die Unternehmen: Die Depression steht unter den Fehlzeitenursachen auf Platz eins. Eine Krankschreibung aufgrund dieser Diagnose dauert im Durchschnitt 58 Tage. "In einem Unternehmen mit 350 Beschäftigten fehlen jährlich fünf Mitarbeiter unter dieser Diagnose. Lohnfortzahlung und Produktivitätsausfall kosten das Unternehmen allein für diese Diagnose etwa 75.000 Euro. Ein wirkungsvolles BGM bekommt man dagegen schon für 50.000 Euro", rechnet Baas vor. "In die Gesundheit von Beschäftigten zu investieren, ist also keine Nettigkeit, sondern wirtschaftlich sinnvoll."

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