Versicherungslücken in KMU: Wissensdefizite und unzureichende Policen im Fokus
Viele kleine Unternehmen und Selbstständigen in Deutschland sind nur unzureichend gegen existenzielle Risiken abgesichert. Vor allem Wissenslücken, falsche Einschätzungen und veraltete Versicherungssummen treiben die Unterversicherung.

Selbstständige und kleine Betriebe sind das Fundament der deutschen Wirtschaft. Dennoch sind rund 70 Prozent der kleinen Unternehmen in Deutschland unterversichert. Also fehlt in sieben von zehn Betrieben entweder eine elementare Versicherung vollständig oder die vorhandene Police deckt zentrale Geschäftsrisiken nicht ab. Das geht aus dem aktuellen Hiscox Global Protection Gap Report hervor.
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Ein zentrales Problem ist das mangelnde Wissen über die Abdeckung der Versicherungen. Nur 16 Prozent wissen genau, was ihre Berufshaftpflicht abdeckt. Bei der Betriebshaftpflicht sind es 36 Prozent und bei Cyberversicherungen gerade einmal 21 Prozent. Damit fehlt nicht nur die Absicherung. Es fehlt das grundlegende Wissen, was abgesichert werden müsste und wie Policen im Ernstfall wirken. Dies führt zu Fehlannahmen, etwa der weitverbreiteten Vorstellung, Schutz sei erst ab einer bestimmten Umsatzhöhe nötig.
Tatsächlich glauben 27 Prozent der Befragten, Versicherungsschutz sei erst notwendig, wenn der Jahresgewinn über 100.000 Euro liegt. Weitere 18 Prozent halten ihn erst ab Vollzeittätigkeit im eigenen Betrieb für erforderlich. Die Mehrheit erkennt zwar grundsätzlich die Bedeutung von Absicherung. Doch fast die Hälfte setzt viel zu spät an.
Spannend ist, dass die Risikowahrnehmung im Mittelstand durchaus vorhanden ist. Fast die Hälfte der kleinen Unternehmen in Deutschland (44 Prozent) sieht Cyberangriffe als eine der größten Bedrohungen. Damit ist das Bewusstsein in Deutschland deutlich stärker ausgeprägt als international. Doch folgt aus dieser Erkenntnis nicht automatisch eine Handlung. Denn rund 30 Prozent der Unternehmen ohne Cyberversicherung sind der Meinung, sie seien „zu klein“ für Angriffe. Ein Trugschluss, der die Realität verkennt. Denn gerade kleine Unternehmen werden häufig Opfer, weil Angreifer dort weniger Schutzmechanismen erwarten. Weitere 39 Prozent glauben, ihre IT sei „sicher genug“, 22 Prozent halten Cyberpolicen für zu teuer.
Auch bei klassischen Haftpflichtversicherungen zeigt sich eine deutliche Lücke:
- 27 % haben keine Berufshaftpflicht, obwohl sie diese aufgrund ihrer Tätigkeit benötigen.
- 29 % verfügen trotz Bedarf nicht über eine Betriebshaftpflicht.
Damit wird aus einem vermeintlichen Kostenvorteil im Alltag ein potenzielles Insolvenzrisiko.
Versicherungssummen wachsen nicht mit
Selbst Unternehmen, die über die richtigen Versicherungen verfügen, wiegen sich häufig in trügerischer Sicherheit. Denn viele passen ihre Versicherungssummen nicht an das tatsächliche Wachstum an. Das ist besonders problematisch, weil 72 Prozent der befragten deutschen Unternehmen in den letzten zwei Jahren ihren Umsatz steigern konnten.
Doch statt die Policen regelmäßig zu aktualisieren, lassen viele sie über Jahre unverändert:
- Zwischen 10 und 13 % haben ihre Versicherungssummen seit Abschluss nie geprüft.
- Bei 23 bis 26 % liegt die letzte Anpassung über drei Jahre zurück.
Dadurch entpuppt sich eine vermeintlich ausreichende Versicherung im Schadenfall als unterdimensioniert und kann damit zu einem gravierenden Problem werden. Das gilt insbesondere bei Haftpflicht- und Cyberrisiken, wo Schäden schnell über die Millionenmarke steigen können.
„Nur wer seine Versicherung und den nötigen Bedarf wirklich versteht, kann sein Unternehmen richtig absichern“, warnt Tobias Wenhart, Director Marketing, Product & Digital Channels bei Hiscox. „Mindestens jährlich ist ein strukturierter Policen-Check mit aktualisierten Neuwerten, Index- oder Wertzuschlagsklauseln und ein Blick auf die Betriebsunterbrechung unerlässlich. Der beste Zeitpunkt dafür ist immer vor dem Schaden, nicht danach.“
