Ob eine Kinderinvaliditätsversicherung wichtiger ist als eine Unfallversicherung für Kinder, darüber gehen die Expertenmeinungen auseinander. Die Stiftung Warentest vertritt diese These – und verweist auf den Umstand, dass Krankheiten bei Kindern häufiger zu Schwerbehinderungen führen als Unfälle. Demnach sind bei Kindern und Jugendlichen lediglich 0,45 Prozent aller schweren Behinderungen auf einen Unfall zurückzuführen.

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Unfallversicherung zahlt bei Invalidität des Kindes wirklich nur, wenn diese aus einem Unfall resultiert

Eine Unfallversicherung wird in der Regel nur dann zahlen, wenn die Beeinträchtigung des Kindes tatsächlich aus einem Unfall resultiert. Hingegen ist mit einer Invaliditätsversicherung die Ursache für die Behinderung kein ausschlaggebender Punkt. Sobald das Versorgungsamt eine Invalidität von 50% feststellt, erhält das Kind bei den besten Anbietern eine monatliche Rente von bis zu 1.000 Euro zugesprochen. Die Stiftung Warentest schlussfolgert: „eine Invaliditätsversicherung ist besser als eine Unfallversicherung.“

Abweichend argumentiert der Bund der Versicherten BdV, dass eine Invaliditätsversicherung vor allem als Ergänzung zu einer Unfallpolice in Betracht zu ziehen ist. Was dem Verbraucherverband Kopfzerbrechen bereitet, ist die große Undurchsichtigkeit der Verträge: Viele mögliche Gründe für die Invalidität eines Kindes werden von vornherein ausgeschlossen.

Kinderinvaliditätsversicherung: Auf Ausschlusskriterien achten!

Und tatsächlich: Wer ein Blick in die Policen wirft, wird feststellen, dass die Versicherer mit Ausschlüssen nicht geizen. Das erste Lebensjahr des Kindes ist oft gar nicht oder nur teilweise versicherbar. Barmenia und Deutscher Ring bieten den frühesten Beginn an, sie versichern Kinder ab der sechsten bzw. siebten Lebenswoche.

Ein Großteil der Versicherer schließt außerdem Neurosen, Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen aus. Jedoch zählen Störungen der geistigen Entwicklung zu den häufigsten Ursachen für Behinderungen im Kindes- und Jugendalter. Würde beispielsweise eine Essstörung oder Autismus zu einer Invalidität führen, würden viele Versicherungen keinerlei Leistung erbringen. An dieser Stelle haben die Policen deutliche Lücken.

Folglich empfiehlt Thorsten Rudnik vom Bund der Versicherten gegenüber der Tageszeitung Die Welt, Verträge genau nach ihren Ausschlusskriterien unter die Lupe zu nehmen. „Wichtig ist, dass die Bedingungen transparent sind – und nicht allzuviele Ausschlüsse enthalten.“ Zugleich gilt die Faustregel: je niedriger der geforderte Schweregrad der Behinderung ist, ab dem die Versicherung bereit ist zu zahlen, desto besser für das Kind. Denn schon eine Invalidität von 30 bis 40 Prozent kann bei Kindern zu starken Einschränkungen und Entwicklungsstörungen führen. Gänzlich abzuraten ist von Verträgen, bei denen der Anbieter erst ab einem höheren Invaliditätsgrad als 50 Prozent zahlt.

Pflegelücke bei Kindern geringer als bei Erwachsenen

Ein weiterer Umstand trägt dazu bei, dass Kinderinvaliditätspolicen von einigen Experten eher als Ergänzungsangebot empfohlen werden. Denn behinderten Kindern greift der Staat stärker unter die Arme als Erwachsenen. Eine Sprachtherapie wird ebenso erstattet wie eine heilpädagogische Förderung bei psychologischen Auffälligkeiten, etwa eine Reit-Therapie auf einem Bauernhof. Das Kindergeld für behinderte Kinder wird sogar über das 25. Lebensjahr hinaus gezahlt.

Doch auch hier ist die Tendenz zu beobachten, dass staatliche Leistungen immer mehr beschnitten werden. Für Schlagzeilen sorgte beispielsweise der Tatbestand, dass die gesetzlichen Krankenkassen im Jahr 2010 ein Drittel aller Anträge auf "Mutter-Kind-Kuren" abwiesen - obwohl ihre positive Langzeitwirkung bestätigt ist. Diese Angebote sollen es jungen Müttern nach einer Geburt ermöglichen, den psychischen Druck der Mutterschaft besser verarbeiten zu lernen. Gerade im Bereich psychologischer Betreuung, wo der Nutzen einer Therapie nicht unmittelbar nachweisbar ist, streichen Staat und Krankenkassen nützliche Genesungsmaßnahmen zunehmend aus ihrem Katalog.

Einmalzahlung für behindertengerechten Umbau bei behindertengerechten Umbau Invalidität möglich

Die höhere Absicherung der Kinderinvalidität durch die staatliche Hand spricht somit nicht automatisch gegen den Abschluss einer privaten Police, denn auch bei der Kinderfürsorge bestehen Versorgungslücken. So zahlen die Pflegekassen für den behindertengerechten Umbau einer Wohnung höchstens 2557 Euro, was nur einen Bruchteil der Kosten deckt – allein der Einbau eines Treppenliftes für Rollstuhlfahrer kostet zwischen 8.000 und 20.000 Euro. Für solche Aufwendungen bieten manche Kinderpolicen die Option, zusätzlich zu der monatlichen Rente eine Einmalzahlung von 100.000 bis 200.000 Euro zu vereinbaren. Das Geld kann dann für die behindertenfreundliche Umgestaltung der eigenen vier Wände genutzt werden.

Jedoch verweist der Bund der Versicherten auf seiner Homepage darauf, dass öffentliche Hilfen für behinderte Kinder gekürzt werden können, wenn die Familie über ausreichend Einkommen und Vermögen verfügt. Mit anderen Worten: das Kind bekommt möglicherweise weniger staatliches Geld, wenn die Eltern eine private Police abgeschlossen haben. Deshalb sollte die vereinbarte Rente deutlich über der derzeitigen staatlichen Grundsicherung von 400 Euro liegen, damit sich der Abschluss einer Invaliditätsversicherung für Kinder überhaupt lohnt.

Wann sollte man eine Kinderinvaliditätsversicherung abschließen: Je früher, desto besser!

Dass eine Kinderinvaliditätsversicherung eine empfehlenswerte Police ist, daran lassen auch Skeptiker wenig Zweifel. „Eine Kinderinvaliditätsversicherung ist grundsätzlich immer sinnvoll“, erklärte Thorsten Rudnik vom Bund der Versicherten gegenüber der Welt. Da verwundert es, dass es sich noch immer um ein Nischenprodukt handelt – nur ungefähr 200.000 Eltern haben derzeit einen Vertrag abgeschlossen.

Die Verbraucherverbände führen das Randdasein der Kinderpolicen auch auf die undurchsichtige Gestaltung der Verträge zurück. „Wenn die Versicherer faire Angebote machten, wäre hier ein Riesenmarkt für sie. Immerhin gibt es derzeit mehr als 13 Millionen Kinder unter 16 Jahren“, erklärte Lilo Bunck, ehemalige Vorstandsvorsitzende des BDV. Die Anbieter verweisen hingegen auf das fehlende Bewusstsein für die Invaliditätsvorsorge in der Bevölkerung – sei dies doch ein Thema, dass viele Versicherungsnehmer gern von sich schieben.

Eltern, die für ihr Kind einen solchen Vertrag zeichnen wollen, sollten dies so zeitig wie möglich tun. Denn beim Ausschluss von Vorerkrankungen sind die Anbieter ebenfalls wenig zimperlich: einmal bekannte Krankheiten können innerhalb vieler Verträge nicht mehr versichert werden. Ist die Vorerkrankung dann Ursache für die Invalidität des Kindes, muss die Versicherung nicht zahlen.

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Bevor sich Eltern über den Versicherungsschutz des Nachwuchses Gedanken machen, sollten sie ihre eigene Absicherung überprüfen. Denn der erste Schritt zur Absicherung des Kindes ist der optimale Schutz für die Eltern.

Ute Bachmann/Mirko Wenig

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