Allianz-Vorstand warnt: Pflichtversicherung ohne Prävention ist keine Lösung
Es bedarf einer umfassenden Präventionsstrategie statt einer alleinigen Pflichtversicherung gegen Naturgefahren. Klaus-Peter Röhler von der Allianz SE warnt vor den Folgen einen verpflichtenden Schutz ohne begleitende Präventionsmaßnahmen einzuführen. Stattdessen fordert er ein dreisäuliges Konzept, das Versicherbarkeit und Bezahlbarkeit auch in Zeiten des Klimawandels sichern kann. Dabei sei der Staat besonders bei Prävention und Infrastruktur gefordert.

Die zunehmende Häufigkeit und Intensität von Naturkatastrophen stellt die Versicherungsbranche vor enorme Herausforderungen. Der Klimawandel verändert die Risikolandschaft rasant. Einhergehend damit stellt sich auch die Frage, wie sich Wetterextreme überhaupt noch versichern lassen. Vor diesem Hintergrund diskutiert Deutschland derzeit über die Einführung einer Pflichtversicherung gegen Elementarschäden. Doch Klaus-Peter Röhler, Mitglied des Vorstands der Allianz SE, warnt in einem Interview auf der Homepage des Versicherers eindringlich vor den Risiken eines solchen Alleingangs.
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„Eine isolierte Pflichtversicherung ist keine Lösung. Sie adressiert nicht die Ursache der steigenden Belastungen, sondern verteilt sie lediglich um“, mahnt Röhler. Dadurch würden die Beiträge jedoch nicht senken, sondern lediglich mit den wachsenden Schäden Schritt halten. Ein weiteres Problem: Ohne risikoorientierte Bepreisung würden Anreize für Prävention verloren gehen und das hätte zur Folge, dass sich die Grenzen der Versicherbarkeit nicht etwa erweitern, sondern noch schneller erreichen lassen.
Stattdessen plädiert Röhler für ein umfassendes dreisäuliges Gesamtkonzept, das auf einem Zusammenspiel von Prävention, marktwirtschaftlicher Risikobepreisung und einem klar definierten staatlichen Rückhalt basiert. In der ersten Säule fordert der Allianz-Vorstand eine konsequente Ausrichtung auf Risikovorsorge, effektive Prävention und klimafolgenangepasstes Bauen. Öffentliche und private Investitionen in Schutzinfrastrukturen seien dabei ebenso notwendig wie gezielte Maßnahmen der Versicherten selbst.
Die zweite Säule betrifft das Versicherungsgeschäft selbst: Versicherer müssten weiterhin individuelle Risiken bewerten und bepreisen dürfen. „Prämien, die das individuelle Risiko widerspiegeln, belohnen wirksame Prävention und vermeiden Fehlanreize.“ Subventionierte Einheitslösungen hingegen gefährdeten das Gleichgewicht zwischen Risiko und Prämie und damit das gesamte Versicherungssystem.
Die dritte Säule sieht einen staatlichen Rückhalt für seltene, extreme Schadenereignisse vor. Dies gelte etwa bei 200-Jahres-Fluten. Hier könne ein staatlicher „Stop-Loss“-Mechanismus helfen, die Volatilität im Markt abzufedern, ohne den Wettbewerb zu verzerren. „Wichtig ist ein Design, das private Kapazitäten ergänzt statt ersetzt“, betont Röhler. Nur so könne das System auch in Extremjahren stabil bleiben, ohne seine marktwirtschaftliche Dynamik zu verlieren.
Doch wie kann Prävention konkret funktionieren? Röhler verweist auf das dramatisch langsame Tempo beim Hochwasserschutz in Deutschland: Nur fünf Prozent der seit 2013 geplanten Projekte seien abgeschlossen, rund 80 Prozent noch nicht einmal gestartet. Bleibe es bei diesem Tempo, würde der Plan frühestens in 100 Jahren vollständig umgesetzt. Dabei gäbe es genügend Mittel: Der Bund hat ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro zur Stärkung der Infrastruktur aufgelegt. Davon müsse mehr in Prävention und insbesondere in den Hochwasserschutz fließen. Die ökonomische Effizienz spreche ebenfalls für Prävention: Denn jeder investierte Euro spare vier bis zehn Euro an Wiederaufbaukosten.
Neben staatlichen Großprojekten braucht es laut Röhler auch klare Leitplanken für private Haushalte. Der Klimaschutz müsse verbindlich im Baurecht verankert werden. Hierzu müssten etwa Bauverbote in Hochrisikozonen und verpflichtende Klimarisikobewertungen für jede Baugenehmigung geschaffen werden. Zudem seien gezielte Förderprogramme nötig, um Eigentümer beim präventionsgerechten Bauen zu unterstützen, etwa beim Austausch von Ölheizungen in überschwemmungsgefährdeten Gebieten.
Ein weiteres zentrales Instrument könnte ein nationales Präventionsregister sein. Es soll transparent machen, welche Schutzmaßnahmen wo geplant sind, in welchem Umsetzungsstadium sie sich befinden und bis wann die Fertigstellung vorgesehen ist. Dies ermögliche nicht nur mehr Bürgerbeteiligung, sondern auch eine bessere Integration aktueller Risikodaten in die Bewertung durch Versicherer.
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