Herr Waitzinger, OCC gilt seit vielen Jahren als Spezialversicherer für klassische Fahrzeuge. Wie hat sich der Markt für Oldtimer und Youngtimer aus Ihrer Sicht in den letzten Jahren verändert?

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Till Waitzinger: OCC wurde 1984 gegründet, 1985 saßen unsere Gründer auf dem Oldtimer Grandprix am Nürburgring - die berühmte Klappstuhl-Geschichte - und haben angefangen ihre damals revolutionäre Versicherungslösung zu verkaufen. Was damals ein Oldtimer war, ist es heute natürlich auch noch, aber über die Jahre und Jahrzehnte kommen nur noch ganz andere Fahrzeuge dazu.

Man hört öfter, dass die Sammler jünger werden und sich die Interessen verschieben. Welche neuen Zielgruppen entdecken aktuell den Reiz von Liebhaberfahrzeugen?

Die Kunden, die seinerzeit einen Oldtimer besessen haben oder sogar Sammler waren sind heute vermutlich in ihren 80igern, teilweise leben sie vielleicht gar nicht mehr. Jüngere Sammler kamen und kommen nach und interessieren sich damit auch oft für jüngere Fahrzeuge. Pauschal gesagt schaut ja jede Generation vorwiegend auf die Fahrzeuge, von denen man als Kind oder Jugendlicher geträumt hat. Ich bin in den siebzigern und achzigern aufgewachen, wir hatten alle einen Ferrari Testarossa oder einen Lamborghini Countach Poster an der Wand. Die Jungs heute hängen sich wahrscheinliche keine Auto Poster mehr auf, dafür folgen sie nun auf TikTok und Instagram Autokanälen.

Welche Rolle spielt dabei der demografische Wandel? Beobachten Sie, dass jüngere Generationen andere Fahrzeugtypen bevorzugen – etwa Youngtimer aus den 80er- oder 90er-Jahren statt Vorkriegsmodelle?

Genau, der demografische Wandel ist der treibende Faktor einer Entwicklung die wir schon seit langem beobachten, die sich gefühlt aber in den letzten beiden Jahren verstärkt hat. Vorkriegsfahrzeuge und teilweise Fahrzeuge bis in die frühen siebziger Jahre verlieren massiv an Interesse, Sammlungen werden aufgelöst, Fahrzeuge werden verkauft was am Ende natürlich Auswirkungen auf Preise hat. Man muss nur mal die großen Auktionen verfolgen. Auf der anderen Seite steigt das Interesse an Fahrzeugen der 90er und frühen 2000er. Insbesondere alles was fahrbar ist und technisch/elektronisch noch nicht zu komplex.

Welche neuen Anforderungen oder Beratungsansätze ergeben sich aus diesem Wandel für Versicherungsvermittler?

Der Beratungsbedarf bleibt unverändert. Auch die "nachwachsende" Generation wünscht persönliche Betreuung und vor allem Berater, die sich dem Thema Liebhaberfahrzeuge verbunden fühlen. Je mehr das Herz für die Zielgruppe schlägt, um so besser. Und je besser auch das Verständnis für die versicherten Objekte und Risiken um so erfolgreicher lässt sich die Beratung umsetzen.

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Wie reagiert OCC auf den Wandel? Haben Sie Ihr Produktportfolio oder Ihre Kommunikationsstrategie angepasst, um jüngere Sammler zu erreichen?

Absolut. Nur ein Beispiel, wir sind mit mehr als 170.000 Followern der größte Versicherungskanal auf TikTok. Wir sind stark in der Szene verwurzelt, sind auf Veranstaltungen, Rallyes, Messen, sind mit den Händlern, Gutachtern oder Reparaturbetrieben, den Clubs, eben der ganzen Szene im Austausch. Aber die Veranstaltungen die wir heute unterstützen und besuchen sind oft andere als noch vor 5 Jahren. Einen Heizr Club in Stuttgart, Emils Sundowner in Hamburg oder Caffeine Injection in München gab es vor 5 Jahren noch nicht, sind nun aber Veranstaltungen mit weit mehr als 1.000 Besuchern am Tag und 300 Autos. Aber eben wenig Austin Healey, mehr Baby Benz, 944er Porsche oder in der Spitze LaFerrari und Pagani.

Viele klassische Fahrzeuge sind heute nicht mehr nur Liebhaberei, sondern auch Wertanlage. Wie beeinflusst das den Versicherungsbedarf – etwa in Bezug auf Wertgutachten, Wiederbeschaffungswerte oder Restaurierungskosten?

Wertanlage ist sicher das Eine, aber eben nur für bestimmte, oft hochpreisige Fahrzeuge ausgesuchter Hersteller. Und da ist das Baujahr schon fast nicht relevant, das kann ein Vorkriegs Mercedes SSK sein oder ein McLaren F1 aus Mitte der 90er. Der Versicherungsbedarf ist der Gleiche, nur die Nutzung ggfls. eine andere. Der Wert, egal welchen Fahrzeuges, muss entsprechend nachgewiesen werden, der Umfang eines Gutachtens unterscheidet sich eben signifikant. Mal reicht eine Selbstbewertung, mal sind es hundert Seiten mit aufwändiger Recherche zur Originalität.

Man darf am Ende aber auch nicht vergessen: Gemäß aktueller BBE Studie sind 94 Prozent aller Oldtimer weniger als 50.000 Euro Wert, 45 Prozent aller Fahrzeuge sogar unter 20.000 Euro. Also von wegen Hobby von ein paar wenigen sehr vermögenden Menschen. Und da unterscheiden sich dann sehr wertvolle Fahrzeuge und weniger wertvolle doch entscheidend: Bei dem einen wird immer repariert, beim anderen überteigen im Zweifelsfall die Reparaturkosten den Wert. In beiden Fällen ist der richtige Versicherungsschutz wichtig.

Wenn Youngtimer und neuere Klassiker an Bedeutung gewinnen, müssen sich auch Vermittler fachlich breiter aufstellen. Wie können sie sich auf diese Entwicklung vorbereiten, um weiterhin kompetente Ansprechpartner für ihre Kunden zu bleiben?

Vermittler müssen vor allem ein Gespür dafür entwickeln, dass viele Young- und Newtimer heute im Normaltarif bei einem Standardversicherer eben oft nicht richtig versichert sind. Da müssen wir daran arbeiten und alle zusammen eine Sensibilisierung im Sinne der Kunden erreichen.

Wie gehen Sie mit der Digitalisierung um – etwa bei der Schadenmeldung, Bewertung oder Kommunikation mit Kunden? Erwartet die neue Sammler-Generation andere Services?

So digital wir heute sind, mit Antragsstrecke, Dunkelverarbeitung, Kundenportal, Vermittlerportal, mit all den digitalen Services die wir anbieten, Fahrzeugsammler sind da dann doch sehr analog. Hier ist die persönliche Beratung, das Gespräch mit einem Gleichgesinnten mit dem man gleichermaßen über Autos und Versicherung reden kann enorm wichtig. Vor allem, eine Sammlung mit 50 Fahrzeugen lässt sich nicht nach Tarif kalkulieren, da wird es dann sehr individuell.

Sie beobachten den Markt sehr genau. Welche Trends sehen Sie aktuell: Geht das Interesse eher in Richtung Originalzustand, Restauration, oder gar Restomod-Ansätze mit moderner Technik?

Pauschal gesagt steigt das Interesse an jüngeren Fahrzeugen – ab Ende der 80er Jahre - bis in die frühen 2010er Jahre. Und ansonsten, das Hobby ist sehr vielseitig, alles kann, nichts muss, es gibt so viele verschiedene Vorlieben, es gibt die Restomodjungs auf der einen Seite und Fans von alten Rennautos mit den noch originalen kampfspuren auf der anderen Seite. Und diese Vielfältigkeit ist doch auch das tolle an der Szene.

Abschließend gefragt: Wie sieht für Sie die Zukunft des Liebhaberfahrzeug-Marktes in Deutschland aus – und welche Rolle möchte OCC dabei spielen?

Ich glaube sehr gut. Und das meine ich ernst, wir brauchen uns da keine Sorgen machen, trotz allgemeiner Makro-Ökonomischer Lage, Zinsentwicklung, Umweltdiskussion, Generationswechsel usw. etc. Die „Car Culture“ ist nach wie vor da, das Interesse junger- und junggebliebener Menschen an tollen Fahrzeugen und Mobilität.

OCC wird weiter wachsen, wir sind mittendrin in der Szene und werden diese weiter begleiten und dafür sorgen, dass alle Fahrzeuge, vom Vorkriegs-Messing Auto bis zum modernen Hypercar, vom der alten Feuerwehr oder Traktor bis zur Vespa richtig versichert sind.

Darüber hinaus haben wir mit den „Campingfreunden“ vor zwei Jahren eine neue Marke gegründet, mit riesigem Erfolg. Auch da spielen wir in einer tollen Nische. Und wir bleiben nicht stehen, bis Ende des Jahres gehen wir mit einer neuen Marke an den Start. Bleiben Sie gespannt.