Die Lebensversicherung bleibt unter Druck – auch im Jahr 2024. Zwar zeigte sich die deutsche Konjunktur etwas stabiler als im Vorjahr, doch die allgemeine Unsicherheit blieb hoch. Viele Haushalte sahen sich mit steigenden Lebenshaltungskosten konfrontiert, zugleich schränkten höhere Sozialabgaben den finanziellen Spielraum weiter ein.

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In diesem Umfeld rückte private Altersvorsorge für viele Menschen in den Hintergrund – nicht nur aus finanziellen Gründen, sondern auch wegen politischer Signale, die den Handlungsdruck mindern. MAP-Chefredakteur Reinhard Klages erinnert im Bilanzrating Lebensversicherung 2024 an die Wirkung vertrauter Formeln wie „Die gesetzliche Rente ist sicher“ oder „Der Staat wird es schon richten“. Solche Botschaften mögen beruhigend wirken, verschleiern jedoch die demografischen Realitäten und suggerieren eine Sicherheit, die es längst nicht mehr gibt. „Das lenkt davon ab, dass umlage- und schuldenbasierte Systeme an Grenzen stoßen“, warnt Klages.

Einmalbeiträge treiben das Neugeschäft – Verträge weiter rückläufig

Das Neugeschäft der Lebensversicherer blieb 2024 von gegensätzlichen Trends geprägt. Besonders deutlich zeigt sich das bei den neu abgeschlossenen Hauptversicherungen: Ihre Zahl sank um 3,47 Prozent auf knapp 4,27 Millionen Verträge – ein Rückgang von über 153.000 Policen im Vergleich zum Vorjahr. Die Versicherungssumme dieser Verträge konnte dagegen leicht zulegen und stieg um 0,44 Prozent auf 267,4 Milliarden Euro. Das unterstreicht: Auch wenn die Zahl der Neuabschlüsse schrumpft, erzielen einzelne Verträge offenbar weiterhin hohe Summen – etwa im Bereich betrieblicher Altersvorsorge oder Einmalanlagen.

Ein Blick auf die Beitragssummen bestätigt dieses Bild. Über alle Vertragsarten hinweg – also inklusive der Zusatzversicherungen – stiegen die laufenden Neugeschäftsbeiträge 2024 um 2,2 Prozent auf rund 4,08 Milliarden Euro. Noch stärker fiel das Wachstum bei den Einmalbeiträgen aus: Sie erhöhten sich im Neugeschäft um 5,47 Prozent auf 18,33 Milliarden Euro – ein Wert, der mehr als viermal so hoch ist wie die laufenden Beiträge. Diese Zahlen verdeutlichen nicht nur die weiterhin hohe Bedeutung der Einmalbeiträge für das Neugeschäft, sondern auch deren wachsendes Gewicht im Produktmix.

Vor diesem Hintergrund überrascht es kaum, dass auch das Annual Premium Equivalent (APE) zulegen konnte. Die Kennzahl kombiniert die laufenden Beiträge mit einem Zehntel der Einmalbeiträge und soll so unterschiedliche Geschäftsmodelle vergleichbar machen. 2024 stieg das APE um 5,5 Prozent auf 9,2 Milliarden Euro. Dieser Zuwachs signalisiert auf den ersten Blick eine moderate Erholung – beruht jedoch fast vollständig auf dem wiedererstarkten Einmalgeschäft. Denn auch wenn rechnerisch nur ein Zehntel der Einmalbeiträge in das APE einfließt, wirkt dieser Anteil deutlich: Ein Zehntel von 18,33 Milliarden Euro ergibt rund 1,83 Milliarden Euro – das entspricht knapp der Hälfte der gesamten laufenden Neugeschäftsbeiträge. Schon ein begrenztes Wachstum bei den Einmalbeiträgen genügt also, um die Kennzahl spürbar nach oben zu bewegen – auch dann, wenn gleichzeitig die Zahl der Verträge zurückgeht.

Die hohe Bedeutung des Einmalgeschäfts verweist zudem auf einen strukturellen Trend im Vertrieb: Ein wachsender Teil des Neugeschäfts wird über Banken und Sparkassen vermittelt – insbesondere in Form kurzfristiger Kapitalanlagen. Solche Verträge reagieren stark auf Zins- und Liquiditätsüberlegungen und weisen meist geringere Bindungsdauern auf als klassische Vorsorgeprodukte. Das macht das Einmalbeitragsgeschäft zwar volumenstark, aber auch anfällig für Schwankungen.

Rückblick 2019 bis 2024: Die längerfristige Entwicklung

Ein Blick auf die Geschäftsentwicklung seit 2019 zeigt, wie stark sich die Rahmenbedingungen für die Lebensversicherung verändert haben. Damals – im letzten Vor-Corona-Jahr – herrschten Null- und Negativzinsen. Die Renditechancen klassischer Vorsorgeprodukte galten zwar als arg begrenzt, doch gleichzeitig war die Konkurrenz durch andere festverzinsliche Anlagen gering. Insofern überrascht es kaum, dass 2019 noch über 5,05 Millionen Hauptversicherungen neu abgeschlossen wurden. 2024 sind es nur noch 4,27 Millionen – ein Rückgang um 15,5 Prozent in fünf Jahren.

Besonders deutlich wird diese Entwicklung bei den Einmalbeiträgen: Im Neugeschäft fielen sie seither um rund 32 Prozent. Auch das Annual Premium Equivalent (APE) liegt 2024 leicht unter dem Niveau von 2019. Die laufenden Neugeschäftsbeiträge zeigen im Fünfjahresvergleich einen Zuwachs von lediglich neun Prozent – ein eher verhaltener Wert, der die gedämpfte Nachfrage nach langfristiger Vorsorge widerspiegelt. Die genannten Zahlen basieren auf dem MAP-Report 922 (für 2019/2020) und dem aktuellen MAP-Report 940 (für 2024).

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Erstaunlich ist dabei weniger der Rückgang in der Niedrigzinsphase – sondern die jüngste Gegenbewegung: Gerade in einem Umfeld, in dem Tagesgeld, Anleihen und Festgelder wieder attraktive Zinsen bieten, verzeichnen Lebensversicherer wieder verstärkte Zuflüsse über Einmalbeiträge. Diese Entwicklung wirkt auf den ersten Blick widersprüchlich, zumal klassische Vorsorgeprodukte weiterhin unter politischer Kritik und langfristigen Bindungshürden leiden. Möglicherweise rechnen viele Kundinnen und Kunden mit weiter sinkenden Zinsen – und möchten sich noch attraktive Konditionen sichern, etwa in Form aktuell höherer Gesamtverzinsungen oder garantierter Ablaufleistungen. Ebenso denkbar ist, dass Banken gezielt wieder stärker auf die Vermittlung solcher Einmalanlagen setzen – auch als Alternative zu eigenen Sparprodukten.

Bestand: Erstmals unter 80 Millionen Hauptversicherungen

Die Zahl der Hauptversicherungen im Bestand ist zum Jahresende 2024 erstmals unter die Marke von 80 Millionen gefallen: Mit 79,1 Millionen Policen verzeichnete die Branche einen Rückgang um 1,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr – und zugleich den niedrigsten Stand seit Erfassung der aktuellen Systematik. Auch im längerfristigen Vergleich zeigt sich ein deutlicher Schwund: 2019 waren noch über 81,8 Millionen Verträge im Bestand. Die Lebensversicherung hat seither rund 2,7 Millionen Hauptverträge verloren.

Stabiler zeigt sich dagegen die Entwicklung der laufenden Beiträge: Diese blieben über alle Vertragsarten hinweg mit rund 62,81 Milliarden Euro nahezu konstant – ein leichter Rückgang von 0,08 Prozent gegenüber dem Vorjahr in 2024. Damit unterstreicht die Lebensversicherung ihre Bedeutung als langfristige Einnahmequelle, auch wenn die Zahl der Verträge weiter sinkt. Ein Blick auf den längerfristigen Verlauf bestätigt diese Stabilität: Im Jahr 2020 lag das Niveau der laufenden Beiträge mit 61,2 Milliarden Euro sogar geringfügig niedriger.

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Einmalbeiträge im Bestand: Spiegelbild der Neugeschäftsentwicklung

Deutlich dynamischer entwickelten sich die Einmalbeiträge im Bestand: Sie stiegen um 10,5 Prozent auf 27,19 Milliarden Euro. Dabei ist zu beachten, dass diese Summe nicht ausschließlich auf frisches Neugeschäft zurückgeht. Vielmehr umfasst sie auch interne Umbuchungen innerhalb bestehender Verträge – etwa bei Rentenbeginn oder Ablaufleistungen. Solche buchhalterischen Techniken führen dazu, dass nicht alle im Bestand ausgewiesenen Einmalbeiträge neue Mittelzuflüsse darstellen. Der Unterschied zum Neugeschäft ist dabei erheblich: Während dort für 2024 rund 18,33 Milliarden Euro an Einmalbeiträgen gemeldet wurden, liegt der entsprechende Wert im Bestand um fast neun Milliarden Euro höher.

Im längerfristigen Vergleich bestätigt sich auch hier eine Bewegung, wie sie bereits für das Neugeschäft festgestellt wurde: Nach einem deutlichen Rückgang in den Jahren nach 2020 – damals lag das Volumen noch bei rund 37,1 Milliarden Euro – ist 2024 erstmals wieder ein spürbarer Anstieg zu verzeichnen. Das aktuelle Niveau bleibt jedoch klar unter dem damaligen Höchstwert.

Auch die gesamten verdienten Bruttobeiträge der Branche spiegeln diese Entwicklung erwartungsgemäß wider. Sie erhöhten sich im Vergleich zum Vorjahr um 3,0 Prozent auf 90,32 Milliarden Euro. Trotz dieses Zuwachses blieb das Beitragsvolumen jedoch unter dem Niveau von 2020, als rund 98,6 Milliarden Euro verbucht wurden. Der jüngste Anstieg, vor allem getragen von Einmalbeiträgen, markiert somit zwar eine Erholung – aber noch keine Rückkehr zu früheren Beitragsspitzen.

Hintergrund

Der MAP-Report zählt zu den etabliertesten Analyseformaten im deutschen Versicherungsmarkt. Die aktuelle Ausgabe mit der Nummer 941 steht unter dem Titel „Bilanzrating deutsche Lebensversicherer 2024“ und wurde wie gewohnt von Franke und Bornberg veröffentlicht. Sie enthält eine Vielzahl von Bilanzkennzahlen für den Zeitraum von 2020 bis 2024 und ermöglicht damit eine fundierte Einordnung der wirtschaftlichen Entwicklung deutscher Lebensversicherer.

Für die längerfristigen Vergleiche, insbesondere bei Neugeschäfts- und Bestandszahlen, wurden ergänzend Daten aus dem MAP-Report 922 herangezogen, der die Geschäftsjahre 2019 und 2020 abdeckt.

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Das Bilanzrating gilt als eines der traditionsreichsten Marktvergleiche der Branche und bietet eine verlässliche Orientierung für Vermittler, Fachjournalisten und Analysten. Die Studie ist kostenpflichtig über die Webseite von Franke und Bornberg erhältlich.

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