Investmentgrade-Anleihen trotzen Zöllen, Staatsanleihen verlieren an Attraktivität
Die Anleihemärkte sind 2025 von hoher Volatilität geprägt, vor allem durch Unsicherheit in der US-Zollpolitik. Unternehmensanleihen bieten attraktive Renditechancen, während globale Diversifizierung und aktives Management wichtiger denn je sind, meint Ales Koutny, Head of International Rates bei Vanguard Europe. Warum bei Investitionen Daten mehr zählen als Schlagzeilen, was die neue Aufmerksamkeit für langfristige US-Staatsanleihen verrät – und warum bei Core-Allokationen eine globale Diversifizierung im aktuellen Umfeld umso wichtiger wird, erklärt er im Gastbeitrag.

Auf den Anleihenmärkten ging es in den vergangenen Monaten alles andere als ruhig zu. Ein Hauptgrund für das Auf und Ab ist der Kontrast zwischen „weichen“ Indikatoren und den „harten“ Daten. Erstere, zu denen etwa die negativen Schlagzeilen rund um die US-Zollpolitik gehören, sorgen für eine schlechtere Anlegerstimmung. Letztere hingegen zeigen ein deutlich robusteres Bild der Wirtschaftslage. Fakt ist, dass sich die Konjunktur sowohl in den USA als auch in Europa trotz Sorgen um steigende Inflation, neue Zölle und einer Abkühlung der Wirtschaft bisher erstaunlich gut hält. Auch mit Blick auch Anlageentscheidungen, lohnt es sich eher auf die tatsächlichen Wirtschaftsdaten zu schauen. Letztendlich sind sie es, die dafür ausschlaggebend sind, wie sich etwa die Zinssätze weiter entwickeln werden.
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Investmentgrad-Anleihen überholen Staatsanleihen
Vor allem für Unternehmensanleihen sind die Aussichten trotz Volatilität gut. Investmentgrade-Anleihen konnten die Staatsanleihen hinter sich lassen, zumal auch die Risikoaufschläge die Volatilität von Staatsanleihen diversifizieren konnten. Diese Entwicklung ist für viele überraschend, da das wirtschaftliche Umfeld für Unternehmen in den vergangenen Jahren äußerst herausfordernd war. Zuerst die Corona-Pandemie, auf die ein massiver Inflationsschub sowie ein sprunghafter Anstieg der Zinsen folgte, dann die US-Wahlen und die darauffolgende Ungewissheit in der Zollpolitik. Tatsächlich haben sich die Unternehmen mittlerweile gegen zahlreiche Konjunkturszenarien gerüstet. Daher sind die meisten Bilanzen heute sehr viel robuster.
Die Kreditrisikoaufschläge und Renditen sollten in den nächsten ein bis zwei Jahren relativ fest sein. Höhere Ausgangsrenditen bedeuten, dass Anleihen von risikoarmen Unternehmen um die fünf Prozent erzielen können. Für die nächsten Jahre wäre das ein gutes Ergebnis für jede Assetklasse. Gleichzeitig sind die Risikoaufschläge bereits knapp gemessen, haben jedoch noch Luft nach unten. Sollten Inflation und Nachfrage in nächster Zeit nicht vollkommen aus dem Ruder laufen, ist nicht damit zu rechnen, dass die Spreads weiter fallen.
Langfristige Anleihen profitieren von Volatilität
Interessant ist auch ein Blick auf signifikante Marktbewegungen bei Staatsanleihen. So kam es im April bei US-Treasuries etwa zu einer Verkaufswelle, was die Renditen zehnjähriger Anleihen innerhalb einer Woche um mehr als 50 Basispunkte ansteigen ließ. Die Unsicherheit unter Anlegern ist hier entsprechend hoch. Zeitgleich war bei der eigentlich routinemäßigen Auktion dreißigjähriger Staatsanleihen die Nachfrage gering, was weiter am Vertrauen in die US-Vermögenswerte rüttelte.
Allerdings ist die Interpretation solcher Ereignisse nur eingeschränkt aussagekräftig. Zwar liefern Versteigerungen nützliche Informationen über das Verhältnis von Angebot und Nachfrage, wie nachhaltig die US-Haushaltspolitik ist oder ob Investoren einen Bogen um amerikanische Staatsanleihen machen, lässt sich aus ihnen jedoch nur sehr bedingt ablesen.
Immerhin machen langfristige Anleihen in den meisten Ländern nur rund fünf Prozent des Staatsanleihevolumens aus. In der Haushaltsfinanzierung spielen sie nur eine untergeordnete Rolle.
In den meisten ausschlaggebenden Märkten ist die Volatilität der Renditekurven von Staatsanleihen steiler geworden. Das eröffnet aktiven Anlegern Chancen. Beispielsweise sind die Renditen von langfristigen britischen Staatsanleihen im Zuge einer massiven Verkaufswelle auf den höchsten Stand seit 20 Jahren gestiegen und waren entsprechend attraktiv. Aktive Manager mit einer Core-Allokation konnten hier Mehrrenditen gegenüber der Benchmark erzielen. Wir rechnen mit anhaltender Volatilität am langen Ende der Kurve.
Ohne die USA geht es nicht – doch Vorsicht vor schwachem Dollar
Im aktuellen Umfeld, wird globale Diversifizierung immer mehr zum Erfolgsfaktor, auch bei Anleihen. Mit einem breit aufgestellten, aktiv gemanagten Portfolio können Anleger Konzentrationsrisiken reduzieren und Renditepotenzial in allen Märkten der Welt ausschöpfen. Zu einer globalen Diversifizierung gehören auch die USA. Sie machen zurzeit 50 Prozent des globalen Anleihemarktes aus, was ein Exposure in der Nation unabdingbar macht. Trotzdem hat das Narrativ Anklang gefunden, Anleger würden sich aus den USA zurückziehen – das lässt sich aktuell allerdings nicht bestätigen.
Tatsächlich haben sich viele Anlegerinnen und Anleger nicht vom US-Markt zurückgezogen, sondern lediglich ihr Exposure auf amerikanische Vermögenswerte angepasst, nachdem diese in den vergangenen 15 Jahren gegenüber anderen Märkten erhebliche Mehrrenditen abgeworfen hatten. Diese Rotation in andere Märkte hat den US-Dollar in den vergangenen Monaten deutlich unter Druck gesetzt. Die Währung hat seit Jahresbeginn mehr als zehn Prozent gegenüber dem Euro eingebüßt. Zwar war der amerikanische Dollar vorher sehr teuer – aktuell liegt er im langfristigen Durchschnitt – allerdings könnte er weitere fünf bis zehn Prozent verlieren. Anleger sollten daher überlegt agieren.