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Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) hat eine neue Diskussion um die Lebensarbeitszeit in Deutschland entfacht. Mit klaren Worten fordert sie eine Anhebung der Lebensarbeitszeit und verweist dabei auf den demografischen Wandel sowie die steigende Lebenserwartung. „Der demographische Wandel und die weiter steigende Lebenserwartung machen es unumgänglich: Die Lebensarbeitszeit muss steigen“, erklärte Reiche in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

Menschen in Deutschland arbeiteten verhältnismäßig zu wenig. „Es kann jedenfalls auf Dauer nicht gut gehen, dass wir nur zwei Drittel unseres Erwachsenenlebens arbeiten und ein Drittel in Rente verbringen“, mahnt die CDU-Politikerin. Deutschland müsse sich der Realität stellen. „Wir müssen mehr und länger arbeiten.“

Dabei vergleicht Reiche die Jahresarbeitszeit in Deutschland mit der in den USA. Während dort Beschäftigte durchschnittlich 1.800 Stunden im Jahr arbeiten, sind es hierzulande lediglich 1.340 Stunden. „Im internationalen Vergleich arbeiten die Deutschen im Durchschnitt wenig“, kritisiert die Ministerin.

Doch mit ihrer Forderung stößt Reiche nicht nur auf Zustimmung. Der CDU-Arbeitnehmerflügel reagiert mit deutlicher Ablehnung. „Wer als Wirtschaftsministerin nicht realisiert, dass Deutschland eine hohe Teilzeitquote und damit eine niedrige durchschnittliche Jahresarbeitszeit hat, ist eine Fehlbesetzung“, sagte Christian Bäumler, Bundesvize der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA)

Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) warnt davor, die Rentenpolitik zulasten der Arbeitnehmer umzubauen. DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel fordert stattdessen eine stärkere Finanzierung der Rentenversicherung über Steuern. „Für gute Renten muss jetzt auf der Einnahmeseite der Rentenversicherung mehr reinkommen“, so Piel. Zudem kritisiert sie, dass gesamtgesellschaftliche Leistungen wie die Mütterrente aus der Rentenkasse und nicht aus dem Staatshaushalt finanziert werden.

Anders sieht das Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. Er begrüßt Reiches Aussagen ausdrücklich. „Wirtschaftsministerin Reiche spricht Klartext – und das ist gut so. Wer jetzt mit Empörung reagiert, verweigert sich der Realität“, sagte Dulger der Presse-Agentur "dpa". Für ihn ist Reiches Haltung ein „Rendezvous mit der Realität“, denn die aktuellen Belastungen der Sozialversicherungssysteme seien ein Warnsignal. „50 Prozent Sozialversicherungsbeitrag sind keine Verheißung, sondern ein Warnsignal“, betont er.

Dulger warnt davor, die demografischen Entwicklungen zu ignorieren. Dies sei insbesondere mit Blick auf die kommenden Generationen notwendig. Die Konsequenz sei klar: „Deutschland muss wieder mehr arbeiten, damit unser Wohlstand auch morgen noch Bestand hat.“

Die aktuellen Diskussion ist nicht von der Hand zu weisen. Denn die Rentenbezugsdauer und damit die Zeit, die Rentner eine Altersgeld bezogen, hat sich seit 1960 deutlich erhöht. Waren es damals bei westdeutschen Rentnern noch 9,9 Jahre vom Renteneintritt bis zum Ableben, sind es Stand 2023 im bundesweiten Durchschnitt 21,7 Jahre mit Rentenbezug und damit mehr als doppelt so viel. Das geht aus Zahlen der Deutschen Rentenversicherung hervor. Der zweite gravierende Punkt an dieser Stelle ist die Finanzierung der Rentenversicherung. Denn im Jahr 1962 kamen in Westdeutschland durchschnittlich 6,05 aktiv versicherte Erwerbspersonen auf einen Altersrentner. Im Jahr 2022 waren es nur noch 2,15 aktiv versicherte Erwerbspersonen und damit etwas mehr als ein Drittel. Das geht aus Daten des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung hervor. Vereinfacht zusammengefasst bedeutet, dass zum einen das die Menschen länger im Rentenalter verweilen und damit mehr Geld aus der Rentenkasse beziehen. Parellel dazu fließen allerdings deutlich weniger Beiträge in pro Rentner in die Rentenversicherung. Es kommt zu einem mathematischem Missstand, der dringend einer Reform bedarf.

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