Deutschland und auch Österreich verzeichnen im Vergleich zur Mehrzahl der OECD-Länder eine gegenläufige Tendenz: In beiden Ländern stiegen zwischen 2007 und 2010 sowohl die Markteinkommen (aus Arbeit und Kapital) als auch die verfügbaren Einkommen (nach Steuern und Abgaben) leicht an. Die Einkommensungleichheit für Markt- und verfügbare Einkommen verharrte dabei etwa auf Vorkrisenniveau. Als Indikator für diese Ungleichheit werden in der Regel zwei Maße herangezogen: 1) Der Gini-Koeffizient - dieser beträgt 0, wenn alle Menschen in einer Gesellschaft das gleiche Einkommen erhalten und 1, wenn eine Person das gesamte Einkommen bezieht - und 2) das Verhältnis zwischen den Durchschnittseinkommen der ärmsten und der reichsten zehn Prozent der Bevölkerung.

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OECD: Einkommensungleichheit bleibt groß

Der Gini-Koeffizient für verfügbare Einkommen lag in Österreich 2010 bei 0,27 und in Deutschland bei 0,29 und damit um Einiges niedriger als im OECD-Schnitt (0,31). Gleichzeitig verdienten die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung nach Steuern und Transfers in Österreich sechs Mal so viel wie die ärmsten. In Deutschland lag das Verhältnis bei 7:1 und im OECD-Mittel bei 9,5:1. Die größte Ungleichheit innerhalb der OECD herrscht in Chile und Mexiko, die geringste in Island, Slowenien, Norwegen und Dänemark.

“Diese Zahlen unterstreichen wie wichtig es ist, die schwächsten Mitglieder in unseren Gesellschaften zu unterstützen”, sagte OECD Generalsekretär Angel Gurría. Zwar sei es nötig, die öffentlichen Ausgaben im Rahmen zu halten, gleichzeitig müssten Maßnahmen für Arbeit und Wachstum aber für Fairness und Effizienz sorgen und alle Menschen einer Gesellschaft einbeziehen. „Die Steuersysteme müssen so gestaltet werden, dass jeder seinen Teil beiträgt und so, dass alle Menschen die Unterstützung erfahren, die sie benötigen“, sagte Gurría.

Armutsrisiko für Kinder steigt

Die Daten belegen auch, dass ärmere Haushalte über die Krisenjahre entweder mehr verloren oder weniger gewonnen haben als reichere Haushalte. In 21 von 33 Ländern, für die Daten vorlagen, verlief die Einkommensentwicklung für die zehn Prozent der Bestverdienenden besser als für jene zehn Prozent mit dem geringsten Einkommen. Deutschland gehört auch hier zu den Ländern, die sich entgegen dem Trend verhalten: Das verfügbare Haushalteinkommen steigerte sich bis 2010 sowohl für Gut- als auch für Geringverdiener.

Der Anteil der Menschen, die weniger als die Hälfte des nationalen Medianeinkommens beziehen und damit als einkommensarm gelten, veränderte sich im OECD-Schnitt zwischen 2007 und Ende 2010 kaum. Was sich veränderte, waren die Gruppen, die besonders armutsgefährdet sind: Für Kinder und junge Leute erhöhte sich das Armutsrisiko im OECD-Schnitt um ein bis zwei Prozentpunkte, für ältere Menschen sank es um drei Prozentpunkte. Hierbei setzte sich ein längerfristiger Trend fort. In Deutschland lebten 2010 knapp neun Prozent der Menschen in relativer Armut, in Österreich acht und in der Schweiz 9,5 Prozent. Der OECD-Durchschnitt lag bei 11,3 Prozent. Wie auch in 15 anderen OECD-Ländern stieg in Deutschland das Armutsrisiko für Kinder in den ersten drei Jahren der Krise an. Gleichzeitig verzeichnete Deutschland jedoch als einziges Land ein erheblich gesunkenes Risiko für junge Menschen von 18 bis 25 Jahren (minus zwei Prozentpunkte). In Österreich ging das relative Armutsrisiko für alle drei Altersgruppen leicht nach oben, am stärksten aber für Ältere.

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Eine abschließende Wertung über die Einkommensentwicklung in der Krise ermöglichen die vorliegenden Daten noch nicht. In einer Reihe von OECD-Ländern hat sich die wirtschaftliche Lage seit 2010 eher verschlechtert als verbessert. Zudem ist zu befürchten, dass viele Menschen ihre Ansprüche auf Arbeitslosengeld inzwischen aufgebraucht haben. Außerdem haben in den vergangenen Jahren immer mehr Staaten von Konjunktur- auf Sparprogramme umgestellt. Es ist also davon auszugehen, dass die Sozialsysteme der Länder in Zukunft noch stärker unter Druck stehen werden, wenn sie die auseinanderlaufenden Einkommenstrends ausgleichen wollen.

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