ELTIFs: Boom jenseits der Börse
Private Markets sind in den letzten zehn Jahren rasant gewachsen und verwalten Anfang 2024 weltweit rund 14,5 Billionen US-Dollar. Kaum ein Segment der Finanzwelt hat eine derart dynamische Entwicklung erlebt wie die Private Markets. Innerhalb einer Dekade ist das dort verwaltete Vermögen (AUM) um rund 10 Billionen US-Dollar gewachsen – ein Plus von 222 Prozent. Warum ELTIFs für die Versicherungswirtschaft stark an Bedeutung gewinnen, erklärt Christian Behm, Partner bei Magpie Projects

Doch was steckt eigentlich hinter dem Schlagwort Private Markets? Private Markets umfassen Investitionen jenseits der Börse: Statt täglich handelbarer Aktien oder Anleihen stellen Investoren ihr Kapital direkt Unternehmen oder Projekten zur Verfügung. Dazu zählen Private Equity, Private Debt oder auch langfristige Engagements in Immobilien und Infrastruktur.
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Den größten Teil dieses Universums stellt Private Equity: Investoren beteiligen sich an nicht börsennotierten Unternehmen, finanzieren deren Wachstum, professionalisieren Strukturen und verkaufen die Firmen nach einigen Jahren mit Gewinn weiter. Solche Investments sind weniger liquide und langfristig angelegt, bieten dafür aber Chancen auf attraktive Renditen und gewinnen gerade für institutionelle Anleger zunehmend an Bedeutung.
Die Trends hinter der Entwicklung
Trotz des jüngsten Wachstums bleibt der europäische Private-Capital-Markt deutlich kleiner als sein US-Pendant. Private-Equity- und Venture-Capital-Vermögen entsprechen hier rund 8 Prozent des BIP, während der Anteil in den USA bei 17 Prozent liegt.
Damit rückt der europäische Private-Capital-Sektor zunehmend in den Fokus. Zwar liegt er im internationalen Vergleich noch deutlich hinter den USA zurück, doch eröffnet die europäische Wettbewerbsagenda die größte Chance seit Jahrzehnten. Gelingt es, privates Kapital stärker zu mobilisieren, könnte die Branche eine zentrale Rolle beim Schließen der Investitionslücke übernehmen. Für den Sektor ist dies eine historische Gelegenheit, seine Bedeutung für Europas Wettbewerbsfähigkeit zu festigen und zugleich den Abstand zu globalen Wettbewerbern zu verringern.
Die Europäische Union treibt entsprechende politische Initiativen wie die Kapitalmarktunion voran. Ziel ist es, die stark fragmentierten nationalen Märkte zu integrieren, Hindernisse für grenzüberschreitende Investitionen abzubauen und so privates Kapital effizienter in die Realwirtschaft zu lenken. Ergänzt wird dies durch Programme wie InvestEU, die private Mittel insbesondere für Infrastruktur, Digitalisierung und die grüne Transformation mobilisieren sollen. Diese politischen Bestrebungen verdeutlichen: Europa setzt zunehmend darauf, dass privates Kapital eine zentrale Rolle bei der Finanzierung strategischer Zukunftsprojekte übernimmt.
Doch Strategien allein reichen nicht aus, Europa braucht auch konkrete Vehikel, um privates Kapital gezielt in die Realwirtschaft zu lenken. Um diese Lücke zu schließen, führte die EU bereits 2015 den European Long-Term Investment Fund (ELTIF) ein. Er sollte Anlegern die Möglichkeit eröffnen, sich direkt an langfristigen Projekten von Infrastruktur bis Innovation zu beteiligen – und damit einen Markt öffnen, der lange Zeit fast ausschließlich institutionellen Investoren und Ultra-High-Net-Worth Individuals vorbehalten war. Das ursprüngliche Modell blieb jedoch hinter den Erwartungen zurück, weshalb Anfang 2024 mit ELTIF 2.0 ein deutlich liberalisierter Rahmen geschaffen wurde. Damit wurde der Zugang für Privatanleger erheblich erweitert – und zugleich ein Signal gesetzt, Private Markets stärker mit dem übrigen Finanzsystem zu verzahnen. Denn die eigentliche Dynamik entsteht nicht allein durch Regulierung, sondern durch den strukturellen Trend, Public und Private Markets enger zusammenzuführen.
Private Markets im Wandel
Somit zeigt sich immer deutlicher die Konvergenz zwischen öffentlichen und privaten Märkten: Investoren denken längst nicht mehr in getrennten Kategorien, sondern in integrierten Portfolios, in denen sich beide Welten ergänzen. Ein aktuelles Beispiel ist die im Februar 2025 angekündigte Partnerschaft zwischen Apollo und InvestCloud: Mit dem Private Markets Account™ entsteht eine digitale Plattform, die Public und Private Markets in einer gemeinsamen Architektur zusammenführt – und damit die Konvergenz technologisch greifbar macht. Gefragt ist heute mehr denn je ein ganzheitlicher Blick auf Kapitalanlagen.
Parallel dazu gewinnt die Demokratisierung der Private Markets an Fahrt. Unter diesem Schlagwort versteht man die Öffnung einer bislang institutionell geprägten Anlageklasse für breitere Anlegergruppen, die über digitale Plattformen, standardisierte Fondsvehikel oder Versicherungsprodukte erstmals Zugang zu illiquiden, renditestarken Investments erhalten. Laut einer aktuellen State Street Umfrage erwartet inzwischen eine Mehrheit der Befragten, dass künftig mindestens die Hälfte der Kapitalflüsse über semi-liquide, retail-orientierte Fondsstrukturen erfolgen wird. Noch in 2024 hatte mehr als die Hälfte der Marktteilnehmer geglaubt, dass die traditionellen institutionellen Kanäle dominant bleiben würden. Ein klares Signal, wie schnell sich die Wahrnehmung verschiebt.
Wie stark die Entwicklung bereits greift, zeigt sich daran, dass immer mehr Anbieter und Vermögensverwalter ihre Produkte gezielt über digitale Plattformen strukturieren und damit auch Retail-Anlegern den Zugang zu Private Markets mit vergleichsweise geringen Mindestanlagesummen eröffnen. Beispiele hierfür sind spezialisierte Private-Markets-Plattformen wie LIQID und Moonfare, die sich auf kuratierte Fondsangebote für vermögende Privatkunden konzentrieren. Daneben öffnen zunehmend auch Retail-Broker und Neobroker wie Scalable oder Trade Republic den Zugang, indem sie entsprechende Zugangsmodelle in ihr breiteres Investmentangebot integrieren. Auch die Deutsche Bank hat in Kooperation mit DWS und Partners Group einen Privatmarkt-Fonds für Privatanleger aufgelegt – wenn auch in einer Konstruktion, die nicht als reines Private-Equity-Vehikel konzipiert ist.
Versicherungsbranche entdeckt die Potentiale
Auch für die Versicherungswirtschaft gewinnt das Thema stark an Bedeutung. Mit ihren enormen Kapitalbeständen und ihrem langfristigen Anlagehorizont sind Versicherer prädestinierte Akteure für Private-Markets-Investments im Asset Management. Traditionell lag der Fokus auf Anleihen und anderen liquiden Fixed-Income-Instrumenten, um regulatorische Anforderungen (z. B. Solvency II) und Stabilitätsziele zu erfüllen. In den vergangenen Jahren hat sich jedoch der Trend verstärkt, Teile der Kapitalanlagen in alternative Asset-Klassen wie Private Equity, Private Debt, Infrastruktur oder Immobilienfonds umzuschichten.
Mehrere Treiber wirken hier zusammen:
- Niedrigzins- und Post-Niedrigzinsumfeld: Versicherer suchen nach Renditequellen, die über klassische Staats- und Unternehmensanleihen hinausgehen. Private Markets bieten hier attraktive „Illiquiditäts-Prämien“.
- Langfristiger Anlagehorizont: Da Versicherer ihre Verpflichtungen oft über Jahrzehnte kalkulieren, passen die typischerweise langen Kapitalbindungsdauern von Private-Markets-Fonds sehr gut ins Risikoprofil.
- Diversifikationseffekte: Diese Anlagen weisen geringere Korrelationen zu öffentlichen Märkten auf, was die Stabilität der Portfolios erhöht und die Solvency-II-Kapitalquoten optimieren kann.
- Wachsende Professionalisierung: Viele Versicherer haben inzwischen eigene Private-Markets-Teams aufgebaut oder lagern das Management an spezialisierte Asset Manager aus.
Der Trend geht eindeutig in Richtung höherer Allokationsquoten. Während Private Markets vor einem Jahrzehnt für viele Versicherer noch eine Nischenbeimischung darstellten, zeigen Marktstudien heute zweistellige Zielquoten im Bereich von 10–20 Prozent der Kapitalanlagen. Vor allem große Erst- und Rückversicherer treiben die Entwicklung voran und setzen verstärkt auf Direktinvestments, Co-Investments und maßgeschneiderte Fondsstrukturen. Kleinere Versicherer folgen zunehmend, häufig über Dachfonds oder Fonds-of-Funds, die ihnen Zugang bei geringerer Mindestgröße ermöglichen. Parallel entstehen neue digitale Plattformlösungen, die auch institutionellen Investoren wie Versicherern standardisierte Zugangswege eröffnen und die Due-Diligence-Prozesse effizienter gestalten.
Fondsgebundene Lebensversicherungsprodukte könnten grundsätzlich durch den Einsatz von ELTIFs sinnvoll erweitert werden. Deren langfristiger Anlagehorizont und begrenzte Handelbarkeit entsprechen dem Charakter dieser Policen und eröffnen insbesondere in der Altersvorsorge einen attraktiven Zugang zu Private Markets. Die Umsetzung ist allerdings anspruchsvoll, da ELTIFs mit periodischen Bewertungen, Kapitalabrufen und eingeschränkten Rückgabefenstern arbeiten, während fondsgebundene Produkte typischerweise auf täglicher Preisstellung, flexiblen Fondswechseln und laufenden Sparplänen basieren. Die zentrale Aufgabe liegt daher in der operativen Integration – von Bewertungs- und Liquiditätsprozessen über die Abwicklung von Ein- und Auszahlungen bis hin zu einem konsistenten Unit-Pricing- und Reporting-Modell.
Aus der Nische – Säule der Kapitalmärkte
Private Markets haben sich von einer Nische zu einem festen Bestandteil der globalen Kapitalmärkte entwickelt und ihr weiteres Wachstum ist absehbar. Für Europa stellt sich dabei weniger die Frage nach dem Ob, sondern nach dem Wie: Welche regulatorischen Rahmenbedingungen werden gesetzt, wie schnell gelingt die Integration in bestehende Finanzstrukturen, und welche Rolle übernehmen Banken, Plattformen und Versicherer in der Kapitalallokation? Klar ist: Private Markets werden in den kommenden Jahren nicht nur an Volumen gewinnen, sondern auch die Architektur der europäischen Kapitalmärkte nachhaltig mitprägen.