Finanzierungsloch im Bundeshaushalt: Was höhere Zinsen für Rente und Sozialstaat bedeuten
Steigende Zinsen reißen tiefe Löcher in die Staatsfinanzen. Schon kleine Veränderungen beim Zinssatz können Milliarden kosten und die Spielräume für Sozialausgaben massiv einschränken. Reformen bei Rente und Pflege gelten als unvermeidlich, mahnt Ökonom Clemens Fuest vom ifo Institut.

Die Pläne der Bundesregierung, die Staatsverschuldung auszuweiten, haben eine hitzige Debatte über die Zukunftsfähigkeit der öffentlichen Finanzen ausgelöst. Das zentrale Problem: Steigende Zinsen erhöhen die Last für den Bundeshaushalt drastisch. Damit sinkt der Anteil der Steuereinnahmen, der tatsächlich für staatliche Aufgaben eingesetzt werden kann. Immer größere Summen fließen stattdessen in den Schuldendienst.
Anzeige
Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts, zeigt in aktuellen Berechnungen, wie gravierend die Lage werden könnte. Grundlage ist die sogenannte Zinsquote und damit der Anteil der Zinszahlungen an den Gesamtausgaben des Bundeshaushalts. „Geht man von einem nominalen Wirtschaftswachstum von drei Prozent pro Jahr bis 2040 und einem Zinssatz von 2,5 Prozent aus, steigt „die Zinsquote im Bundeshaushalt von heute sechs auf gut 13 Prozent“, erklärt Fuest. Zur Berechnung dabei die Finanzplanung der Bundesregierung bis 2029 zu Grunde gelegt.
Wie groß die Belastung wird, zeigt ein Blick auf den Haushalt 2025. Wäre die Zinsquote schon heute bei 13 Prozent, ergäbe sich eine Finanzierungslücke von 35 Milliarden Euro. Diese Summe müsste der Staat entweder durch Steuererhöhungen hereinholen oder durch Einsparungen kompensieren. Zum Vergleich: Allein der Etat des Sozialministeriums müsste in diesem Szenario um rund ein Fünftel gekürzt werden. Alternativ wäre eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um zwei Prozentpunkte denkbar – allerdings nur, wenn die Länder auf ihren Anteil verzichten würden.
Die Szenarien verdeutlicht auch eine ifo-Berechnung:
- Bei einem Zinssatz von 2,0 Prozent entstünde eine Lücke von 23 Milliarden Euro, die Zinsquote läge 2040 bei 10,6 Prozent.
- Bei 2,5 Prozent wären es 35 Milliarden Euro und eine Quote von 13 Prozent.
- Bei 3,0 Prozent klettert die Belastung auf 50 Milliarden Euro, die Quote erreicht 16,6 Prozent – ein Niveau, das zuletzt 1999 überschritten wurde.
Diese Prognosen sind schon unter optimistischen Annahmen besorgniserregend. Nicht berücksichtigt sind darin neue Wirtschaftskrisen oder außergewöhnliche Ausgabensteigerungen. Hinzu kommt: Die Alterung der Bevölkerung wird die Sozialausgaben weiter stark treiben. Vor allem die Zuschüsse an die Rentenversicherung wachsen deutlich schneller als das Bruttoinlandsprodukt. Ähnliche Tendenzen gibt es in den Bereichen Gesundheit, Pflege und Pensionen.
Aus Sicht von Fuest führt an tiefgreifenden Reformen kein Weg vorbei. „Es ist dringend notwendig, alle Ausgaben im Bundeshalt auf den Prüfstand zu stellen“, fordert er. Konsolidierung bedeute nicht zwingend Kürzungen, sondern könne auch durch eine Begrenzung des Ausgabenwachstums erfolgen. Das gelte besonders im Bereich der Sozialleistungen.
Für die Rente schlägt er zwei Maßnahmen vor: Erstens müsse das Renteneintrittsalter steigen, zweitens sei der Nachhaltigkeitsfaktor dringend wieder zu aktivieren. Dieser dämpft Rentenerhöhungen, wenn die Zahl der Beitragszahler im Verhältnis zu den Rentnern sinkt. Auch bei Pensionen, Kranken- und Pflegeversicherungen seien Kostendämpfungen erforderlich.
Zwar wären auch Steuer- oder Beitragserhöhungen denkbar. Doch höhere Sozialabgaben könnten Beschäftigung kosten. Überdies sind die Unternehmenssteuern in Deutschland ohnehin höher als in anderen G7-Staaten. Daher plädiert Fuest dafür, die Konsolidierung vor allem über die Ausgabenseite zu gestalten.