Die Lebenserwartung in Deutschland, einst ein verlässlicher Indikator für die Kalkulation von Lebensversicherungen, zeigt Anzeichen von Stagnation und Rückgang. Laut der aktuellen Sterbetafel 2021/2023 des Statistischen Bundesamtes liegt die durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt für Jungen bei 78,17 Jahren und für Mädchen bei 82,99 Jahren. Im Vergleich zur vorherigen Periode bedeutet das einen leichten Rückgang von 0,16 Jahren bei Jungen und 0,19 Jahren bei Mädchen.

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Besonders auffällig sind die regionalen Unterschiede. Während in Baden-Württemberg geborene Jungen eine Lebenserwartung von 79,64 Jahren erreichen, liegt dieser Wert in Sachsen-Anhalt bei lediglich 75,67 Jahren. Bei Mädchen beträgt die Differenz zwischen dem Saarland (81,92 Jahre) und Baden-Württemberg (83,93 Jahre) rund zwei Jahre.

Diese Entwicklungen werfen Fragen auf, insbesondere für die Lebensversicherungsbranche. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) identifiziert sechs Hauptfaktoren, die die Lebenserwartung beeinflussen:

  • Medizinischer Fortschritt: Neue Therapien und Medikamente könnten das Altern verlangsamen, doch echte Durchbrüche stehen noch aus.
  • ElderTech: Technologien wie Telemedizin und Gesundheits-Apps könnten die Lebensqualität im Alter verbessern, ihr flächendeckender Einsatz ist jedoch noch begrenzt.
  • Lifestyle: Individuelle Lebensgewohnheiten haben einen erheblichen Einfluss auf die Lebenserwartung. Rauchen, Übergewicht und Bewegungsmangel können die Lebensdauer um mehrere Jahre verkürzen.
  • Umwelt: Luftverschmutzung durch Feinstaub und Stickstoffdioxid führt zu Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, was die Lebenserwartung reduziert.
  • Pandemien und Resistenzen: Die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, wie schnell sich die Lebenserwartung ändern kann. Langfristig könnten antibiotikaresistente Keime eine noch größere Bedrohung darstellen.
  • Klimawandel: Extreme Wetterlagen und steigende Temperaturen können die Ausbreitung von Krankheitserregern begünstigen und die Lebenserwartung negativ beeinflussen.

“Die Unsicherheiten nehmen zu. Medizinischer Fortschritt auf der einen, Klimarisiken oder Pandemien auf der anderen Seite. Wir wissen, dass wir immer älter werden. Aber das bedeutet auch, dass wir wissen müssen, wovon wir im Alter leben. Genau deswegen braucht es eine lebenslang sichere und renditestarke Altersvorsorge, die garantiert hält - ein Leben lang“, sagt Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des GDV.

Für Lebensversicherer bedeutet diese Unsicherheit eine Herausforderung bei der Kalkulation von Beiträgen und Leistungen. Traditionelle Modelle, die von einem stetigen Anstieg der Lebenserwartung ausgehen, müssten überdacht werden. Flexibilität und Anpassungsfähigkeit würden zu entscheidenden Faktoren in der Produktgestaltung.