Mit der überarbeiteten Eigenmittelverordnung CRR III wird nicht nur ein weiteres Kapitel der Basel-III-Reformen aufgeschlagen – es beginnt auch eine neue Phase der aufsichtsrechtlichen Steuerung der Kapitalmärkte. Was auf den ersten Blick wie eine technische Verfeinerung wirkt, ist in der Praxis eine weitreichende Neustrukturierung der Berechnungslogiken für Risiken, Transparenzanforderungen und Kapitalunterlegung. Banken, Versicherungen, Fondsanbieter und andere institutionelle Investoren müssen sich auf ein verändertes Regelwerk einstellen, das ihre Kapitalallokation nachhaltig beeinflussen wird.

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CRR III zielt auf eine präzisere und international besser vergleichbare Erfassung von Risiken in den Bankbilanzen. Im Zentrum stehen die risikogewichteten Aktiva (Risk Weighted Assets, RWA), die den regulatorischen Kapitalbedarf bestimmen. Die neuen Vorgaben führen zu einer differenzierteren Einstufung der Risiken von Unternehmensanleihen, nachrangigen Schuldinstrumenten und Private-Equity-Beteiligungen. Besonders Fondsbeteiligungen geraten stärker in den Fokus: Je geringer die Transparenz der enthaltenen Vermögenswerte, desto höher die pauschale Risikobewertung. Das zwingt institutionelle Investoren dazu, ihre Fondsauswahl und Beteiligungsstrategien grundlegend zu überdenken.

Emissionen mit niedriger Bonität regulatorisch deutlich teurer

In der Vergangenheit genügte es vielfach, pauschale Risikogewichte auf Fondsinvestments anzuwenden. Künftig verlangt der Regulierungsrahmen eine detaillierte Offenlegung der Fondsinhalte. Fondsmanager müssen transparent darlegen, wie sich die Vermögenswerte innerhalb eines Fonds zusammensetzen. Fehlt diese Offenlegung, greifen pauschale Risikogewichte – mit regelmäßig deutlich höherer Kapitalunterlegung als Folge. Das verändert nicht nur die Bewertung einzelner Produkte, sondern hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Struktur klassischer Portfolios institutioneller Anleger.

Auch Emissionen von Unternehmen mit niedrigerer Bonität sowie nachrangige Finanzinstrumente werden regulatorisch spürbar teurer. Hochzinsanleihen – bislang attraktive Renditebausteine – geraten unter Druck, da sie künftig mit höheren Eigenkapitalanforderungen belegt werden. Besonders sogenannte Tier-2-Instrumente, also nachrangige Schuldverschreibungen mit verlusttragender Funktion, erfahren eine Neubewertung mit einem Risikogewicht von in der Regel pauschal 150 Prozent. Diese Entwicklung dürfte das Investitionsverhalten institutioneller Anleger deutlich verändern. Bereits heute deuten Marktbeobachtungen darauf hin, dass viele Investoren selektiver vorgehen und Alternativen mit günstigeren aufsichtsrechtlichen Profilen bevorzugen.

Klimarisiken als fester Bestandteil der Investmententscheidung

Auch Private-Equity-Beteiligungen werden unter CRR III differenzierter bewertet. Je nach Laufzeit und Risikoausprägung gelten künftig unterschiedliche Risikogewichte. Dies begünstigt eine Umsteuerung von langfristig illiquiden hin zu flexibleren oder transparenteren Anlageformen. Für Fondsmanager mit entsprechender Expertise entsteht dadurch jedoch auch Potenzial für neue Strukturen, die regulatorisch effizient und zugleich attraktiv für Investoren sind.

Eine der weitreichendsten Neuerungen ist die verpflichtende Integration klimabezogener Risiken. Erstmals fordert der europäische Gesetzgeber, dass physische Risiken – etwa durch Extremwetterereignisse – und transitorische Risiken infolge klimapolitischer Maßnahmen systematisch in die Risikoanalyse, Kapitalplanung und interne Steuerung einbezogen werden. Es geht also nicht nur um ESG-konforme Produktkennzeichnung, sondern um konkrete Kapitalanforderungen. Damit verschiebt sich der Fokus der Kapitalsteuerung in Richtung Nachhaltigkeit. Wer Portfolios klimastabil und resilient strukturiert, profitiert sowohl reputativ als auch bilanziell.

Strategische Implikationen für Banken, Versicherer und Asset Manager

Eine weitere markante Änderung ergibt sich aus der neu geschaffenen Wahlmöglichkeit im Kreditrisiko-Standardansatz. Banken können künftig entscheiden, ob sie Risikokennzahlen wie Verschuldungsgrad oder Schuldendienstquote auf Basis externer Ratings oder interner Modelle ermitteln. Diese Flexibilität erlaubt eine kapitaloptimierte Steuerung, setzt aber hohe Anforderungen an Validierung, Governance und Transparenz der internen Prozesse. Besonders kleinere Institute stehen vor der Herausforderung, rechtzeitig geeignete Systeme zu implementieren oder sich mit Partnern zusammenzuschließen.

Die Summe dieser Regelungsänderungen zwingt Banken, Versicherer und Fondsanbieter zu strategischer Reflexion. Die bisher gängigen Portfolioansätze mit breiten, teils intransparenten Engagements müssen regulatorisch neu gedacht werden. Künftig werden insbesondere liquide, klar strukturierte und regulatorisch privilegierte Anlagen bevorzugt. Gleichzeitig schafft CRR III Spielraum für Innovation: Wer es versteht, regulatorische Anforderungen mit den Renditezielen der Investoren zu vereinen, kann sich entscheidende Wettbewerbsvorteile sichern.

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