Eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung prognostiziert, dass schon in 18 Jahren etwa so viele Deutsche pflegebedürftig sind, wie aktuell in Berlin leben. Parallel führt der demografische Wandel dazu, dass sich die Gesamtzahl der Menschen, die in Deutschland leben, infolge der Geburtenrückgänge deutlich reduziert. Statistisch gesehen bekommen Frauen in Deutschland derzeit knapp 1,4 Kinder. 2,1 Kinder müssten es sein, um die heutige Bevölkerungsgröße zu halten. Wie verändert sich eine Gesellschaft, in der die Zahl der Menschen insgesamt sinkt, in der immer mehr Menschen immer intensivere Pflege benötigen, aber immer weniger potenzielle Pflegekräfte zur Verfügung stehen?

Im Jahr 2030 können Männer von einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 81 Jahren, Frauen sogar von 85,7 Jahren ausgehen. "Deshalb gehen wir nicht nur davon aus, dass es immer mehr pflegebedürftige Menschen gibt, sondern die Pflege wird auch aufwändiger, da pflegeintensive Erkrankungen wie Demenz häufiger auftreten werden", so Holger Park, Leiter des Fachreferates Pflege bei der Techniker Krankenkasse. Für ganz Deutschland wird für ganz Deutschland 2030 das Fehlen einer halben Million Pflegekräfte vorausgesagt.

Doch es braucht nicht nur ein mehr an Pflege, sondern auch eine Professionalisierung. "Natürlich sind in der Pflege vor allem Zuwendung und Empathie gefragt. Ebenso wichtig ist aber auch die medizinische Kompetenz in der Behandlungspflege.“ erläutert Park.

Derzeit werden fast 70 Prozent der Pflegebedürftigen, das sind über 1,6 Millionen Menschen, zu Hause versorgt. In gut einer halben Million Fällen unterstützt ein Pflegedienst die Angehörigen. Gut eine Million Pflegebedürftige werden ausschließlich von ihren Angehörigen betreut, in der Regel von nicht-erwerbstätigen Frauen der Familie. Der demografische Wandel geht aber auch damit einher, dass immer mehr Frauen erwerbstätig sind und deshalb als Pflegekräfte ausscheiden oder Arbeit und Pflege miteinander vereinbaren müssen. Oft erfordert der Arbeitsmarkt von den Beschäftigten aber Flexibiliät und Mobiliät, so dass es ihnen überhaupt nicht möglich ist, sich um die Pflege von Angehörigen zu kümmern. Dennoch ist die Pflege noch immer ein Tabuthema, da ungern darüber gesprochen wird, dass eine Pflege Zuhause nicht möglich ist und eine Heimunterbringung häufig als "Abschieben" kritisiert wird.

"Dies zeigt, wie vielschichtig die Problematik ist", erklärt Park. "Wenn wir darüber sprechen, wie die Pflege angesichts unserer veränderten Bevölkerungsstrukturen zu bewältigen ist, müssen wir auch über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sprechen. Deshalb ist dies nicht nur ein Thema der Kranken- und Pflegekassen. Vielmehr brauchen wir einen gesellschaftlichen Konsens, wie wir die Pflege gestalten, fördern und anerkennen. Dabei müssen wir Wege finden, die sowohl gesellschaftlich akzeptabel sind als auch wirtschaftlich tragfähig." Wichtig sei rechtzeitig in Fachpersonal zu investieren und sich auf die neuen Bedingungen einzustellen.

Erste Schritte sind bereits eingeleitet: Zum ersten Januar 2013 treten gesetzliche Regelungen in Kraft, die erstmals auch Pflegegeld für die Pflege Demenzkranker durch Angehörige oder Pflegesachleistungen bei Pflege durch Fachkräfte im eigenen Zuhause vorsieht. Außerdem werden die Rentenansprüche bei Mehrfachpflege verbessert, pflegende Angehörigeerhalten künftig auch in ihrer Erholungszeit die Hälfte des Pflegegeldes und selbstorganisierte Wohngruppen werden durch eine Pauschale bezuschusst. Die Private Pflege- Vorsorge wird zudem ab 2013 mit einer staatlichen Zulage von 60 Euro im Jahr gefördert.