Lebensversicherung: BaFin hat hohe Stornoquoten im Visier
Die deutsche Lebensversicherungsbranche zeigt sich trotz volatiler Märkte robust. Dennoch müssten die Versicherer einen stärkeren Fokus auf den Kundennutzen legen, betonte BaFin-Exekutivdirektorin Julia Wiens auf dem Handelsblatt-Strategiemeeting. Überdies will die Chefaufseherin das Thema Storno im Auge behalten.

Die Lage der deutschen Lebensversicherer ist trotz volatiler Märkte stabil. Dieses Fazit zog Julia Wiens, Exekutivdirektorin für Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht bei der BaFin, beim Handelsblatt Strategiemeeting Lebensversicherung am 4. September 2025. Zwar hätten die letzten Jahre gezeigt, wie stark die Branche auf Veränderungen der Marktzinssätze reagiert. Doch die aktuelle Situation sei „insgesamt robust – und in vielen Fällen sogar gut“, erklärte Wiens.
Anzeige
BaFin hat Kundennutzen und Storno im Blick
Die Aufseherin verwies jedoch darauf, dass Veränderungen bei den Marktzinssätzen in den vergangenen Jahren deutliche Auswirkungen auf die Risikotragfähigkeit gezeigt hätten. „Solche Zinsbewegungen können die Risikotragfähigkeit deutlich unter Druck setzen“, so Wiens. Umso wichtiger sei es, dass die Unternehmen über langfristige Investitionsstrategien und ausreichend Puffer verfügen.
Besonderes Augenmerk legte Wiens auf das Thema Kundennutzen. Im Produktfreigabeverfahren müssten Versicherer ihre Zielmärkte klarer definieren. Zu breite Definitionen seien problematisch. Das sei etwa dann der Fall, wenn Produkte gleichzeitig für Berufseinsteiger und Ruheständler ausgelegt seien. „Wer seinen Zielmarkt so weit definiert, muss sicherstellen, dass sein Produkt solch unterschiedlichen Bedürfnissen auch wirklich gerecht wird. Nur dann kann es einen angemessenen Kundennutzen bieten“, betonte Wiens.
Ein weiteres Augenmerk legt die BaFin auf das Stornorisiko und die, aus ihrer Sicht zu hohen, Stornoquoten. Während die deutschen Lebensversicherer pro Jahr gut 1,5 Millionen Verträge in der fondsgebundenen Lebensversicherung verkauften, liege der Branchendurchschnitt bei rund 3,5 Prozent gekündigten Verträgen. „Wenn wir von einem konstanten jährlichen Storno in dieser Höhe ausgehen, hat nach etwa 20 Jahren die Hälfte der Kundinnen und Kunden ihren Vertrag vorzeitig beendet", mahnt Wiens. Wenn viele Kunden Verträge frühzeitig kündigen, müssten Produkte oder Zielmärkte angepasst werden. Auch in der Rentenbezugsphase will die BaFin künftig genauer prüfen, ob die gezahlten Rentenleistungen in einem angemessenen Verhältnis zum eingezahlten Kapital stehen.
KI und IT-Sicherheit im Blick
Zudem widmete sich Wiens dem Thema Künstliche Intelligenz. Die BaFin begrüße die Chancen, sehe aber auch erhebliche Risiken. „Nämlich, dass Unternehmen für all ihre KI-Systeme eine adäquate Governance und ein adäquates Risikomanagement haben“, forderte die Aufseherin. Dazu gehörten unter anderem ein wirksames Modellrisikomanagement, repräsentative Daten und die Möglichkeit, menschlich in automatisierte Entscheidungen einzugreifen. Parallel mahnte Wiens, dass viele Versicherer weiterhin Nachholbedarf bei IT-Sicherheit und -Management hätten. Veraltete Systeme seien ein Risiko, gerade angesichts steigender Cyber-Bedrohungen.
Ein weiterer Schwerpunkt war der Solvency-II-Review. Die BaFin setze sich dafür ein, die Kapitalanforderungen risikosensitiv zu gestalten und nicht aufzuweichen. „Eine Aufweichung der Kapitalanforderungen würde ein fatales Signal senden“, warnte Wiens. Gleichzeitig begrüßte sie, dass das Proportionalitätsprinzip künftig stärker berücksichtigt wird. Besonders kleinere und weniger komplexe Versicherer (SNCU) könnten von erleichterten Berichtspflichten profitieren.