Rechtsschutzversicherung: Die Balance ist zurück
Jahre voller Klagewellen liegen hinter der Rechtsschutzversicherung – vom Diesel- und Abgasskandal bis zur Corona-Pandemie. Nach Jahren im Krisenmodus kehrt nun Ruhe ein: 2024 zeigen die Zahlen eine Branche, die sich erholt hat, stabil wirtschaftet und wieder im Gleichgewicht ist.

- Rechtsschutzversicherung: Die Balance ist zurück
- Ergebnis: Nur ein Versicherer mit Verlust
Selten stand eine Versicherungssparte so oft im Zentrum gesellschaftlicher Krisen wie die Rechtsschutzversicherung. Kaum war die Banken- und Finanzkrise überstanden, traf sie ab 2015 der Diesel- und Abgasskandal mit voller Wucht. Hunderttausende Versicherte suchten juristischen Beistand gegen Autohersteller, die Streitwerte summierten sich auf über 10,8 Milliarden Euro. Für Anwälte, Gerichte und Gutachten mussten die Versicherer in diesem Zusammenhang rund 1,5 Milliarden Euro aufbringen – ein Kostenblock, der die Branche jahrelang belastete (Versicherungsbote berichtete).
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Doch der nächste Stresstest folgte rasch: Mit der Corona-Pandemie schwappte eine neue Klagewelle über die Branche hinweg – diesmal wegen Betriebsschließungen, Kündigungen, Kurzarbeit oder stornierter Reisen. 2020 stiegen die Aufwendungen so stark, dass die Sparte erstmals seit Langem nicht mehr kostendeckend arbeitete. Die durchschnittliche Schaden-Kosten-Quote kletterte auf 101,87 Prozent. Erst mit dem Abflauen solcher Massenverfahren und schrittweisen Prämienanpassungen kehrte langsam Stabilität zurück.
Von 2021 an begann jedoch eine schrittweise Normalisierung: Die Schadenaufwendungen gingen zurück, die Prämien wurden angepasst, und die Branche fand allmählich in ruhigeres Fahrwasser zurück. Aktuelle Geschäftszahlen aus dem neuen Branchenmonitor Rechtsschutzversicherung 2025 der V.E.R.S. Leipzig GmbH zeigen nun, dass sich dieser Kurs 2024 fortgesetzt hat. Die Rechtsschutzversicherung präsentiert sich stabil, effizient – und weitgehend frei von den Ausschlägen, die sie über Jahre prägten. Versicherungsbote stellt ausgewählte Kennzahlen vor.
Moderates Wachstum, stabile Bilanzen
Nach Jahren mit teils massiven Ausschlägen kehrte 2024 endgültig Ruhe in die Rechtsschutzversicherung ein. Der Vertragsbestand legte im Durchschnitt der 25 größten Anbieter leicht zu – von 1.108.609 auf 1.115.437 Policen, was einer Zuwachsrate von 0,68 Prozent entspricht. Damit setzte sich der stetige Aufwärtstrend der vergangenen Jahre fort: 2019 lag der Durchschnittsbestand noch bei 1.053.760 Verträgen. Das Wachstum verteilt sich allerdings ungleich: Während 17 Gesellschaften ihren Bestand 2024 ausbauen konnten, verloren acht Anbieter im Vergleich zum Vorjahr.
Rechtsschutz wird teurer
Auch bei den Beitragseinnahmen zeigt sich ein zweigeteiltes Bild. Die verdienten Bruttobeiträge stiegen im Durchschnitt je Versicherer von 211,94 Millionen Euro im Jahr 2023 auf 223,03 Millionen Euro im Jahr 2024. Gegenüber 2019 (185,11 Millionen Euro) entspricht das einem Zuwachs von gut 20 Prozent. Der Anstieg beruht jedoch weniger auf einer breiten Nachfragezunahme, sondern vor allem auf steigenden Durchschnittsprämien.
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So überschritten die gebuchten Bruttoprämien je Vertrag 2024 erstmals deutlich die Marke von 200 Euro: Im Schnitt lagen sie bei 204,76 Euro, nachdem sie 2023 noch 196,18 Euro betrugen. Das Plus von rund 8,60 Euro je Vertrag stellt den stärksten Sprung der letzten Jahre dar – ein klarer Hinweis auf gezielte Prämienanpassungen, mit denen die Versicherer gestiegene Kosten und Schadenaufwendungen ausgleichen.
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Rekordaufwand – aber stabile Belastung pro Kunde
2024 erreichten die Schadenaufwendungen der Rechtsschutzversicherer einen neuen Höchstwert: Im Durchschnitt stiegen sie von 126,91 auf 132,75 Millionen Euro und übertrafen damit erstmals das Corona-Jahr 2020, in dem 130,79 Millionen Euro verbucht wurden. Doch auf Vertragsebene zeigt sich ein anderes Bild: Die durchschnittliche Belastung je Kunde legte nur leicht zu – von 120,96 auf 123,85 Euro – und blieb damit deutlich unter dem Spitzenwert von 131,63 Euro aus der Pandemiezeit. Die Branche verzeichnet also höhere Gesamtkosten, aber kein neues Massenphänomen.
Ergebnis: Nur ein Versicherer mit Verlust
Auch beim versicherungstechnischen Ergebnis zeigt sich die Rechtsschutzversicherung 2024 in stabiler Verfassung. Nachdem im Corona-Jahr 2020 noch mehr als die Hälfte der Gesellschaften – insgesamt 13 von 25 – einen Verlust auswiesen, hat sich die Lage seither deutlich beruhigt. Seit 2022 verzeichnet in jedem Jahr nur ein einziges Unternehmen ein negatives Ergebnis.
2024 trifft es die Continentale, die ein versicherungstechnisches Ergebnis (vor Veränderung der Schwankungsrückstellung) von minus 3,94 Millionen Euro ausweist. Im Vorjahr 2023 war noch die Concordia der einzige Ausreißer im negativen Bereich (mit minus 17,14 Millionen Euro); sie verbessert sich aber 2024 auf einen Gewinn von 1,79 Millionen Euro.
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Im Durchschnitt aller betrachteten Anbieter liegt das versicherungstechnische Ergebnis 2024 bei 17,17 Millionen Euro – nach 15,62 Millionen Euro im Vorjahr und 19,78 Millionen Euro im Jahr 2022. Damit bleibt die Sparte profitabel und stabilisiert sich nach dem Corona-Tief von 2020, als der Durchschnittswert mit 1,17 Millionen Euro nahezu kollabierte. Zum Vergleich: 2019 lag der Mittelwert noch bei 6,30 Millionen Euro.
Die Spitzenreiter 2024 beim versicherungstechnischen Ergebnis (vor Veränderung der Schwankungsrückstellung) sind die Allianz mit 53,04 Millionen Euro, die Ergo mit 41,46 Millionen Euro, Roland Rechtsschutz mit 37,85 Millionen Euro, die Arag SE mit 32,63 Millionen Euro, die Württembergische mit 29,60 Millionen Euro und die R+V Allgemeine mit 27,89 Millionen Euro.
Die Entwicklung zeigt, dass die großen Anbieter ihre Ertragskraft zurückgewonnen haben. Zugleich unterstreicht sie, dass die Rechtsschutzversicherung zwar keine hohen Renditen, dafür aber verlässliche Ergebnisse liefert.
Schaden-Kosten-Quote: Stabil und mit sicherem Puffer
Wenngleich die Rechtsschutzversicherung keine so glänzenden Werte erreicht wie die Unfallversicherung (76,65 Prozent) oder die Hausratversicherung (81,01 Prozent), präsentiert sie sich weiterhin solide und klar im auskömmlichen Bereich. Mit einer durchschnittlichen Schaden-Kosten-Quote bzw. Combined Ratio (CR) von 90,34 Prozent liegt die Sparte 2024 komfortabel unter der kritischen 100-Prozent-Marke, ab der die Einnahmen die Ausgaben nicht mehr decken. Damit steht sie deutlich besser da als die klassischen Sorgenkinder der Kompositversicherung – die Wohngebäude- und Kfz-Sparte.
Bemerkenswert ist, dass sich auch hier 2024 erneut nur ein Versicherer oberhalb der 100-Prozent-Marke befindet – ein deutliches Zeichen für die insgesamt stabile Ertragslage der Sparte. Wie schon beim versicherungstechnischen Ergebnis trifft es die Continentale, deren Schaden-Kosten-Quote bei 112,43 Prozent liegt. Und wie schon beim Ergebnis war auch hier im Vorjahr die Concordia betroffen, die sich 2024 mit 99,22 Prozent wieder in den auskömmlichen Bereich retten konnte.
Der mehrjährige Verlauf des Branchenschnitts zeigt, wie sich die Rechtsschutzversicherung von den Krisenjahren erholt hat. Nach der Corona-Spitze von 101,87 Prozent im Jahr 2020 sank die durchschnittliche Combined Ratio 2021 auf 95,55 Prozent und 2022 auf einen Tiefstwert von 88,96 Prozent. Seither bewegt sie sich auf stabilem Niveau: 91,62 Prozent im Jahr 2023 und nun 90,34 Prozent in 2024 – ein Zeichen konsolidierter Kalkulation und wirksamer Kostensteuerung.
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Die besten Schaden-Kosten-Quoten 2024 erreichen die WGV-Versicherung mit 70,17 Prozent, die Württembergische mit 78,65 Prozent, die Itzehoer Brandgilde mit 84,19 Prozent, die R+V Allgemeine mit 85,72 Prozent und die ADAC Versicherung mit 86,60 Prozent. Diese Unternehmen führen die Spitzengruppe an – und zeigen, dass auch in der Rechtsschutzsparte hohe Effizienz erreichbar bleibt.
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Hintergrund: Branchenmonitor Rechtsschutzversicherung 2025
Die hier präsentierten Zahlen und Analysen stammen aus dem soeben erschienenen Branchenmonitor Rechtsschutzversicherung 2025 der V.E.R.S. Leipzig GmbH. Die Studie untersucht die 25 größten Rechtsschutzversicherer Deutschlands und deckt damit rund 99 Prozent des Marktes ab. Erfasst werden Kennzahlen aus den Geschäftsjahren 2019 bis 2024 – darunter Prämienentwicklung, Vertragszahlen, Schaden-Kosten-Quoten und versicherungstechnische Ergebnisse. Neben diesem Report stehen weitere aktuelle Branchenmonitore kostenpflichtig auf der Webseite der Leipziger Experten zum Download bereit.
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