Mehrere Zeitungen berichten heute übereinstimmend, dass die griechischen Sparer massiv ihr Geld von den Banken abheben. Offenbar treibt sie die Angst vor dem Verlust ihres Sparguthabens, sollte das Land aus der Euro-Zone austreten müssen. Derzeit befindet sich Griechenland in einer politischen Krise. Die Parlamentswahlen am 06. Mai haben zu keiner gesicherten Mehrheit für eine Regierungsbildung geführt, am 17. Juni sollen Neuwahlen stattfinden.

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Allein am Montag sollen bis zu 800 Millionen Euro von den griechischen Sparern abgehoben worden sein, Beobachter berichten von langen Schlangen an den Bankschaltern. Die Zahl geht aus Protokollen hervor, die der derzeitige Präsident Karolos Papoulias den Parteien für die Regierungsverhandlungen vorgelegt hat. Papoulias stützt sich dabei auf Aussagen des griechischen Notenbank-Chefs Giorgos Provopoulos. „Herr Provopoulos sagte mir, es gebe keine Panik, aber es gebe eine große Angst, die sich zu einer Panik entwickeln könnte“, sagte der griechische Präsident laut Tagesschau. Mit einer Entspannung der Situation ist nicht zu rechnen, auch am Dienstag seien ähnlich hohe Summen abgehoben worden.

Anhaltender Trend zu Kapitalflucht

Mit den enormen Summen, die griechische Sparer nun von ihren Bankkonten abheben, spitzt sich ein monatelang anhaltender Trend weiter zu. Seit dem Januar 2010 haben Bankkunden den griechischen Kreditinstituten 72 Milliarden Euro entzogen, viele wohlhabende Griechen transferierten ihr Geld ins Ausland. Die Kapitalflucht verschärft die Krise der griechischen Wirtschaft zusätzlich, obwohl bereits die strengen Sparauflagen der EU zu einem Schrumpfen der Wirtschaft führen. Laut Eurostat sank die Wirtschaftsleistung von Ende 2009 bis Ende 2011 um rund 15 Prozent.

Doch die Ängste der griechischen Bevölkerung sind nicht unbegründet. In Europa wird offen über einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone debattiert, unter anderem hatten sich Belgiens Zentralbankchef Luc Coene und Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble dazu geäußert. Eine Rückkehr zur Drachme wäre mit hohen Verlusten für die griechische Bevölkerung verbunden, da die Währung gegenüber dem Euro deutlich an Wert verlieren würde. Auch könnte eine Währungsreform zu langen Engpässen führen: Unter Umständen dauert es Monate, bis die neue Währung gedruckt und in der Bevölkerung verteilt ist. Die Abwertung der griechischen Währung würde auch zu einer Verteuerung ausländischer Waren wie Medizin oder Öl führen.

Zwingt die Armut viele Menschen zum Abheben des Geldes?

Zudem scheinen viele Griechen schlichtweg keine andere Wahl zu haben, als ihr Sparguthaben abzuheben. Jeden Monat verlieren rund 20.000 Menschen ihre Arbeit, breite Bevölkerungsschichten verarmen. Drastischen Steuererhöhungen steht eine angestrebte Kürzung der öffentlichen Investitionen um 400 Millionen Euro gegenüber. Die Mehrwertsteuer wurde von 19 auf 23 Prozent angehoben.

Verschärfend kommt hinzu, dass die Regierung während des Wahlkampfes die Sozialhilfe aussetzte. Laut eines Berichtes der Tageszeitung Welt liegt der Staatsapparat lahm, seit April erhalten Arbeitslose und Bedürftige kein Geld mehr. Die letzten Ersparnisse abzuheben, kann deshalb für viele Griechen lebensnotwendig sein.

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Auch wird das Arbeitslosengeld in Griechenland höchstens für die Dauer eines Jahres gezahlt – Danach ist jeder auf sich selbst gestellt. Wer über Sparreserven verfügt, muss dann auf sie zurückgreifen.

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