Die gesetzliche Rentenversicherung steht vor einer tiefgreifenden Herausforderung. Die sogenannte „Haltelinie“, die das Rentenniveau bis mindestens 2031 bei 48 Prozent stabilisieren soll, wird zunehmend zum Belastungstest. Das gilt für den Bundeshaushalt ebenso wie für die Generationengerechtigkeit. Das zeigt eine neue Studie von Prof. Dr. Martin Werding im Auftrag von Fidelity International. Die Ergebnisse sind brisant. Denn die politisch beschlossene Stabilität hat ihren Preis und der wird vor allem von den Jüngeren bezahlt.

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Laut der Studie würden selbst im günstigsten Szenario die jährlichen Bundesmittel zur Finanzierung der Rentenversicherung von heute rund 142 Milliarden Euro bis 2040 auf rund 198 Milliarden Euro steigen. Das ist ein Anstieg um satte 40 Prozent. Im pessimistischen Szenario wären es bis dahin sogar 233 Milliarden Euro jährlich. Zum Vergleich: Der gesamte Bundeshaushalt der Vor-Krisen-Jahre betrug durchschnittlich etwa 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die Rentenzuschüsse könnten bald bis zu sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmachen.

„Die Mehrausgaben für die gesetzliche Rentenversicherung aufgrund der Haltelinie sind eine enorme Belastung für die Bundesfinanzen. Damit die Rechnung aufgeht, müsste der Staat entweder erhebliche zusätzliche Steuereinnahmen generieren oder er müsste bei anderen Haushaltsposten massiv einsparen – etwa bei der Verteidigung oder im Bereich Soziales.“, warnt Werding. Die Frage, wie die künftigen Kosten der Rentenpolitik geschultert werden sollen, bleibt bislang komplett unbeantwortet.

Generationenkonflikt droht

Noch schwerer wiegt die Last für die jungen Generationen. Denn die Haltelinie bringt eine massive Umverteilung zulasten der unter 48-Jährigen mit sich. Während ältere Versicherte von höheren Renten profitieren, ohne dafür langfristig höhere Beiträge gezahlt zu haben, zahlen die Jüngeren zunehmend drauf. Dies könne direkt über steigende Rentenbeiträge und indirekt über höhere Steuerlasten geschahen. Gleichzeitig bleibt ihnen weniger Spielraum für private Altersvorsorge.

In der Studie hat Werding dafür eine Berechnung aufgestellt. Würde auf die Haltelinie verzichtet und stattdessen eine ergänzende kapitalgedeckte Vorsorge eingeführt, könnten junge Versicherte je nach Anlagestrategie monatlich zwischen 200 und über 600 Euro mehr an Altersrente erhalten. Vereinfacht wurde dazu angenommen, dass die Beitragszahler das Geld, das sie als Steuerzahler für die Stabilisierung des Rentenniveaus einzahlen müssten, am Kapitalmarkt anlegen.

„Die Berechnungen der Studie zeigen zwar, dass junge Menschen, die am Anfang ihres Erwerbslebens stehen, am stärksten von der Fixierung der Haltelinie betroffen sind. Aber prinzipiell hätten sowohl der 20-jährige Friseur wie auch die 30-jährige Versicherungskauffrau und der 40-jährige Geschäftsführer höhere Renten, würde die Haltelinie entfallen und stattdessen zusätzlich kapitalgedeckt vorgesorgt“, sagt Fidelity-Deutschlandchefin Susanna Wooders und fordert: „Deutschland braucht mehr Mut zur Veränderung in der Altersvorsorge. Die Haltelinie in der gesetzlichen Rente gefährdet den Wohlstand der nächsten Generation in unserem Land.“ Sie fordert neue Anreize für eigenverantwortliche Vorsorge. Dies sei etwa durch die Einführung von Altersvorsorgekonten nach britischem oder schwedischem Vorbild möglich.

In eine etwas andere Richtung zielt Christof Quiring, Leiter der betrieblichen Vorsorgelösungen bei Fidelity: „Um unser Rentensystem zukunftsfest aufzustellen, müssen wir alle drei Säulen reformieren. Dazu zählen auch die Potenziale der betrieblichen Altersversorgung (bAV). Hier sollte ein so genanntes Auto-Enrolment eingeführt werden, das hießt Mitarbeiter nehmen automatisch an der bAV teil, wenn sie nicht aktiv widersprechen.“

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