Obwohl das Thema des demographischen Wandels schon seit längerem diskutiert wird, beschäftigen sich rund drei Viertel der Unternehmen erst seit ein bis fünf Jahren damit. Vor allem das Problem des „Nachwuchsmangels“ verspüren 86 Prozent. Auf den Plätzen zwei und drei der drängendsten Probleme folgen die „Überalterung der Belegschaft“ (70%) sowie eine „höhere Fluktuation durch Abwerbung“ (51%). Probleme, deren Auswirkungen sich in Leistungs- und Innovationsfähigkeit sowie steigenden Kosten manifestieren werden. Die Versicherer befürchten den Fachkräftemangel besonders in den Abteilungen „IT“ (61%), „Versicherungsmathematik“ (56%) und „Vertrieb“ (47%).

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Während der demographische Wandel – relativ betrachtet – alle Versicherer gleichermaßen berührt, können sich größere Unternehmen auch die Investition in aufwändigere Maßnahmen leisten, die dann ggf. einer kleineren Auswahl von Mitarbeitern zuteil wird. Letztendlich gilt aber auch hier: „Unter dem Strich muss es sich rechnen“. Und genau bei diesem Punkt wird es schwierig: Den monetären Effekt aller Maßnahmen wie in einem Business Case zu bestimmen, scheitert häufig. Zum einen sind viele Maßnahmen neu und ihre Wirkung gleichzeitig langfristiger Natur. Zum anderen ist die Kausalität personaltechnischer Maßnahmen zu Leistungs- oder Umsatzgrößen plausibel, aber aufgrund der Mittelbarkeit kaum zu messen. Es bedarf daher anderer Messgrößen wie Mitarbeiterbindung und –zufriedenheit, um die Effekte greifbar zu machen und ein effektives Portfolio von Maßnahmen zusammen zu stellen.

Zwar nehmen alle befragten Versicherer die Bedrohung durch den demographischen Wandel und die damit einhergehenden Probleme wahr. Ein Patentrezept zwecks Problembewältigung gibt es jedoch nicht. Viele Maßnahmen werden getestet. Bezüglich ihrer Wirksamkeit gibt es jedoch keine einhellige Meinung. Die Erfahrungen bzw. die Annahme der Maßnahmen durch die Arbeitnehmer (bzw. deren Bewertung in Mitarbeiterbefragungen) können nur erste Hinweise liefern. Dr. Thomas Bittner, Geschäftsführer von Organomics: „Die deutschen Versicherer sind bei der Bewältigung des demographischen Wandels noch auf der Suche nach dem „Stein der Weisen“. Auffällig ist vor allem die Vielfalt der umgesetzten Maßnahmen im Gesundheitsbereich und der Nachholbedarf beim Thema Wissensmanagement.“

Im Rahmen der Untersuchung wurden Maßnahmen zum Management des demographischen Wandels von den Befragten im Hinblick auf ihre Zweckmäßigkeit und deren Umsetzungsstatus beurteilt: Im Gesundheitsmanagement ist der Großteil der befragten Versicherer mit „Betriebssportaktivitäten“ (84%), „gesundheitsfördernden Mahlzeiten in der Kantine“ (67%), „ergonomischer Beratung am Arbeitsplatz“ und „Angeboten zur Rückenschule“ (jeweils 65%) am weitesten fortgeschritten.

Im Bereich der Personalentwicklung und Weiterbildung sind die Umsetzungsschwerpunkte „Programme für Mitarbeiter mit außergewöhnlichem Entwicklungspotenzial“ (58%) und „Anreize zur fachlichen und persönlichen, altersunabhängigen Weiterbildung“ (56%). „Motivationsprogramme für eine längere Erwerbstätigkeit“ werden hingegen eher selten geplant oder umgesetzt (31%). Es werden auch nur von 24 Prozent der befragten Versicherungen „systematisch ältere Arbeitnehmer eingestellt“.

Beim Wissensmanagement gibt es noch viel aufzuholen: Nur 17 Prozent der Unternehmen sichern planmäßig das Expertenwissen ihrer Mitarbeiter vor deren Pensionierung. Und bei nur 3 Prozent ist der systematische Wissenstransfer zwischen älteren und jüngeren Mitarbeitern umgesetzt.

In der Kategorie Führung werden vor allem Altersstrukturanalysen (51%) und „Planungen zur künftigen Altersstruktur“ (38%) von den Versicherern umgesetzt. Das „Coaching von Führungskräften altersheterogener Teams“ kommt allerdings für die Mehrzahl der Unternehmen (53%) nicht in Frage. Dr. Thomas Bittner „Die Führung von altersgemischten Teams ist eine nicht zu unterschätzende Herausforderung. Fehler machen sich schnell in deren Leistungsfähigkeit bemerkbar.“

Der erfolgversprechende Ansatz zur Bewältigung des demographischen Wandels muss ein integrativer sein: Basierend auf der Status-quo-Leistungsfähigkeit, die empirisch zu bestimmen ist, können Stellenprofile angefertigt werden, die mit Altersstrukturanalysen verknüpft, künftige Bedarfe qualifiziert darstellen. Dr. Thomas Bittner: „Herkömmliche Altersstrukturanalysen können in die Irre führen. Die Basis einer personaltechnischen Planung muss die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter berücksichtigen und in einen Business Case münden.“

Über Personalentwicklung und Weiterbildung werden die Mitarbeiter (mit größerer Berücksichtigung von Frauen und älteren Mitarbeitern) in die Stellenprofile entwickelt. Im Sinne einer Übertragbarkeit muss das Wissen der Stelleninhaber verwertbar konserviert werden und ihm Rahmen von Weiterbildungen an die (nachrückenden) Mitarbeiter weitergegeben werden. Das Ganze wird flankiert durch eine mitarbeiterorientierte Führung, wie sie sich bspw. in der transformationalen oder (als deren Vorstufe) in der transaktionalen Führung ergibt.

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Das inzwischen weit entwickelte Gesundheitsmanagement unterstützt schließlich dabei, die berufliche Leistungsfähigkeit zu erhalten, wenn nicht sogar zu steigern. Sicher ist, dass der demographische Wandel die Arbeitswelt der Versicherungen nachhaltig verändern wird. Wer hier zu den Gewinnern gehören will, muss sich der Herausforderung stellen und das Potenzial der sich bietenden Maßnahmen effektiv ausschöpfen.

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