Der Handelsvertreterausgleichsanspruch nach § 89b HGB schützt Handelsvertreter bei Vertragsbeendigung und stellt sicher, dass ihre Verdienste an dauerhaft gewonnenen Kunden honoriert werden. Auch im Fall einer krankheitsbedingten Eigenkündigung bleibt der Anspruch unter bestimmten Voraussetzungen erhalten.

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Der Handelsvertreterausgleichsanspruch ist bekanntlich zentrales Instrument des deutschen Handelsvertreterrechts und kommt immer dann ins Spiel, wenn die Zusammenarbeit zwischen Handelsvertreter und Unternehmen endet. Damit trägt das Handelsgesetzbuch (HGB) insbesondere dem Umstand Rechnung, dass der Handelsvertreter häufig maßgeblich zum Aufbau und zur Festigung eines Kundenstamms beiträgt, welcher dem Unternehmen auch nach Vertragsende weiterhin zugutekommt. Im Recht der Handelsvertreter nimmt der Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB eine Schlüsselrolle ein. Anders als das allgemeine Kündigungsschutzrecht verfolgt der Ausgleich nicht den Zweck, das Arbeitsverhältnis zu erhalten, sondern sorgt dafür, dass dem Handelsvertreter eine angemessene Kompensation für seine Leistungen und Investitionen zusteht. Insbesondere ist die Akquise neuer Kunden, deren Bindung an das Unternehmen oft auf den besonderen Einsatz und die unternehmerische Initiative des Vertreters zurückzuführen ist, hier von zentraler Bedeutung. Das Unternehmen profitiert in der Regel auch nach Ende des Vertrags noch von den aufgebauten Kundenbeziehungen – dieser Vorteil wird durch den Ausgleichsanspruch sachgerecht berücksichtigt.

In der Praxis ist das Handelsvertreterverhältnis in vielen Branchen, etwa im Versicherungs-, Automobil- oder Konsumgütervertrieb, weit verbreitet und ein essentieller Bestandteil der Vertriebsstrategie zahlreicher Unternehmen. „Das Handelsvertreterverhältnis ist gesetzlich als selbstständige Tätigkeit konzipiert, bei der der Handelsvertreter nicht als Arbeitnehmer, sondern eigenständig für einen Unternehmer tätig wird. Zu den Hauptpflichten des Handelsvertreters zählen insbesondere die sorgfältige Vermittlung und gegebenenfalls der Abschluss von Geschäften im Namen des Unternehmers. Der Unternehmer ist wiederum verpflichtet, dem Handelsvertreter sämtliche erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen und ihm für vermittelte Geschäfte die vertraglich vereinbarte Provision zu zahlen“, erklärt Dr. Tim Banerjee, Rechtsanwalt und Partner der wirtschafts- und vertriebsrechtlich ausgerichteten Kanzlei Banerjee & Kollegen in Mönchengladbach.

Kommt es zur Beendigung des Handelsvertretervertrags, hat der Handelsvertreter unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf einen finanziellen Ausgleich für seine geleistete Arbeit und den aufgebauten Kundenstamm. Das Unternehmen muss auch nach Vertragsbeendigung weiterhin erhebliche Vorteile aus den durch den Handelsvertreter neugewonnenen oder intensiv betreuten Kundenbeziehungen ziehen. Der Handelsvertreter verliert durch die Beendigung Ansprüche auf Provisionen, die bei Fortführung des Vertrags angefallen wären. Die Zahlung des Ausgleichs muss zudem unter Berücksichtigung aller Umstände der Billigkeit entsprechen. „Diese Grundprinzipien wurden im Laufe der Jahre in Rechtsprechung und Literatur weiter präzisiert und unterliegen stetiger Fortentwicklung. Die Höhe des Ausgleichsanspruchs ist an den Vorteil des Unternehmers geknüpft und wird regelmäßig in Relation zu den vom Handelsvertreter betreuten Kundenbeziehungen berechnet“, sagt Dr. Tim Banerjee.

Ein besonders sensibler Regelungsbereich ergibt sich beim Ausscheiden des Handelsvertreters durch eigene Kündigung infolge von Krankheit oder dauerhafter Arbeitsunfähigkeit. Grundsätzlich entfällt gemäß § 89b Abs. 3 Nr. 1 HGB der Ausgleichsanspruch, wenn der Handelsvertreter selbst das Vertragsverhältnis beendet. Von diesem Grundsatz gibt es jedoch bedeutsame Ausnahmen: So sieht § 89b Abs. 3 Nr. 2 HGB ausdrücklich vor, dass der Anspruch auf Ausgleich bestehen bleibt, wenn dem Handelsvertreter „eine Fortsetzung seiner Tätigkeit wegen seines Alters oder wegen Krankheit nicht zugemutet werden kann“. Das bedeutet konkret, dass eine Eigenkündigung aufgrund gesundheitlicher Gründe nicht zum Verlust des Ausgleichsanspruchs führt. Entscheidend ist, dass die Ursache für die Kündigung außerhalb des Verantwortungsbereichs des Handelsvertreters liegt und eine Weiterarbeit nach objektiven Maßstäben unzumutbar wäre. Die Rechtsprechung stellt dabei nicht überhöhte Anforderungen an den Nachweis der Unzumutbarkeit – oftmals genügt ein ärztlich attestierter Nachweis über die dauerhafte Arbeitsunfähigkeit oder eine schwere Erkrankung.

Der Handelsvertreterausgleichsanspruch ist Dr. Tim Banerjee zufolge ein Herzstück des Schutzmechanismus für Handelsvertreter im Rahmen handelsrechtlicher Vertriebsstrukturen. Er stellt sicher, dass der Wert, den der Vertreter durch seine Tätigkeit geschaffen hat, nicht vollständig dem Unternehmer zugutekommt, sondern angemessen kompensiert wird. Besonders im Fall der Eigenkündigung aus Krankheitsgründen unterstreicht das Gesetz den sozialen Fairnessgedanken und schützt die berechtigten Interessen des Vertreters auch in schwierigen Lebenslagen. Für Unternehmen empfiehlt es sich, diese Rechtslage bei der Vertragsgestaltung und Beendigung von Handelsvertreterverhältnissen stets zu beachten.