Die betriebliche Altersversorgung (bAV) ist für viele Beschäftigte ein zentrales Element der finanziellen Sicherheit im Alter. Für Unternehmen ist sie ein wichtiger Baustein der Personalbindung. Rund 55 Prozent der 35 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten verfügen inzwischen über eine bAV oder Betriebsrente. Doch für die Arbeitgeberseite können die damit verbundenen Pensionsverpflichtungen zum finanziellen Risiko werden, wie aktuelle wirtschaftliche Entwicklungen erneut zeigen.

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Die Rahmenbedingungen im Zinsmarkt haben sich seit 2023 spürbar verändert. Zwar wirken Zinssenkungen der EZB für Verbraucher oft entlastend, doch für Unternehmen mit Pensionszusagen bedeuten sie eine gegenteilige Belastung. „Seit Herbst 2023 hat die EZB die Leitzinsen gesenkt. Für Unternehmen ist das von großer Bedeutung, da diese Entwicklung für sie wirtschaftlich von Nachteil sein kann“, erklärt Alexander von Saenger, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Schultze & Braun. Der Grund: Sinkende Zinsen führen dazu, dass künftige Pensionsverpflichtungen mit einem niedrigeren Rechnungszins abgezinst werden müssen. Dadurch steigt der Rückstellungsbedarf.

Da der maßgebliche Rechnungszins auf dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre basiert, wirkt der kurze Zeitraum höherer Zinsen seit 2022 nur schwach. Der lange dominierende Niedrigzins bleibt weiterhin ausschlaggebend. Unternehmen müssen daher heute deutlich mehr Geld zurückstellen, um die zugesagten Betriebsrenten abzusichern. Für viele Mittelständler wird das zur ernsten Belastungsprobe, insbesondere in einer ohnehin volatilen wirtschaftlichen Lage.

Wie dramatisch der Effekt im Einzelfall ausfallen kann, zeigt das bekannte Beispiel des Modelleisenbahn-Herstellers Fleischmann. Dort geriet das Unternehmen 2015 in eine finanzielle Schieflage, weil die Pensionslasten für mehr als 600 ehemalige Mitarbeiter durch nur 33 aktive Beschäftigte nicht mehr erwirtschaftet werden konnten. Letztlich musste ein Insolvenzantrag gestellt werden. Ein wichtiger Bestandteil der Sanierung war, dass der Pensions-Sicherungs-Verein auf einen Großteil seiner Forderungen verzichtete und die Pensionsverpflichtungen für die ehemaligen Mitarbeiter übernahm.

Solche Fälle bleiben keine Einzelfälle aus fernen Zeiten. Von Saenger warnt ausdrücklich vor neuen Risiken in der Gegenwart: Muss ein Unternehmen aufgrund gesunkener Zinsen plötzlich zehn- oder hunderttausende Euro zusätzlich für Pensionsrückstellungen bereitstellen, kann dies die Liquidität unmittelbar überfordern. „Im Fall der Fälle können die Pensionsrückstellungen sogar zu einer bilanziellen Überschuldung des Unternehmens führen. Da die Insolvenzantragspflicht seit dem Jahresbeginn 2024 wieder voll greift, ist die Geschäftsleitung dann verpflichtet, innerhalb der gesetzlichen Fristen einen Insolvenzantrag zu stellen“, sagt von Saenger.

Gerade Unternehmen mit jahrzehntelangen Versorgungssystemen sollten laut von Saenger ihre Strukturen regelmäßig überprüfen. Denn nicht nur der Zinsdruck, sondern auch demografische Verschiebungen können das System ins Wanken bringen. „Bei den Pensionsverpflichtungen gilt die Devise: Je früher eine Schieflage erkannt wird, desto größer sind die Chancen, eine Lösung zu finden“, fasst der Arbeitsrechtler zusammen.