Die Warnungen des Robert-Koch-Instituts bzw. die Verzehrsempfehlung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BFR) haben neben ihrer notwendigen präventiven Wirkung weitere Konsequenzen - für die Erzeuger. Die Bauern und Händler bleiben auf ihrer Ware sitzen, weil die Kunden derzeit kein Gemüse kaufen, selbst dann, wenn die Landwirte nachweisen können, dass ihre Erzeugnisse in einem einwandfreien Zustand sind. Der Bauernverband schätzt den Schaden für deutsche Bauern auf 30 Millionen Euro pro Woche, vielen Höfen droht unverschuldet der Ruin.

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Als tickende Zeitbombe entpuppt sich für die Landwirte die Tatsache, dass es noch immer keine konkreten Ergebnisse gibt, welche die Ursache des Keims aufdecken. Also üben sich viele Konsumenten in Totalverzicht, kaufen weder Gurken noch Salat, sind auch bei Fleisch- und Milcherzeugnissen vorsichtiger geworden. Zwar informiert der Deutsche Bauernverband (DBV), dass es „bisher keine Hinweise darauf gibt, dass rohes Fleisch oder Rohmilch, die in Zusammenhang mit EHEC häufig als Überträger-Lebensmittel identifiziert werden, die Ursache des aktuellen Ausbruchs darstellen.“ - Doch Sicherheit bietet das den Konsumenten nicht. Grundsätzlich rät auch das BFR vom Verzehr rohen Gemüses ab.

Auswirkungen der andauernden Unsicherheit

Viele Bauern haben also unverschuldet mit riesigen Ertragsausfällen zu kämpfen. Daher ist die Forderung der Bauern nach Schadensersatz- bzw. Ausgleichszahlungen aufgrund dieser Verunsicherung durch Politik und Institute nur verständlich. Doch wer soll diese leisten? Erste Hilfe gibt es laut Deutschem Bauernverband (DBV) durch die Landwirtschaftliche Rentenbank, die Liquiditätsdarlehen für EHEC-geschädigte Betriebe unter besonderen Konditionen anbietet. Der Staat ist hingegen nicht zu Schadensersatzzahlungen verpflichtet, denn eine Warnung vor dem Verzehr von Nahrungsgütern ist laut Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) bereits gerechtfertigt, sobald ein hinreichender Verdacht auf eine Gesundheitsgefährdung vorliegt - auch, wenn sich die Warnung nachträglich als falsch entpuppt.

Hilfszahlungen an Bauern, die ihr Gemüse nun schreddern müssen, sind also freiwillige Leistungen der Staaten und der EU. Doch die Bauern dürfen hoffen: die EU-Kommission in Brüssel diskutiert bereits kurzfristige Ausgleichszahlungen an Gemüsebauern, wie der Sprecher des Landwirtschaftskommissars Dacian Ciolos am Montag mitteilte. Denn die Ausfälle beim Gemüseverkauf entpuppen sich als gesamteuropäisches Problem. Während die Ausfälle in Deutschland aktuell auf 50 Millionen Euro beziffert werden, haben spanische Landwirte sogar mit Einbußen von 200 Millionen Euro pro Woche zu kämpfen. Manche Länder wie Russland haben bereits ein Importverbot über EU-Landwirtschaftsprodukte verhängt.

Der derzeitige EU-Vorschlag sieht vor, dass europäische Bauern Hilfsleistungen in Höhe von insgesamt 150 Millionen Euro erhalten. Für besonders verlustreiche Produkte zahlt die EU 30 Prozent des Referenzpreises aus den Vorjahren, so dass die Landwirte wenigstens einen Teil ihrer Verluste abdecken können. Die Zahlungen sollen für einen Zeitraum von Ende Mai bis Ende Juni erfolgen. Allerdings muss der Vorschlag noch von den EU-Landwirtschaftsministern abgenickt werden.

Ist der Ausfall versicherbar?

Bereits im Zuge des Dioxinskandals vor einem Jahr hatte die Bundesargrarministerin Ilse Aigner eine Produkthaftpflichtversicherung als Pflichtversicherung für Futtermittelbetriebe gefordert. Diese wird im Zusammenhang mit der Betriebshaftpflicht angeboten: „Die Deckung ist für solche Fälle gedacht, in denen Erzeugnisse des Versicherungsnehmers derart mit anderen Produkten verbunden, vermischt oder verarbeitet wurden, dass aus tatsächlichen Gründen eine Trennung der mangelhaften Erzeugnisse des Versicherungsnehmers nicht möglich ist oder aus wirtschaftlichen Gründen nicht vorgenommen wird.“ heißt es beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV).

Im Falle von EHEC bleibt es - nicht zuletzt wegen der ungeklärten Ursachen, jedoch fraglich - ob eine Produkthaftpflicht überhaupt greifen würde. Diese zahlt nicht für jene Produkte, die keine Verunreinigung aufweisen, aber aufgrund der Verunsicherung der Bevölkerung keine Abnahme finden. Sie erfasst „echte Vermögensschäden“, die aber lediglich bei der Herstellung einer von vornherein mangelhaften Sache vorhanden sind. „Dies gilt nur bei tatsächlicher Mangelhaftigkeit der Sache und nicht bei bloßem Mangelverdacht“, so der GDV.

Zwar ist im Rahmen mancher Gewerbepolicen das Haftpflichtrisiko versicherbar, wenn ein Betrieb bereits aufgrund des Verdachtes auf einen Krankheitserreger geschlossen wird - jedoch muss für die Versicherungsleistung eine behördliche Anordnung aufgrund des „Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz IfSG)“ vorliegen. Befindet sich die Ware in einem einwandfreiem Zustand, besteht auch über eine solche Police kein Schutz.

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Einige Ertragsausfallversicherungen zahlen auch für die Schäden durch angeordnete Entseuchungen oder die Vernichtung von Massenvorräten - jedoch in der Regel nur, wenn der Schaden durch Tiere verursacht wurde. Ernteschäden sind in den meisten Policen nur bei Elementarschäden wie Feuer und Hagel versichert - bei EHEC hilft eine solche Police wenig weiter. Tatsächlich problematisch wird es im Hinblick auf die Nicht-Abnahme von vermutlich einwandfreien Produkten, die aus Angst nicht gekauft werden. Dagegen gibt es auf dem deutschen Markt derzeit keinen Versicherungs-Schutz.

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