Ausschreibung als Schaltstelle der digitalen Industrieversicherung: Von der Risikobeschreibung zum Marktplatz
Die Industrieversicherung steht vor einem Umbruch: Digitale Plattformen und KI können den Ausschreibungsprozess von der Risikoaufnahme bis zur Schadenregulierung deutlich effizienter machen. Statt E-Mail-Pingpong und Excel-Tabellen rücken strukturierte Daten, automatisiertes Matching und digitale Verträge in den Fokus, unterstreicht Artur Reimer von der Hypoport-Tochter corify.

Die Ausschreibung ist die zentrale Schnittstelle der Industrieversicherung. Hier wird entschieden, ob ein Risiko platziert wird, welche Deckung gewählt wird und wie effizient Makler und Versicherer zusammenarbeiten. Derzeit läuft dieser Prozess in der Regel noch überwiegend manuell, das heißt Risikoinformationen werden in Excel-Listen oder PDFs gesammelt, per E-Mail verschickt und durch zahlreiche Rückfragen abgestimmt. Das führt zu hohem Aufwand, langen Laufzeiten und geringer Vergleichbarkeit.
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Durch digitale Plattformen lässt sich dieser Ablauf neu organisieren, wenn Risikodaten einmal strukturiert erfasst werden und anschließend allen Beteiligten in standardisierter Form zur Verfügung stehen. Zudem können Versicherer ihren Risikoappetit und ihre Konzepte hinterlegen. Insgesamt lassen sich also Angebot und Nachfrage dadurch deutlich effizienter zusammenbringen.
KI als Beschleuniger in der Ausschreibung
Auf dieser digitalen Basis entfaltet KI ihr Potenzial. Sie kann Risikodaten automatisiert mit den Kriterien der Versicherer abgleichen, fehlende Angaben identifizieren und Vorschläge zur Vervollständigung machen und Angebote priorisieren, die mit hoher Wahrscheinlichkeit passen.
So reduziert sich die Zahl der Abstimmungsschleifen, und Angebote entstehen schneller und strukturierter. Der Schritt von einer manuellen Abwicklung zu einem datenbasierten Matchmaking ist damit zugleich der Schritt vom Prozess zur Marktlogik.
Verträge als digitale Datenobjekte
Eine digitalisierte Ausschreibung schafft auch die Grundlage für Verträge, die nicht mehr als statische Dokumente geführt werden, sondern als dynamische Datenobjekte. So können zum Beispiel Änderungen in Flotten oder Immobilienbeständen automatisch in die Vertragsdaten übernommen werden. Durch dieses Vorgehen ist jede Anpassung versioniert und nachvollziehbar – Fehler durch manuelle Pflege werden reduziert.
KI unterstützt diesen Prozess, indem sie Abweichungen erkennt, die auf falsche Eingaben oder auffällige Entwicklungen im Bestand hindeuten. Verträge werden damit nicht nur effizienter verwaltet, sondern auch stabiler in ihrer Datenqualität.
Schadenprozesse mit digitalem Vertragsabgleich
Im Schadenfall kommt es darauf an, schnell und belastbar zu prüfen, ob ein Schaden gedeckt ist. Digitale Verträge ermöglichen genau das:
- Eine Schadenmeldung wird automatisch mit den Vertragsdaten abgeglichen.
- Ist der Fall eindeutig gedeckt, kann er sofort reguliert werden.
- Bei komplexeren Fällen stellt das System alle relevanten Informationen bereit, sodass Sachbearbeiter fundiert entscheiden können.
KI verstärkt diesen Ansatz, indem sie Muster erkennt, typische Schadenfälle klassifiziert und die Deckungsprüfung automatisiert unterstützt. Dadurch werden Schadenprozesse konsistenter und schneller.
Prävention als nächste Stufe
Das langfristige Potenzial liegt in der Prävention. Erst wenn Ausschreibung, Vertrag und Schadenprozesse digital verknüpft sind, können Daten systematisch zurückfließen. KI kann dann Muster erkennen, die auf erhöhte Risiken hinweisen – zum Beispiel Häufungen von Schäden an bestimmten Standorten, Auffälligkeiten bei Maschinentypen oder externe Risikofaktoren wie Wetterdaten.
So entsteht die Chance, Risiken nicht nur zu versichern, sondern aktiv zu steuern. Prävention ist damit die Endstufe einer digital vernetzten Industrieversicherung.
Schlagzeilen
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Fazit:
Nachdem zunächst die Entlastung im Flottengeschäft, dann die Rolle von KI in der Datenverarbeitung – und nun die Potenziale entlang der gesamten Wertschöpfungskette beleuchtet wurden, wird deutlich: die Ausschreibung ist der entscheidende Hebel. KI verstärkt die Effekte auf allen Stufen: vom Matching in der Platzierung über die Sicherung von Vertragsqualität bis hin zur automatisierten Deckungsprüfung im Schadenfall. Langfristig eröffnet das die Möglichkeit, die Industrieversicherung vom reaktiven Risikotransfer zum proaktiven Risikopartner weiterzuentwickeln.
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