Altersvorsorge-Reformen brauchen Mut, nicht nur schöne Überschriften
Ex-Finanzminister Christian Lindner fordert eine neue dritte Säule der Altersvorsorge. Doch ohne unbequeme Reformen bleibt sein Konzept unvollständig, mahnt Guido Bader. In einem Gastkommentar benennt der Vorstandsvorsitzende der Stuttgarter Lebensversicherung die wirklich wirksamen Stellschrauben für eine nachhaltige Reform der Altersvorsorge.

Ex-Bundesfinanzminister Christian Lindner hat im Handelsblatt dargelegt, wie er die private Altersvorsorge mit einer neuen, leistungsfähigen dritten Säule stärken will. Sein Konzept ruht auf fünf Vorschlägen: Erstens ein steuerlich privilegiertes „Altersvorsorgedepot“ mit nachgelagerter Besteuerung. Zweitens direkte staatliche Zuschüsse als Sparanreiz. Drittens größere Wahlfreiheit bei den Anlageformen – von Versicherungen bis zu depotgebundenen Varianten. Viertens die Möglichkeit für Arbeitgeber, in diese Depots einzuzahlen. Und fünftens flexible Auszahlungsoptionen im Alter, entweder als Leibrente oder befristeter Entnahmeplan.
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Diese Vorschläge greifen wichtige Themen wie Förderung, Wahlfreiheit und Flexibilität auf. Doch damit allein wird die Altersvorsorge nicht zukunftsfest. Entscheidend ist, dass wir auch die wirklich wirksamen Stellschrauben in den Blick nehmen.
Genau hier sehe ich drei Punkte, die zwingend ergänzt werden müssen.
Erstens: Kürzungen gehören auf den Tisch
In der Überschrift des Beitrags vom Ex-Finanzminister taucht das Wort „Kürzungen“ noch auf – in den Vorschlägen selbst fehlt der Aspekt dann jedoch völlig. Genau hier liegt der blinde Fleck. Wir werden unser Rentensystem nicht zukunftsfähig machen, wenn wir weiter so tun, als ließe sich alles über höhere Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt oder neue Anlageformen lösen.
Die Zeit der Versprechen muss vorbei sein und wir müssen uns endlich ehrlich machen: Ohne mutige Schritte wie das Ende der abschlagsfreien Rente für langjährig Versicherte, den Verzicht auf die nächste Stufe der Mütterrente, die Aufgabe der Haltelinie oder die Streichung versicherungsfremder Leistungen wird das System nicht tragfähig bleiben. Und wir müssen auch bei künftigen Beamtenpensionen über Anpassungen sprechen, um den Bundeshaushalt zu entlasten. Wer das verschweigt, verschiebt das Problem weiter nur auf die nächste Generation.
Zweitens: Kapitaldeckung braucht klare Regeln
Natürlich ist es mehr als richtig, die kapitalgedeckte Vorsorge auszubauen. Aber Förderung darf kein Selbstzweck sein. Wenn der Staat finanziell unterstützt, muss er im Gegenzug eine lebenslange Leistung einfordern. Alles andere wäre inkonsequent.
Rentengarantien können dabei durch vererbbare Elemente wie eine Garantiezeit ergänzt werden. So entstünde ein Gleichgewicht zwischen individueller Flexibilität und kollektiver Sicherheit. Zudem brauchen wir echte Chancenorientierung: weniger starre Garantievorschriften und klare steuerliche Regeln für flexible Anspar- und Entsparphasen. Nur so können wir auch in einer Niedrigzinswelt auskömmliche Renten erzielen.
Drittens: Bestehende Systeme modernisieren statt nur Neues schaffen
Die politische Debatte kreist oft um neue Konzepte und Produkte. Dabei haben wir längst Instrumente, die mit Reformen leistungsfähig gemacht werden können. Allen voran Riester: Dieses System darf nicht beerdigt werden, sondern muss grundlegend modernisiert werden durch einfache Regeln, dynamische Förderung und mehr Flexibilität. Ständig neue Produkte zu erfinden, verunsichert eher als das es hilft.
Auch die betriebliche Altersversorgung braucht endlich mehr Aufmerksamkeit. Gerade Geringverdiener benötigen eine stärkere Förderung, damit die bAV für sie zur echten Stütze im Alter wird. Es wäre ein schwerer Fehler, diese bewährten Strukturen zugunsten neuer Modelle an den Rand zu drängen.
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Wir brauchen konkrete, auch unbequeme Entscheidungen
Die Debatte über die Altersvorsorge ist wichtig wie überfällig. Wir brauchen Ehrlichkeit, klare Regeln und Mut, bestehende Systeme zu modernisieren. Ich hoffe sehr, dass die Rentenreform nicht erst kommt, wenn wir mitten in der Wand stecken – so habe ich es zuletzt schon einmal formuliert. Die Menschen in Deutschland erwarten zu Recht Verlässlichkeit, da reichen schöne Überschriften nicht aus. Wir brauchen konkrete, auch unbequeme Entscheidungen. Und diese müssen jetzt getroffen werden.
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