Das Sterben geht manchmal schnell, und manchmal qualvoll langsam. Sollen die Ärzte dann alles unternehmen, um diesen Prozess auszudehnen? Oder ist einem geruhsamen Ende der Vorzug zu geben? Die Ärzte können das nicht entscheiden, die Familie auch nicht – sollen sie sagen: ja, schaltet ihn ab? Nein, das bringt niemand übers Herz. Aus diesem Grund wurde die Patientenverfügung eingeführt und zunächst begrüßt. Genau diese schwierigen Entscheidungen sollte sie festhalten, getroffen von der Person, die sie betreffen: Selbstbestimmt, in seinem Sinne und in vollem Bewusstsein.

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Fragen hinsichtlich einer Patientenverfügung überfordern

Die Antwort auf die Frage, wie möchte ich sterben, ist nicht einfach. Erschwert wurde sie noch durch die Kompliziertheit der Formulare der Patientenverfügung. Fraglich ist, ab wann das Gehirn wirklich unwiderruflich geschädigt ist und ab wann der Sterbeprozess wirklich unabwendbar ist. Gibt es diese Gewissheit? Soll das qualvolle Leben des Lebens wegen verlängert werden? Der Laie gerät hier schnell an seine Grenzen. Zwar kann man die Hilfe von Juristen, Medizinern, Notaren oder Verbänden in Anspruch nehmen, aber diese Hilfe kostet oft Geld, gegen dessen Übernahme sich das gesetzliche Regelwerk der Patientenverfügung im Jahr 2009 entschieden hat. Möglicherweise auch deshalb hat die Verfügung nicht die Verbreitung erreicht, die man geplant hatte.

"Die konventionelle Umsetzung der Patientenverfügung ist vollständig gescheitert", bilanziert Jürgen in der Schmitten von der Uni Düsseldorf gegenüber Spiegel Online. Was Schmitten, der Palliativmediziner, fordert, ist eine weit umfassendere Versorgungsplanung, wie sie bereits in Australien, den USA oder Neuseeland unter dem Begriff "Advance Care Planning" Gang und Gebe ist.

Die Lösung: einfach darüber reden

Das Konzept ist mehr als einfach. Es geht um die Kommunikation der eigenen Wünsche, um die Bewusstwerdung dieser Wünsche im Gesprächsprozess. Dabei klären interessierte Patienten und ebenso Gesunde in einem ausführlichen Gesprächsprozess mit Fachkräften, was sie sich wünschen. Und dies fließt dann in eine Patientenverfügung ein, während geschulte Gesprächsbegleiter dem Diskurs beistehen.

Die Wiederholung und Regelmäßigkeit der Gespräche berücksichtigt ferner den Umstand, dass solche Wünsche nicht starr, sondern wandelbar sind. Ähnlich wie in den genannten Ländern geht es auch im Agaplesion Markus Krankenhaus in Frankfurt zu, wie Spiegel Online berichtet. Dort bespricht man die offenen Fragen bereits seit einigen Jahren, so dass sich im Anschluss an die fundierte Beratung bereits zwei Drittel der Teilnehmer zu einer Änderung ihrer Patientenverfügung entschlossen hatten, da sie vorher verschiedene Punkte gar nicht richtig verstanden hatten, wie der Medizinethiker Kurt Schmidt auf einer Tagung zum "Advance Care Planning" in München erklärte.

Auch Unternehmen mischen sich in das Prozedere ein. So hat das US-amerikanische Unternehmen Kaiser Permanente ein Produkt namens "Advance Care Planning" in vielen seiner Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen im Angebot, für dessen Vertrieb seit 2013 schon 845 Berater ausgebildet und mehr als 50.000 Gespräche geführt worden sind. Die Gespräche dauern hier in der Regel zwei Stunden. All das soll zu deutlich besser ausgearbeiteten Verfügungen führen.

Bundesgesundheitsministerium arbeitet an Neuerung

Das Bundesgesundheitsministeriums findet diesen Ansatz der Gespräche offenbar auch gut und möchte noch in diesem Jahr ihr Gesetz zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung auf den Weg bringen. Fortan könnten dann Pflegeeinrichtungen ihre Bewohner beraten sowie Netzwerke zur gesundheitlichen Versorgungsplanung etablieren, deren Kosten dann, und das ist neu, über die gesetzliche Krankenkasse abgerechnet werden können. Mit diesen Neuerungen soll laut Till-Christian Hiddemann vom Gesundheitsministerium die Grundlage für die Einführung der Versorgungsplanung in Deutschland gelegt werden.

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"Es geht darum, die Strukturen im Gesundheitssystem so zu ändern, dass eine wohlüberlegte und aussagekräftige gesundheitliche Versorgungsplanung in der medizinischen Praxis berücksichtigt wird", sagte er. Das sind Schritte in die richtige Richtung, welche auch der Allgemeinmediziner Nils Schneider von der Medizinischen Hochschule Hannover begrüßt, der im Spiegel zitiert wird. Nur eines findet er noch wichtig: die Fragen müssten früher beantwortet werden. Erst im Pflegeheim mit der Versorgungsplanung zu starten, erscheint ihm definitiv als zu spät. "Die Menschen kommen in einem Gesundheitszustand ins Heim, der schon vorher viele Entscheidungen erfordert", sagte er auf der Tagung in München.

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