Gemeinsam raus aus der Krise – Das ist Motto von Jose Manuel Barroso. Kurz vor dem EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag wählte der EU-Kommissionspräsident drastische Worte, um für ein gemeinsames Vorgehen Europas in der Schuldenkrise zu werben. Die EU mache ihre größte Krise seit 60 Jahren durch, sagte Barroso, einfach stehenzubleiben sei keine Option. Nun müsse eine der Weg für Reformen bereitet werden, um eine tiefere Zusammenarbeit der europäischen Länder zu ermöglichen.

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Dass bei dem Gipfeltreffen der EU-Entscheider alles harmonisch abläuft, ist nicht zu erwarten. Die „Big Four“ Europas haben diese Woche ein Papier vorgelegt, dass bereits die Richtlinien für ein gemeinsames Vorgehen beinhalten soll. Und für heftige Diskussionen sorgen wird. Beteiligt an dem Vorstoß sind neben Barroso auch EU-Ratschef Herman Van Rompoy, der Chef der Europäischen Zentralbank Mario Draghi sowie Eurogruppenchef Jean-Claude Junker. „Wir wollen dem Rest der Welt zeigen, dass die gemeinsame Währung ein unumkehrbares Projekt ist“, sagte Van Rompuy, aus dessen Haus die Reformvorschläge stammen. Doch bei der Bundesregierung sorgt das EU-Papier schon vor Beginn des Gipfels für Magenverstimmung.

Weniger Haushaltssouveränität der EU-Länder – Und Eurobonds?

Wie aber sehen die Pläne der selbsternannten Reformer aus? Angedacht ist eine weitere Einschränkung nationaler Souveränitätsrechte. Die Länder sollen zukünftig enger kooperieren bei der Finanz- und Haushaltspolitik. Dies beinhaltet auch, dass Brüssel in Zukunft verbindliche Obergrenzen für die nationalen Haushalte festlegen kann. Ziel ist eine europäische Fiskalunion – Dafür müssten nicht nur die europäischen Verträge geändert werden, sondern auch die Grundgesetze der EU-Länder.

Zudem soll es mehr Solidarität zwischen den Ländern geben. Im Gespräch sind gemeinsame Fonds, um Altschulden zu tilgen – Aber auch Eurobonds, also gemeinsame Staatsanleihen der Euroländer. Übermäßig verschuldete Staaten könnten sich dann am Kapitalmarkt billiger Geld leihen, wenn reichere Länder quasi in Mithaftung genommen werden. Dass diese Reformen demokratische Legitimierung erfordern, ist den vier EU-Funktionären bewusst. "Öffentliche Unterstützung für europaweite Entscheidungen mit weitreichendem Einfluss auf das tägliche Leben der Bürger ist zwingend", heißt es in dem Papier.

Doch damit nicht genug: Auch die europäischen Banken wollen die EU-Spitzen stärker zu einer Gemeinschaftshaftung drängen – und die Befugnisse der EU bei der Bankenaufsicht ausbauen. Zum einen soll es eine einheitliche europäische Bankenaufsicht geben, so dass die EU härter durchgreifen kann, wenn sich die Schieflage eines Geldhauses ankündigt. Aber auch gemeinsame Einlagensicherungsfonds für Banken werden vorgeschlagen. Als mögliche Instanz für die Bankenaufsicht ist die Europäische Zentralbank (EZB) im Gespräch.

Bundesregierung lehnt EU-Papier ab

Bei der deutschen Regierung erregt das Positionspapier deutliches Unbehagen. Angela Merkel machte am Dienstag in einer Rede vor der FDP-Bundestagsfraktion mit drastischen Worten deutlich, dass gemeinsame EU-Anleihen mit ihr nicht zu machen sind. Eine gesamtschuldnerische Haftung für Schulden von EU-Ländern werde es nicht geben, „solange ich am Leben bin“, soll Merkel demnach laut einem dpa-Bericht gesagt haben. Zunächst müsse erst die europäische Integration weiter vorangetrieben werden. Heute stellt die Bundeskanzlerin ihre Positionen zur Eurokrise in einer Regierungserklärung vor.

Ähnlich wie Merkel äußerte sich auch Bundesbankpräsident Jens Weidmann, der vor einer allzu raschen Einführung von Eurobonds warnte. Derzeitig würden allzu viele Stimmen für Eurobonds plädieren, schreibt er in einem Gastkommentar für die Süddeutsche Zeitung. Der Versuch, „den letzten Schritt einer vertieften Integration zuerst zu machen und die anderen zu unterlassen, droht die Währungsunion zu gefährden“.

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Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin hat hingegen Angela Merkel wegen ihrer strikten Ablehnung von Eurobonds kritisiert. Die Aussage, es werde keine gemeinschaftliche Haftung geben, „solange ich am Leben bin“, sei ein "dummer Satz" und "heute schon gelogen", so Trittin im ZDF-Morgenmagazin. Schon heute würden Staatsanleihen von Krisenländern in der Größenordnung von 300 Milliarden Euro bei der Europäischen Zentralbank liegen. "Gemeinschaftliche Haftung gibt es schon, obwohl Frau Merkel sichtbar noch lebt", sagte der Grünen-Politiker.

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