Fuhrparkmanagement bedeutet nicht mehr nur die Verwaltung von Fahrzeugen. Unternehmen betrachten Mobilität heute als komplexes Risikomanagement, das über den gesamten Lebenszyklus hinweg gesteuert werden muss: von der Bedarfsplanung über die Nutzung bis zur Ausmusterung. Veränderungen auf Versicherungs- und Reparaturmärkten, strengere Vorschriften, steigende ESG-Anforderungen und die Digitalisierung treiben diese Entwicklungen an. Für Fuhrparkverantwortliche heißt das: der Fokus verschiebt sich vom „Fuhrpark“ zur „Risikoeinheit Mobilität“.

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Strategische Neupositionierung: Vom Fuhrpark zur Risikoeinheit Mobilität

Ein zentraler Indikator für die Rentabilität im Flottensegment ist die Combined Ratio (CR). Sie stellt Schaden- und Kostenaufwand in Relation zu Beitragseinnahmen gegenüber. Er zeigt: Seit Jahren schreibt der Flottenversicherungsmarkt rote Zahlen. Zwischen 2008 und 2024 lagen die CR-Werte überwiegend bei über 100 % - lediglich in den Corona-Jahren war eine kurzzeitige Entspannung zu beobachten.

Daniele Baldino ist Schaden- und Versicherungsexperte mit mehr als 20 Jahren Erfahrung. Seit 2021 ist er Geschäftsführer von Auto Fleet Control (AFC) in Hamburg.Daniele Baldino ist Schaden- und Versicherungsexperte mit mehr als 20 Jahren Erfahrung. Seit 2021 ist er Geschäftsführer von Auto Fleet Control (AFC) in Hamburg.Konkret bedeutet dies, dass Versicherer langfristig mehr Geld für Schäden und Verwaltung ausgeben, als sie durch Prämien einnehmen. Diese strukturellen Verluste im Underwriting setzen den Markt unter Druck, der wiederum in Form steigender Prämien an die Fuhrparks weitergegeben wird. Die Konsequenz für Fuhrparkleiter: pauschale Vollkasko-Deckungen reichen nicht aus. Stattdessen sind aktive Steuerung, Differenzierung und Prävention notwendig, um die Mobilitätskosten zu kontrollieren.

Steuerung statt Pauschallösung: Total Cost of Risk

In Bezug auf die steigende Schadenfrequenz und die Reparaturkosten wird eine differenzierte Steuerung von Versicherungen und Schadenprozessen zum zentralen Faktor für den Erfolg von Fuhrparkleitern. Klassische Kostenbetrachtungen wie die Total Cost of Ownership (TCO) erfassen die tatsächlichen Risiken nicht mehr: die wirtschaftliche Bewertung von Mobilität erfolgt zunehmend mit erweiterter Perspektive. Mit der Kennzahl Total Cost of Risk (TCoR) als strategischem Steuerungsinstrument werden alle relevanten Faktoren bedacht: der Gesamtschadenaufwand - also Versicherungsprämien, Eigentragungskosten aus Reparaturaufwand und Selbstbehalte -, Prozesskosten für Schadenaufnahme, Gutachten und Werkstattsteuerung sowie Opportunitätskosten durch Ausfallzeiten und Arbeitsschutz. Durch diese ganzheitliche Betrachtung entsteht Transparenz, die es ermöglicht, das Gesamtrisiko präzise zu steuern und die Profitabilität der Flottenversicherung zu verbessern.

Die Preisrealität auf Schadenmärkten

Die Kostenentwicklung auf Schadenmärkten wirkt wie ein Schock: Ersatzteilpreise steigen oft schneller als die allgemeine Inflation, einzelne Karosserieteile sogar zweistellig pro Jahr. Für die Flottensteuerung bedeutet dies, dass die klassischen, rein vergangenheitsbasierten Durchschnittsschadenswerte ohne Inflationsanpassung systematisch zu niedrig sind. Daher müssen aktuarielle Modelle Preisentwicklungen und Reparaturkostenindizes einbeziehen, um Rücklagen realistisch zu kalkulieren und unvorhersehbare Preisanstiege auffangen zu können.

Eine strategische Schadensteuerung kann vorbeugen: Glas-, Park- und Bagatellschäden werden in standardisierte, kosteneffiziente Prozesse überführt – mit klar gesteuerter Werkstattwahl, digitaler Freigabe durch Gutachter und verbindlichen Qualitätsstandards. Gleichzeitig bleiben Schäden mit hoher Kostenunsicherheit – wie Elementarschäden, Großschäden und Personenschäden – versichert. Zudem ermöglicht die Analyse von Schadendaten präventive Maßnahmen, um Schadenhäufigkeiten zu senken.

Diese Trennung ermöglicht es, Versicherungsprämien zu stabilisieren bzw. zu reduzieren, die Schadenquote durch präventive Maßnahmen zu senken, Opportunitätskosten durch Ausfallzeiten zu reduzieren und den Arbeitsschutz zu erhöhen und die Gesamtrisikosituation besser planbar zu machen. Empirische Erfahrungen zeigen Einsparpotentiale bei Schadenkosten je nach Flottengröße und Prozessreife von bis zu 30 %, wenn Schaden- und Risikomanagement systematisch kombiniert werden.

Vertikales Schadenmanagement als Erfolgsfaktor

Die Profitabilität der Flottenversicherung entsteht nicht allein durch effizientes Schadenmanagement. Häufige, vorhersehbare Schäden lassen sich aus der Vollkasko auslagern, sofern die Prozesse klar strukturiert sind: Digitale Schadenaufnahme, schnelle Freigabe, vertraglich gebundenes Werkstattnetz sowie konsequent qualitätsgesicherte Instandsetzung.

Wichtige Kennzahlen wie die Schadenbearbeitungsdauer, die Reparaturdurchlaufzeit oder die Reklamationsquote werden zu entscheidenden Steuerungsinstrumenten. Digitale Governance-Tools – etwa RACI-Matrizen, Eskalationspfade, standardisierte Datenschnittstellen und eine digitale Schadenakte - erhöhen Transparenz, beschleunigen Entscheidungen und verbessern die Verhandlungsposition gegenüber Versicherern und Leasinggebern.

Digitalisierung als zentrale Steuerungsebene

Digitale Tools verknüpfen Fahrzeug-, Fahrer- und Einsatzdaten in einer konsistenten Datenarchitektur und schaffen die Grundlage für ein neues Steuerungsniveau: Echtzeit- Transparenz, automatisierte Prozesse und KI-gestützte Entscheidungen. Die Nutzung dieser Datenquellen ermöglicht:

  • Ein Echtzeit-Lagebild der gesamten Flotte
  • Den Wechsel vom reaktiven Incident- Handling zum proaktiven Steuerungsmodus
  • KI-gestützte Schadenaufnahme und -kalkulation zur Vermeidung von Claims Leakage und Betrugsversuchen

Statt manueller Meldung ohne belastbare Aufwandseinschätzung erfolgt die Schadenaufnahme automatisiert. Bereits beim Eingang wird ein verbindlicher Kostenvoranschlag erstellt, ein Werkstatttermin koordiniert und die Regulierung synchron zur Aufwandseinschätzung angestoßen – alles in wenigen Minuten.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Durch die automatisierte Schadenaufnahme mit einem verbindlichen Kostenvoranschlag wird der gesamte Prozess erheblich vereinfacht. Gleichzeitig ermöglicht die synchronisierte Regulierung, dass Aufwandseinschätzung und Werkstatttermin parallel ablaufen. Dies sorgt für maximale Transparenz und Geschwindigkeit. Darüber hinaus trägt der Einsatz von Künstlicher Intelligenz zur Vermeidung von Claims Leakage und Betrugsversuchen bei. Insgesamt führt diese Kombination zu einer Reduktion der Prozesskosten um bis zu 75 Prozent.

Parallel dazu dient das digitale Dashboard als zentrale Steuerungsinstanz: Es dokumentiert Historien, visualisiert KPIs wie Schadenhäufigkeiten, Reparaturzeiten oder saisonale Schwankungen.

Fazit: Mobilität als steuerbares Risiko

Für Fuhrparkleiter liegt der Schlüssel in präziser Steuerung statt pauschaler Versicherungen. Wer Mobilität als strategisches Risikoportfolio versteht, kann Kosten aktiv beeinflussen – und aus dem Fuhrpark einen echten Erfolgsfaktor machen. Entscheidend sind dabei aktuarielles Denken, eine digitale Steuerung und eine rechtssichere Organisation. Die Kombination dieser drei Elemente macht den Fuhrpark steuerbar und wertschöpfend.