Wenn von Value Investing die Rede ist, denken viele an große, etablierte Industrieunternehmen mit robusten Cashflows, langer Börsenhistorie und stabiler Dividendenpolitik. Im Gegensatz dazu gelten Nebenwerte aus Schwellenländern oft als Synonym für Unsicherheit: geringe Marktkapitalisierung, schwankende Liquidität, politische Risiken und eine wenig vorhersehbare Unternehmensführung. Diese Unterschiede lassen Value-orientierte Investoren zögern – zumindest auf den ersten Blick. Doch gerade in diesem Spannungsfeld zeigt sich, wie wertvoll eine disziplinierte Fundamentalanalyse sein kann.

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Harald Sporleder ist Chief Investment Officer der Fondsboutique Lingohr & Partner Asset ManagementHarald Sporleder ist Chief Investment Officer der Fondsboutique Lingohr & Partner Asset Management

Denn was macht einen echten Value-Titel aus? Nicht die Größe des Unternehmens, nicht seine Herkunft, sondern das Verhältnis zwischen innerem Wert und Börsenbewertung. Auch ein kleiner Maschinenbauer aus Malaysia oder ein südamerikanischer Nischenanbieter im Gesundheitssektor kann über eine solide Bilanzstruktur, hohe Eigenkapitalquoten und eine unterbewertete Marktstellung verfügen. Entscheidend ist, ob das Unternehmen mit nachvollziehbaren Zahlen, klarer Strategie und einer gewissen Resilienz gegenüber äußeren Schocks überzeugt – und ob der Markt diese Qualitäten noch nicht vollständig eingepreist hat.

Eine qualitative Betrachtung ist gefragt

Genau hier liegt die Stärke von Small Caps aus den Emerging Markets. Viele dieser Unternehmen sind unter dem Radar globaler Großinvestoren unterwegs. Sie werden kaum von Analysten verfolgt, sind in großen Indizes unterrepräsentiert und reagieren weniger auf makroökonomische Modetrends als ihre Pendants aus den entwickelten Märkten. Ihre Bewertung ist oft niedrig, nicht weil sie strukturell schwach sind, sondern weil sie schlicht übersehen werden. Dieser Informationsnachteil der Märkte eröffnet Value-Investoren, die bereit sind, tief in die Fundamentaldaten einzusteigen, einen klaren Vorteil.

Natürlich ist der Weg dorthin anspruchsvoll. Wer Substanz in diesem Segment finden will, braucht Erfahrung, lokale Expertise und ein Netzwerk, das den Zugang zu relevanten Unternehmensinformationen sichert. Standardisierte Screening-Modelle reichen nicht aus. Stattdessen ist eine qualitative Betrachtung gefragt, die Governance-Strukturen, Marktposition, Wettbewerbsvorteile und Kapitalverwendung einbezieht. Dabei offenbart sich häufig: Die Mischung aus strukturellem Wachstumspotenzial, lokalen Wettbewerbsvorteilen und attraktiven Einstiegsbewertungen schafft ein Umfeld, in dem Value Investing im besten Sinne wirkt. Das Risikomanagement beim Value Investing in den Emerging Markets erfordert daher eine multifaktorielle Herangehensweise. Neben der sorgfältigen Titelauswahl ist die Diversifikation über verschiedene Sektoren und Regionen hinweg von zentraler Bedeutung, um spezifische Risiken zu minimieren. Zudem sollten Investoren auf die Liquidität der Wertpapiere achten, da weniger liquide Märkte zu größeren Preisschwankungen und potenziellen Schwierigkeiten beim Ausstieg führen können. Die Absicherung gegen Währungsrisiken ist ebenfalls ein essenzieller Bestandteil, da Wechselkursvolatilität die Renditen stark beeinflussen kann.

In den Emerging Markets lohnt der Blick auf das Fundamentale

Besonders in Zeiten geopolitischer Spannungen und konjunktureller Unsicherheit rücken die Grundprinzipien des Value Investing wieder in den Vordergrund. Denn in einem Marktumfeld, das von Zinssensitivität, überbewerteten Wachstumsfantasien und kurzfristigem Handelsverhalten geprägt ist, bieten Substanzwerte aus dem globalen Süden eine wohltuende Alternative. Wer sich vom Lärm der Märkte nicht beirren lässt und den inneren Wert eines Unternehmens sorgfältig analysiert, kann in genau jenen Regionen Mehrwert schaffen, die viele aus Vorsicht meiden. Das mag strategisch kontraintuitiv erscheinen – aber Value Investing war nie ein Gefälligkeitsansatz. Es geht nicht darum, populäre Entscheidungen zu treffen, sondern rationale. Nicht dem Momentum zu folgen, sondern der Vernunft. Wer dieses Prinzip auch auf vermeintlich exotische Marktsegmente anwendet, entdeckt oft Unternehmen, die langfristig mehr bieten als viele prominente Wachstumsstars.

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Emerging Markets Small Caps mögen auf den ersten Blick volatil und unzugänglich erscheinen. Doch unter der Oberfläche verbergen sich viele Unternehmen mit echter Substanz – robust geführt, klar positioniert und bereit, ihre Wettbewerbsnische zu behaupten. Für Investoren mit Value-DNA bedeutet das: Gerade hier lohnt sich der Blick auf das Fundamentale. Denn nicht die Herkunft eines Unternehmens entscheidet über seinen Wert, sondern seine ökonomische Realität. Langfristig wird sich auch in den Schwellenländern zeigen: Substanz ist keine Frage der Größe. Wer bereit ist, über etablierte Märkte hinauszublicken, findet im Kleinen oft das, was an den großen Märkten verloren geht – echte Werte zum fairen Preis.