Hinter diesen Zahlen verbergen sich aktuell gut 2,4 Millionen Pflegebedürftige in Deutschland - in den nächsten 20 Jahren steigt diese Zahl nach offiziellen Schätzungen auf 3,4 Millionen. "Das Thema Pflege ist eine tickende Zeitbombe und hat eine genauso große Sprengkraft wie das viel diskutierte Thema Altersarmut", so Tillmann Lukosch, Vorstandsmitglied der R+V Krankenversicherung AG. Deshalb starte der Versicherer die Kampagne "Weil Zukunft Pflege braucht", um für das Thema zu sensibilisieren. Prof. Dr. Renate Köcher, Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie Allensbach, ergänzt: "Durch die demografische Entwicklung wird Pflege zu einer immer größeren Herausforderung für das soziale Sicherungssystem, für die Familien und alle, die sich um eine tragfähige Infrastruktur für die Sicherung einer kompetenten und zugleich menschlichen Pflege bemühen."

Pflegerisiko und Altersarmut treffen vor allem Frauen - Vorsorge bisher gering

"Gerade Frauen sind von Altersarmut und vom Pflegerisiko am stärksten betroffen", weiß Tillmann Lukosch. Bereits seit 2009 macht die R+V Versicherung daher mit der Informations-kampagne "Freiraum fürs Leben" Frauen fit für das Thema Zukunftsvorsorge. "Vor allem das Thema Pflege trifft Frauen gleich doppelt: als Pflegende und als Pflegebedürftige", so Lukosch weiter.

So sind es überwiegend Frauen, die die Pflege von Angehörigen übernehmen. Und auch unter den Pflegebedürftigen sind aktuell doppelt so viele Frauen wie Männer. Denn aufgrund ihrer durchschnittlich fünf Jahre längeren Lebenserwartung haben Frauen im Vergleich zu Männern ein viel höheres Risiko, im Alter zum Pflegefall zu werden.

Aufklärungsbedarf: Viele verwechseln private und gesetzliche Pflegeversicherung

Auch das zeigt die R+V-Studie: Das Thema Pflegeabsicherung ist in der Bevölkerung noch nicht richtig angekommen. Zudem verwechseln viele Bürger die gesetzliche Pflegeversicherung mit der freiwilligen privaten Zusatzversicherung. 23 Prozent der Befragten sind überzeugt, dass sie bereits eine private Zusatzversicherung abgeschlossen haben.

In den meisten Fällen dürfte es sich dabei jedoch um die gesetzliche Pflegeversicherung handeln, denn nach Angaben des Verbandes der privaten Krankenversicherung haben erst rund zwei Prozent der Bundesbürger tatsächlich eine private Pflegezusatzversicherung abgeschlossen. "Hier ist dringend Aufklärung nötig", so Lukosch.

Karriere-Risiko Pflege: Frauen stecken im Beruf zurück

Pflege findet vor allem in der Familie statt: 62 Prozent der Deutschen, die pflegebedürftige Angehörige haben, kümmern sich selbst um die Betreuung. Prof. Köcher: "Was insbesondere die Frauen auf diesem Gebiet leisten, ist beeindruckend." Eine "typische Pflegende", so die R+V-Studie, ist 61 Jahre alt, verheiratet, hat zwei erwachsene Kinder, pflegt länger als drei Jahre und ist nicht berufstätig.

Eine häufige Folge der Pflege: Frauen stecken im Beruf zurück - mit entsprechenden Konsequenzen für ihre eigene Altersversorgung. Aktuell sind nur 42 Prozent der Frauen, die Angehörige pflegen, überhaupt berufstätig, vorwiegend in Teilzeit. Und von diesen hat die Mehrheit ihre Arbeitszeit reduziert oder flexibler gestaltet, zusammen 52 Prozent. Beträgt die Dauer der Pflege 3 Stunden täglich oder mehr, sind es sogar 69 Prozent, die Kompromisse im Job machen mussten.

Die gute Nachricht: 73 Prozent der berufstätigen Frauen, die Angehörige pflegen, treffen bei ihrem Arbeitgeber auf Verständnis. Die schlechte Nachricht: Über die Hälfte der pflegenden Frauen (55 Prozent), die berufstätig sind, findet es dennoch schwer, die Pflege mit dem Beruf zu vereinbaren.

Pflege kostet Zeit, Kraft und Nerven - Und belastet die Partnerschaft

Für die meisten Frauen ist Pflege so arbeitsintensiv wie ein Halbtagsjob: 53 Prozent der pflegenden Frauen verbringen täglich 3 Stunden und mehr mit der Pflege. Doch auch bei berufstätigen Frauen sind es noch 37 Prozent, die diesen Pflegeaufwand jeden Tag zusätzlich leisten. Und das häufig jahrelang: 40 Prozent der pflegenden Frauen sind schon zwischen 3 und 10 Jahren mit Pflege beschäftigt, 9 Prozent sogar länger als 10 Jahre.

Und auch wenn sie Unterstützung bekommen, die meisten Pflegeaufgaben bleiben an ihnen hängen - das sagt die große Mehrheit der pflegenden Frauen, ob berufstätig oder nicht. Das bleibt nicht ohne Folgen: Pflege belastet ihre Partnerschaft, berichten 40 Prozent der pflegen-den Frauen, die einen festen Partner haben. Die psychische Belastung wiegt insgesamt deutlich schwerer als die körperliche. Zwei Drittel der pflegenden Frauen ziehen die Bilanz, dass die Pflege sie psychisch stark oder sogar sehr stark belastet - unabhängig von Alter, Zeitaufwand und Pflegestufe des Angehörigen.

Konkrete Wünsche an die Politik

Kein Wunder, dass sich in der Studie 60 Prozent aller Deutschen eine bessere Vereinbarkeit von Pflege und Beruf wünschen - und damit knapp die Hälfte mehr als noch vor zwei Jahren (41 Prozent). Und die Bundesbürger sagen auch klar, von wem sie sich dabei Hilfe erwarten: Vor allem vom Staat (78 Prozent), aber auch von den Unternehmen (55 Prozent).

Pflegende Frauen haben an die Politik ganz konkrete Erwartungen - vor allem bei der häuslichen Pflege. An erster Stelle steht eine bessere Unterstützung für Menschen, die Angehörige zu Hause pflegen (88 Prozent). Dahinter folgen der Wunsch, dass der Staat die Qualität von Pflegeheimen überprüft (80 Prozent), sowie bessere Möglichkeiten, Pflege und Beruf zu vereinbaren (74 Prozent). Auf der Wunschliste stehen auch eine Erhöhung der Pflegesätze (66 Prozent) und mehr Pflegeheimplätze (47 Prozent).

Prof. Köcher: "Die überwältigende Mehrheit der pflegenden Frauen hofft, dass die Politik Pflegende künftig besser unterstützt - durch einen Ausbau der Infrastruktur, vermehrte Qualitätskontrollen in Pflegeheimen, mehr finanzielle Unterstützung und eine bessere Vereinbarkeit von Pflege und Beruf."

Pflege kostet Geld - Sorge ums Vermögen

Die Mehrheit der Frauen, die demnächst mit einem Pflegefall in der Familie rechnen, will auf Erspartes zurückgreifen: 61 Prozent auf das des Pflegebedürftigen, 34 Prozent auf das eigene Sparbuch, 25 Prozent bitten weitere Familienangehörige zur Kasse. Rund ein Drittel (32 Prozent) rechnet damit, dass sie sich wegen der künftigen Pflegekosten finanziell ein-schränken müssen. Allerdings: 42 Prozent dieser Frauen gehen davon aus, dass die ge-setzliche Pflegeversicherung alles abdeckt.

Die Kostenbelastung spüren am deutlichsten diejenigen Frauen, die bereits pflegen: 84 Prozent dieser Frauen halten es für wichtig, hier privat vorzusorgen. "Private Vorsorge als Ergänzung der gesetzlichen Grundversorgung ist unerlässlich", bestätigt R+V-Vorstand Tillmann Lukosch. Nur: Die Zahlen sprechen bisher eine andere Sprache; hier ist noch viel Überzeugungsarbeit nötig. Lukosch: "Die Einführung der neuen staatlich geförderten Zusatz-versicherung - der so genannte Pflege-Bahr - ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung."

Grundlage der Studie

Die R+V-Studie "Weil Zukunft Pflege braucht" basiert auf zwei Umfragen des Instituts für Demoskopie Allensbach im September 2012: Grundlage für die erste Umfrage bilden 1.558 Interviews mit einem repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung ab 16 Jahre. Zusätzlich erfolgte eine Umfrage unter einer repräsentativen Stichprobe von 539 Frauen, die bereits Familienangehörige pflegen oder in den nächsten Jahren damit rechnen.

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