Wer befürchtet hat, dass der Zugriff auf Zyperns Bankkonten auch in anderen Teilen Europas das Vertrauen der Sparer erschüttert, der kann zumindest mit Blick auf Deutschland beruhigt werden. Zwar ist die Zahl der Bundesbürger, die sich um ihr Erspartes sorgen, mit 48 Prozent recht hoch, wie eine aktuelle Umfrage von Infratest dimap im Auftrag des ARD-Morgenmagazins ergab. Das ist immerhin fast jeder Zweite. Aber gegenüber dem Jahresbeginn ist die Zahl der Zweifler sogar um 6 Prozentpunkte gesunken.

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Erst am Dienstag hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel eine neue Einlagengarantie für deutsche Sparer ausgesprochen und versichert, trotz Eurokrise wolle keiner den Deutschen ins Portemonnaie fassen. Die Kommentare unter den Artikeln geben dennoch Auskunft über die Sorgen der Bundesbürger: Seit Montag seien die Banken in Zypern geschlossen, viele Menschen kämen nicht an ihr ehrlich erarbeitetes Geld. Und dass die EZB Spareinlagen von freien Bürgern zwecks Teilenteignung einfach einfrieren kann, egal in welchem Land, sei höchst beängstigend. Ist ein derartiges Szenario nicht auch in der Bundesrepublik vorstellbar? Das Misstrauen in den Euro mag nicht gestiegen sein – aber es ist noch immer groß.

Zypern präsentiert Plan B: Spendenhut statt Anlegerbeteiligung?

Derweil spitzt sich die Krise in Zypern zu. Der Zwergstaat weigert sich, die Anleger von Banken an der Rettung der Geldinstitute und des Staates zu beteiligen. Fast zwangsläufig ist damit der Ärger mit Brüssel und Berlin vorprogrammiert, denn die Euro-Gruppenländer drängen auf eine schnelle Lösung. Die europäische Zentralbank erklärte, sie werde am Montag die Finanzhilfen für zyprische Banken einstellen, sollte bis dahin kein Notfallplan vorliegen.

Am Donnerstag hat die Regierung schließlich einen eigenes Konzept präsentiert, um die erforderlichen 5,8 Milliarden Euro Eigenanteil aufzutreiben, die für den Erhalt eines Hilfskredites von 10 Milliarden Euro erforderlich sind. Und der Plan sieht durchaus Überraschendes vor. Statt einer Zwangsabgabe soll eine Anleihe auf freiwilliger Basis für alle Zyprer und alle Ausländer aufgelegt werden. Geplant ist, diesen Volksanleihe-Fonds mit Geldern von der zyprischen Rentenkasse, den Kirchen und anderen Institutionen auszustatten. Auch die russische Regierung will etwas in den Topf einzahlen. Eine Einigung über das Hilfspaket wurde im Parlament bisher nicht erzielt - und so debattiert Zypern weiter darüber, wie die 5,8 Milliarden Euro aufgebracht werden sollen.

EU-Länder und EZB werden Plan B nicht akzeptieren

Freiwilligkeit statt Zwangsabgabe – das klingt zunächst verlockend. Zyperns Regierung kommt damit Forderungen der russischen Regierung entgegen, das Vermögen von Russen nicht anzutasten. Deren Einlagen belaufen sich auf geschätzte 20 Milliarden Euro in Zypern und machen fast ein Drittel der Sparguthaben aus. Doch die Troika der internationalen Geldgeber aus EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds hat den zweiten Rettungsplan des Landes offenbar abgelehnt. Das berichteten der griechische Fernsehsender Skai-TV und die Tageszeitung "Ta Nea" nach einem Treffen der Troika mit Zyperns Präsidenten Nikos Anastasiades.

Warum aber stoßen die Vorschläge der zyprischen Regierung auf Widerstand? Vor allem die geplante Herausgabe neuer Anleihenfonds sowie die Einberechnung zukünftiger Gaseinnahmen im Schätzwert von 600 Milliarden Euro wollen die Kreditgeber nicht akzeptieren. Denn diese Maßnahmen laufen dem Plan entgegen, den aufgeblähten Bankensektor in Zypern gesundzuschrumpfen. Das Bundesfinanzministerium teilte am Donnerstag in einer Stellungnahme mit: „Dreh und Angelpunkt bei einem Hilfsprogramm für Zypern sind die Schuldentragfähigkeit und die Verringerung der Risiken, die für den Staat aus dem überdimensionierten Bankensektor resultieren.“ Zypern wehrt sich jedoch gegen eine Schrumpfkur für seine Geldhäuser, da diese wichtige Arbeitgeber sind und ausländisches Kapital ins Land locken.

Auch die Zweckentfremdung der Rentenfonds für das Rettungspaket stößt bei den EU-Partnern auf Ablehnung, denn das Geld könnte später in der Rentenkasse fehlen. Es sei "nicht leicht nachzuvollziehen", warum das Anzapfen der Fonds eine "besonders gute Idee sein soll", sagte Steffen Seibert, Sprecher der Bundesregierung, gegenüber Pressevertretern.

Europa will Zyperns Sparer im Würgegriff halten

Nach dem aktuellen Stand läuft wohl doch alles auf eine Beteiligung der Sparer an dem Rettungspaket hinaus. Die Zeit drängt. „In den nächsten Stunden entscheidet sich das Schicksal Zyperns“, erklärt ein Regierungssprecher des Inselstaates am Freitag Mittag. Das Parlament will erst am Nachmittag zusammenkommen, aber jede Lösung sei schmerzhaft.

Derweil riskiert die Europäische Zentralbank (EZB), es sich vollständig mit Zyperns Sparern zu verscherzen. Die Bürger sollten nach dem Willen der EZB für eine längere Zeit nur einen begrenzten Betrag an Bargeld an Geldautomaten abheben können, berichtet das "Handelsblatt" unter Berufung auf Notenbankkreise. Im Gespräch sei, die Spareinlagen komplett einzufrieren und Überweisungen nur mit vorheriger Erlaubnis der nationalen Zentralbank zu erlauben. So wollen die Notenbanker eine Kapitalflucht aus dem Inselstaat verhindern.

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Kaum weniger radikal ist ein Plan, den die Finanzminister der 17 EU-Länder laut einer Meldung von Bloomberg News erwägen. Demnach sollen die beiden größten Banken Zyperns Cyprus Popular Bank und Bank of Cyprus geschlossen und die Gelder der Bankkunden eingefroren werden. Auch dieser Schritt hätte bittere Konsequenzen für viele Geldanleger. Versicherte Einlagen bis 100.000 Euro würden zwar in eine sogenannte „Good Bank“ wandern, Verluste gebe es hierbei nicht. Nicht versicherte Summen sollen hingegen in eine “Bad Bank” ausgelagert und eingefroren werden - und zwar so lange, bis gewisse Anlagevermögen verkauft werden können. Leidtragende wären die Besitzer nicht versicherter Sparguthaben. Sie müssen mit Verlusten von bis zu 40 Prozent auf ihr Sparguthaben rechnen. Bis Montag hat das zyprische Parlament Zeit, einen tauglichen Rettungsplan zu präsentieren. Wird keine Einigung erziehlt, droht der Bankrott des Landes.

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