Einfachheit ist der neue Trumpf. Die "Ergo-Versicherungsgruppe" nutzt für ihre aktuelle Fernsehkampagne sehr bewusst den Ruf der Versicherungen, Verträge undurchsichtig und schwer verständlich zu gestalten, um somit indirekt dieses Vorurteil zu bestätigen. “Die Menschen wollen versichert werden. Und nicht verunsichert”, so der Slogan, der implizit nahelegt, ein Großteil der Versicherungspraxis hätte bisher hauptsächlich in einer Verunsicherung der Versicherungsnehmer bestanden: und die Konkurrenz sei nach wie vor mit diesem zweifelhaften Geschäft beschäftigt. Dazu laufen Menschen durch das Bild, die hinsichtlich ihres Weltbildes eine bemerkenswerte Naivität („Graue Herren“) zur Schau stellen.

Auch die „Schwere-Krankheiten-Versicherungen“ werden mit der Einfachheit ihrer Bedingungen beworben. Die Anbieter dieser in Deutschland relativ neuen Policen nennen als ein wichtiges Argument, dass die Vertragsbedingungen leicht verständlich und transparent seien: der Versicherungsnehmer ist gegen bis zu 46 Krankheiten abgesichert, als Nachweis für den Erhalt der Versicherungssumme in Form einer Einmalzahlung sei lediglich der Beleg eines Facharztes über den Eintritt des Krankheitsfalls notwendig. Die Vorteile scheinen auf der Hand zu liegen: keine langwierige Prüfung, ob ein Versicherungsnehmer tatsächlich berufsunfähig ist oder nicht! Keine langwierigen Rechtsstreitigkeiten sind zu erwarten! Der Marktführer „Canada Life“ verspricht folglich auf seiner Webseite eine „schnelle und unbürokratische Hilfe“.

Dread Disease – gegen Erkrankungen rundum abgesichert?

Und doch muss diese scheinbare Genauigkeit der Vertragsbedingungen nicht zwangsläufig hilfreich sein. Sowohl der Versicherungsmakler als auch der Kunde sieht sich schnell mit der Tatsache konfrontiert, dass im Anhang der Vereinbarungen sehr genau festgelegt ist, wann eine Versicherung im Krankheitsfall zu zahlen hat – und wann nicht. Keineswegs leicht verständlich, sondern mit genauen medizinischen Definitionen der Krankheitsbilder, für einen Laien oft nicht verstehbar. So bieten die Versicherungen beispielsweise eine allgemeine Absicherung gegen einen Herzinfarkt an: die Sonderform der Angina Pectoris ist jedoch vom Versicherungsschutz in fast allen Policen ausgeschlossen. Weiß ein Patient jedoch, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, an einem derartigen Leiden zu erkranken? Eine Angina Pectoris ist durchaus keine Seltenheit: im Jahr 2005 wurden deutschlandweit 316.000 Patienten mit einer derartigen Diagnose in die Krankenhäuser eingeliefert (Quelle: Ärztezeitung vom 02. August 2007, S.9).

Ein weiteres Beispiel sind Krebserkrankungen. Zwar bieten fast alle Versicherungen im Rahmen einer Schweren-Krankheiten-Versicherung eine Absicherung gegen Krebs an, bestimmte Formen sind jedoch auch hier ausgeschlossen. So bestehen beispielsweise bei der Risikoabsicherung der „Gothaer Perikon“ keine Ansprüche, wenn der Versicherte an einem Tumor der Hirnanhangsdrüse, der sogenannten Hypophyse, erkrankt ist. Mit jährlich 3-4 Erkrankungen pro 100.000 Einwohnern zählt jedoch ein derartiges Geschwür zu den häufigsten Hirntumoren und kann schwere Beschwerden wie anhaltende Kopfschmerzen oder Störungen der Hormonproduktion zur Folge haben, so dass eine operative Entfernung des Geschwürs notwendig wird. Auch können bei einem operativen Eingriff jene Hirnstrukturen in Mitleidenschaft gezogen werden, die sich um den Tumor herum befinden bzw. auf dem operativen Zugangsweg liegen: Schädigungen aufgrund eines derartigen Eingriffs sind jedoch nicht mitversichert. Andere Versicherer haben ähnliche Ausschlussbedingungen in ihren Verträgen formuliert.

Dies sind nur zwei Beispiele aus Dread-Disease-Versicherungsbedingungen, die zeigen, wie schwierig es für einen Versicherungsnehmer sein kann, die tatsächlich abgesicherten Leistungen einer solchen Police zu erkennen. Auch für Makler sind derartige Fakten relevant, haften sie doch für die vermittelten Verträge: oder wissen Sie etwa, was eine „Zervixdysplasie“ ist? Was es bedeutet, dass bei einer Erkrankung des Herzmuskels die Auswurffraktion des Herzens mindestens drei Monate lang unter 30 Prozent liegen muss, um die Versicherungssumme ausgezahlt zu bekommen? Welche Konsequenz es hat, dass Granulomene vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind? Zur Not fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker!


Mirko Wenig