Gesetzliche Rente sollte auf eine Basisabsicherung zurückgestutzt werden
Deutschlands Rentensystem steht vor dem Kollaps. Eine aktuelle Studie legt eine radikale Neuausrichtung nah. Diese sieht eine einheitliche Basisrente, den Ausbau kapitalgedeckter Modelle und ein höheres Renteneintrittsalter vor.

Die Altersvorsorge in Deutschland steht am Scheideweg. Während andere Länder bereits stabile und demografie-feste Modelle aufgebaut haben, droht hierzulande der Kollaps der gesetzlichen Rente. Experten fordern deshalb einen umfassenden Reformkurs, um Altersarmut zu verhindern und den Lebensstandard im Ruhestand zu sichern.
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Aktuell trägt die gesetzliche Rente mit 53 Prozent den größten Anteil an den Alterseinkommen in Deutschland. Es besteht ein gefährliches Klumpenrisiko. Berücksichtigt man nur die klassischen drei Säulen eines Angestellten mit gesetzlicher Rente, betrieblicher Versorgung und privatem Sparen, steigt der Anteil sogar auf 80 Prozent. Mit dem demografischen Wandel gerät das Umlagesystem jedoch unter massiven Druck. Bleibt die sogenannte Haltelinie bei 48 Prozent bestehen, steigen die Belastungen je sozialversicherungspflichtigem Beschäftigten bis 2035 um rund 70 Prozent.
Sven Ebert vom Flossbach von Storch Research Institute schlägt daher einen klaren Kurswechsel vor: Die gesetzliche Rente soll künftig nur noch eine Basisabsicherung garantieren, die knapp oberhalb des Bürgergeldes liegt. Damit wäre sie ein Sicherheitsnetz gegen Altersarmut und nicht länger ein Versprechen auf Lebensstandardsicherung.
Ein weiterer Schritt betrifft das Renteneintrittsalter. Angesichts der steigenden Lebenserwartung plädiert auch der promovierte Mathematiker dafür, die Regelaltersgrenze auf 70 Jahre anzuheben. Zugleich sollten, so der Aktuar, Privilegien wie die „Rente mit 63“ abgeschafft werden. Diese koste die Allgemeinheit jährlich rund 20 Milliarden Euro und verstärkt zusätzlich den Fachkräftemangel.
Um den Lebensstandard im Alter zu sichern, müssen betriebliche und private Vorsorgeformen erheblich ausgebaut werden. Die betriebliche Altersvorsorge (bAV) ist längst eine feste Säule im deutschen Rentensystem. Doch sie erreicht nach wie vor nicht alle. Nur rund 52 Prozent der Beschäftigten verfügten über eine bAV. Überdies würden Frauen lediglich auf eine durchschnittliche monatliche Anwartschaft von 398 Euro kommen. Bei Männern liege der Wert im Schnitt bei 698 Euro. Insgesamt beläuft sich das in der bAV angesparte Vermögen inzwischen auf etwa 420 Milliarden Euro. Doch gerade in kleinen und mittleren Betrieben fehlt häufig ein Angebot. Bisher verfügen nur 52 Prozent der Arbeitnehmer über eine Betriebsrente, während die Riester-Rente seit Jahren stagniert und nur noch rund 10 bis 12 Millionen aktive Verträge umfasst. Notwendig seien einfache, renditestarke Produkte ohne überbordende Bürokratie und Kapitalgarantien, die bislang viele Anlagestrategien lähmten.
Andere Länder zeigen, dass Altersvorsorge demografiefest und renditestark ausgestaltet werden kann. In Schweden wird die gesetzliche Basisrente durch einen obligatorischen, aktienbasierten Fondsanteil ergänzt. Die Niederlande setzen auf eine nahezu flächendeckende betriebliche Altersvorsorge, die über Branchenlösungen organisiert wird. In Kanada verdoppelte sich der Anteil von Aktien und Fonds am Finanzvermögen der Haushalte in den letzten drei Jahrzehnten von 20 auf 40 Prozent. Diese Beispiele zeigen: Kapitaldeckung und sozialer Ausgleich schließen sich nicht aus, sondern können gemeinsam Altersarmut reduzieren und Wohlstand im Ruhestand sichern.
Auch die private Altersvorsorge in Deutschland kämpft mit strukturellen Hindernissen. Viele Sparer scheuen langfristige Anlagen, weil Produkte zu komplex sind und Garantien die Rendite mindern. Ein zentraler Kritikpunkt ist zudem die Abgeltungssteuer von 25 Prozent, die gerade bei aktiven Sparern einen erheblichen Renditenachteil schafft. Ebert fordert deshalb steuerliche Erleichterungen und mehr Flexibilität. Für die private Vorsorge sollte das Konzept des Altersvorsorgedepots wieder aufgegriffen werden, um breite Teile der Bevölkerung stärker an den Kapitalmärkten zu beteiligen. Darin könnten Fonds- oder ETF-Sparpläne unkompliziert bespart werden.